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Sex

Die Bilder in Lina Scheynius „6“ sind so intim, wie nur Sex sein kann

Lina Scheynius liebt Instagram. Aber sie hasst es, dass Instagram so viele ihrer Nacktbilder löscht.
Alle Fotos von Lina Scheynius

Lina Scheynius hat mal gemodelt: „Ich habe ein paar schreckliche Sachen gemacht, aber zum Glück nicht unter meinem echten Namen." Nach fünf vergriffenen Fotobüchern, Arbeiten für The Gap, VOGUE, AnOther Magazine und einer wöchentlichen Kolumne im ZEIT-Magazin ist sie vor allem Fotografin. Linas künstlerische Arbeiten sind intim und biographisch. In der Galerie Christophe Guye in Zürich präsentierte die junge Schwedin am Mittwoch ihr neues, auf tausend Exemplare limitiertes Buch „6". Der Band enthält explizite Bilder der Jahre 2001 bis 2006 von ihrem Exfreund und ihr. Ich durfte mit Lina Scheynius am Züriseeufer durch das neue Buch blättern.

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VICE: Auf deiner Homepage habe ich gelesen, dass du Digitalfotografie nicht magst. Trotzdem hast du begonnen, Instagram zu nutzen?
Lina Scheynius: Ich liebe Instagram. Aber ich hasse es, dass Instagram so viele meiner Nacktbilder löscht. Ich hatte ein Bild—ich von der Seite auf dem Klo und man hat nichts gesehen. Sie haben es gelöscht. Ich hab's nochmals gepostet und dazu geschrieben „Liebes Instagram, warum hast du dieses Bild gelöscht?" Nach einer Stunde war es wieder weg. Keine Antwort.

Bekommst duneben dieser „Instagram"-Zensurüberhaupt irgendwelche negative Rückmeldungen?
Überraschend wenig. Wegen der Kolumne im ZEIT-Magazin gab es Kritik, aber sonst kaum.

Deine Kolumne im ZEIT-Magazin habe ich mir jede Woche angeschaut. Was mich an deinen Bildern beeindruckt ist der kindliche, ungebrochene Blick. Hast du den beabsichtigt?
Ich war von Anfang an am Entdecken: Das Medium Fotografie und die Welt um mich rum. Dann kamen all die Fragen von verschiedenen Seiten. Es war richtig, richtig hart für mich, zu bemerken, dass andere Leute meine Bilder anschauen. Nur für mich zu fotografieren, war in Ordnung. Aber plötzlich interessierte sich die ganze Welt für meine Fotos. Natürlich nicht die ganze Welt, nur ein winziger, winziger Teil der Welt.

War das auch für dein Umfeld, das auf deinen Fotos abgebildet wird, ein Problem?
Ja, sicher. Ab einem gewissen Punkt dachte ich: Jedes meiner Fotos mache ich für ein Publikum.

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Du selbst hast das gedacht?
Yeah, es passierte irgendwie. Ich weiss nicht wieso, aber es passierte. Während der Krankheit meines Grossvaters habe ich Fotos gemacht, die nur für mich privat sind. Das wusste ich sofort. Seither kann ich für mich entscheiden, welche Fotos öffentlich, welche privat sind. Früher machte ich mir diese Gedanken nicht. „6" enthält nur Bilder aus der Zeit bevor ich je etwas veröffentlicht habe.

Haben deine Freunde eine Art Vetorecht bei Bildern?
Ja, bei jedem einzelnen. Nein, das stimmt so nicht (lacht). Das Hauptthema dieses Buches ist mein Exfreund und ich habe alle Fotos mit ihm durchgeschaut.

Und intervenierte er bei einigen Fotos?
Das war das erste Mal, dass ihm gewisse Bilder unangenehm waren. Bei manchen konnte ich ihn überzeugen. Manche musste ich rausnehmen. Ich könnte noch ein Buch über die Zeit machen, wenn er seine Meinung ändert.

Verkaufst du mit dieser Arbeit einen Teil deiner Privatsphäre?
Das ist eine gute Frage. Ähm, yeah. Ich weiss nicht. Verkaufen? Ich fühle mich wie, wenn ich etwas offeriere, der Welt etwas biete.

Machst du eine klare Trennung zwischen deiner Arbeit für Fashion-Magazine und deiner Arbeit als Künstlerin?
Diese Frage beschäftigt mich sehr. Ich kämpfe, um herauszufinden, was was ist. Ich habe mir ein Jahr freigenommen. Dieses Jahr. Die kommerzielle Arbeit hat einen Grossteil meiner Aufmerksamkeit eingenommen, darum habe ich entschieden, jetzt nur persönliche Arbeiten zu machen. Ich bin Fotografin und mache lieber Fotos von meinen Freunden und meinem Leben als von einem Model. Bei Model-Fotografie ist das Ziel, etwas zu verkaufen. Ich will keine Kleider verkaufen. Wirklich nicht

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Darf ich das zitieren?
Ja, du darfst. Obwohl es für meine Karriere wahrscheinlich selbstmörderisch ist. Aber ich mag das ganze Konsumenten-Ding nicht.

In „6" hat es einige sehr sexualisierte Bilder. Sie sind anders als andere Fotos, die ich von dir kenne.
Es ist gut, dass „6" ein Buchformat ist. Nichts Digitales. Ich will nicht, dass die Tochter meiner Schwester diese Bilder findet. Überrascht dich der Anteil an Sexbildern in diesem Buch?

Ja und nein, vielleicht. Es ist nur: Auf vielen anderen deiner Nacktbilder habe ich einen Penis oder eine Vagina gesehen, aber diese Bilder hätten mich nie erregt - das meine ich positiv.
Ahja. (lacht) Ich habe keine Ahnung, wie die Leute reagieren werden. Ich habe diese Bilder gefunden und gefühlt, dass sie entscheidend für mein späteres Schaffen waren. Aber diese Fotos blicken definitiv durch die Augen einer jüngeren Frau.

Wie würdest du das Buch nennen, wenn nicht „6"?
Mit Titeln bin ich nicht gut. Als ich sie vor Ewigkeiten ins Internet geladen habe, nannte ich diese Serie „Leftovers".

Wie hat dein Exfreund auf diesen Titel reagiert?
Ich weiss nicht mal mehr, ob damals nicht eh Funkstille war. Er ist sehr entspannt; es stört ihn nicht wirklich. Oh, dieser Titel fühlt sich nicht mehr richtig an.

Wolltest du dich mit der Fotostrecke rächen?
Ich weiss nicht, ob es um Rache ging. Ich hatte nur genug von der Idee von…Liebe, vielleicht. Ja. Diese Bilder waren „Leftovers".

Aber durch die Veröffentlichung wird deine Verbindung zu ihnen ja noch stärker.
Ja. Das ist wahr. Das ist sehr wahr. Jetzt muss ich mir immer wieder diese Fotoplatten anschauen.