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The Outta My Way, I’m Walking Here Issue

Armutstourismus in Südafrika

Geführte Touren durch von Armut gebeutelte Townships, um das echte Südafrika zu erleben: Kann man machen, ist aber kacke.
Foto von Odd Andersen/AFP/Getty Images

Fast die Hälfte der südafrikanischen Bevölkerung, der Großteil davon schwarz, lebt unterhalb der Armutsgrenze. Das und seine Apartheidsgeschichte machen das Land zu einem Paradebeispiel für die Kluft zwischen weißer und schwarzer Bevölkerung in afrikanischen Ländern. Einige gehen mit dieser Kluft allerdings auf seltsame Weise um—indem sie beispielsweise für Sightseeing-Touren durch not­leidende Gemeinden bezahlen.

„Township-Touren", „Toxic Tours", „das echte Südafrika-Erlebnis"—das Angebot ist groß, aber im Grunde sind sie alle gleich. Ein Führer zeigt Gruppen Townships und Dörfer, die unter Armut, industrieller Verschmutzung oder beidem leiden. Dann erläutert der Führer, warum die Dinge so beschissen sind, und gibt den Besuchern etwas Zeit, mit den Bewohnern in Kontakt zu treten. Einige Zeit später ist die Tour beendet und alle kehren in ihre Wohnungen, Hotels oder Häuser zurück.

„Dadurch wird die Inter­sektionalität weggewischt, mit der Armut und Ausgrenzung sich manifestieren und jeden Aspekt unseres Lebens infiltrieren", ­schreibt Busisiwe Deyi, eine bekannte südafrikanische Sozial- und Gender-Aktivistin, in einem kritischen Beitrag in dem Blog Africa Is a Country. Sie spricht im Wesentlichen von einem Zuschauersport.

Gillian Schutte, eine der Gründerinnen von Media for Justice, einer südafrikanischen Mediengruppe, die eine sozial bewußtere Tour anbietet, verteidigte ihr Vorgehen. „Dadurch entstehen keine Profite", erzählt sie mir. „Das gesamte Geld geht nach Abzug unserer Spritkosten an die jeweilige Gemeinde zurück."

Die Touren verfolgen eine gute Absicht, doch stellt es an sich schon ein Privileg dar, dafür zu bezahlen, sich den Lebensstil einer niedrigeren sozio­ökonomischen Klasse anzuschauen. Das „echte" südafrikanische Erlebnis, so argumentieren Kritiker, erschließt sich einem nicht auf so einem Kurztrip, sondern letztlich nur, wenn man gezwungen ist, sein Leben in einem System zu verbringen, in dem man jede Sekunde von Unterdrückung, Angst und Armut heimgesucht wird. Vielleicht ist es einfacher, dieser Realität zuzusehen, wenn man von außen kommt—schließlich werden die Touren noch immer gebucht und wohl auch nicht so bald eingestellt.