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Warum wir den Pariser Klimagipfel in zwei Wochen jetzt erst recht brauchen

Der Gipfel in zwei Wochen kann ein Zeichen gemeinsamer Klimapolitik werden—sicherheitspolitisch nichts anderes als ein umfassender Friedenspakt.
Francois Hollande, Najat Vallaud Balkejem, Manuel Valls und verschiedene internationale Politiker bei einer Vorbereitungskonferenz auf die Pariser Klimakonferenz Anfang September. Bild: Imago.

Paris 2015—das stand und steht für mich als Klimaschützer für die im Dezember anstehende Weltklimakonferenz. Und das ändert sich auch nicht durch die erschreckenden Terroranschläge vom vergangenen Freitag in Paris. Im Gegenteil. Das Ergebnis der anstehenden Konferenz kann maßgeblich dazu beitragen, solchen Anschlägen – zumindest zum Teil – den Nährboden zu entziehen.

Kurzzeitig wurde am Samstag eine Absage oder Verschiebung der Konferenz diskutiert. Die jährliche Klimakonferenz, bei der unter enormen Sicherheitsvorkehrungen Staatschefs und Diplomaten aus allen Ländern zusammen kommen, soll nun aber wie geplant vom 30. November bis 11. Dezember in Paris stattfinden.

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Klimakonferenzen zählen zu den wenigen aktuellen Ereignissen, bei denen tatsächlich Politiker und Diplomaten aller Länder an einer gemeinsam Lösung eines globalen Problems arbeiten. Das neue Abkommen von Paris soll alle Nationen weltweit in Bemühungen um den Klimaschutz einbinden, den Ausstoß von Treibhausgasen massiv reduzieren, die Länder dabei unterstützen, sich auf nicht vermeidbare Klimaveränderungen vorzubereiten und somit die schlimmsten Schäden durch Dürren, Hungersnöte und Überschwemmungen abzuwenden.

Der Pariser Gipfel in zwei Wochen kann ein Zeichen gemeinsamer Klimapolitik werden—sicherheitspolitisch nichts anderes als ein umfassender Friedenspakt.

Dieses Abkommen kann im Idealfall zentraler Motor für internationale Zusammenarbeit, ein globales Beispiel für Fairness und Solidarität sein. Und es kann auch einen wesentlichen Beitrag für die internationale Sicherheit leisten. Syrien ist hier eines der besten Beispiele dafür, wie Umweltveränderungen politische Unruhen und bewaffnete Konflikte befeuern können.

Zwischen 2006 und 2011 war Syrien von einer schweren Dürre betroffenen, was zu einer massiven Landflucht in die syrischen Städte führte. Darauf folgte das völlige Versagen der Regierung, angemessen auf diese humanitäre Krise zu reagieren. Der ohnehin bestehende Unmut über die Assad-Führung eskalierte.

Dennis Tänzler. Bild: Christopher Stolzenberg (Verwendet mit freundlicher Genehmigung).

Der Klimawandel hat also längst solch reale Auswirkungen erreicht, dass er Politik beeinflussen kann und Konflikte anheizt oder verschärft—dies gilt vor allem in schwachen oder instabilen Staaten, also in Ländern wie Syrien oder Pakistan, die auch im Mittelpunkt der Diskussion um den internationalen Terrorismus stehen. In diesen Ländern kann der Staat oft nicht hinreichend Nahrung, Zugang zu Wasser oder eine ausreichende Gesundheitsversorgung gewährleisten. Kommt der Klimawandel in Zukunft noch als Verstärker hinzu, drohen diesen Nationen eine vollständige Überlastung und schließlich der Kollaps.

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Klimapolitik ist daher immer auch ein zentraler Beitrag zur Außen- und Sicherheitspolitik— gleichzeitig ist sie ein gutes Beispiel für eine von verschiedenen wirklich nachhaltigen Strategien, die die strukturellen Ursachen des Terrors bekämpfen können. Gemeinsame internationale Bemühungen sind langfristig wesentlich vielversprechender als allein auf militärische Antworten zu setzen.

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Der Pariser Gipfel in zwei Wochen soll ein machtvolles, zentrales Zeichen für die Ernsthaftigkeit gemeinsamer Klimaschutzbemühungen setzen – sicherheitspolitisch nichts anderes als ein umfassender Friedenspakt. Ein Pakt, der seine positive Wirkung aber erst über die Jahre entfalten kann und auch nur dann, wenn er alle Länder in einen Lösungsrahmen einbindet.

Syrien ist eines der besten Beispiele dafür, wie Umweltveränderungen politische Unruhen und bewaffnete Konflikte befeuern können.

Und die Chancen für einen erfolgreichen Pariser Gipfel im Dezember stehen gar nicht so schlecht. Die internationale Gemeinschaft arbeitet seit Jahren daran, Klimaschutz in den einzelnen Ländern zu verankern und den Beitrag für einen globalen Lösungsansatz zu identifizieren. Dies gilt ebenso für schwache oder als instabil geltende Staaten, welche zum Teil große Probleme haben, Klimaschutzprojekte zu realisieren oder sich die anhaltende internationale Unterstützung zu sichern.

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Ein Probelauf für die Vorbereitungstagung des Klimagipfels im Bonner World Conference Center. Bild: Imago

Ich habe dieses Jahr an Klimaschutzprojekten in Tunis, Kairo, Beirut und Islamabad teilgenommen—überall gab es Sicherheitswarnungen, alle Länder sind regelmäßig von terroristischen Anschlägen betroffenen. Überall herrschte aber auch Aufbruchsstimmung und die Überzeugung, dass Klimaschutz und der Ausbau erneuerbarer Energien dazu beitragen, die gegenwärtige Situation dort zu verbessern und beispielsweise Jobs zu schaffen.

In Islamabad begegnete ich zum Beispiel Provinzvertretern, die wissen wollten, wie sie denn nun am besten ihre Ideen zum Klimaschutz beim Green Climate Fund einreichen könnten. Dieser Fund wurde eingerichtet, um wesentliche Teile der zukünftigen Klimaschutzmittel zu verteilen. Diese Länder wollen nicht nur Teil des globalen Klimaschutzzuges sein, sie wollen vor allem vermeiden, durch den Klimawandel noch stärker in ihren Bedürfnissen nach Frieden und Sicherheit eingeschränkt zu werden.

Die Hoffnungen nicht nur dieser Länder richten sich auf ein erfolgreiches Zusammentreffen in Paris. Nicht alle können (und sollen) selbst zu der Konferenz kommen, doch die Vertreter der Regierungen wie auch der Zivilgesellschaft können im Dezember in Paris etwas schaffen, das die Anschläge am vergangenen Freitag zerstören wollten: Eine globale Zusammenkunft von Lösungen und kreativen, zukunftsgerichteten Ideen, die dazu beitragen, dass der strukturelle Nährboden für Not, Chaos und Terror abgebaut und Tugenden wie Solidarität und Zusammenarbeit auf globaler Ebene umgesetzt werden. Wird der Pariser Gipfel ein Erfolg, dann dürfte dies eine nachhaltigere Wirkung haben als viele der Verlautbarungen, die als unmittelbare Reaktion auf die Anschläge publik wurden.

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Dennis Tänzler arbeitet als Klimaschützer und Politikberater bei dem Institut adelphi. In diesem Jahr hat er unter anderem für die G7 -Außenminister einen ausführlichen Bericht mitveröffentlicht, der die Beziehung zwischen Klimawandel und Sicherheitspolitik untersucht.