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Sex

Pornos zu übersetzen macht keinen Spass

Mein Job als Pornoübersetzer war nicht so prickelnd wie du glaubst.

Foto von Renata Chebel 

Letzten Sommer sass ich fest. Zu viel Zeit, zu wenig Geld. Ich brauchte einen Job. Einen, bei dem ich mich auch von Zuhause aus ausbeuten lassen konnte. Auf der internationalen Hungerlohnplattform odesk.com suchte ein amerikanischer Verlag jemanden, der seine E-Books ins Deutsche übersetzte. „Erotica Translator“ nannte sich das. Ich dachte an den Marquis de Sade und den Hedonism Bot, dachte an Champagner und Kaviar morgens um zehn.  Dass der Beruf des Erotikübersetzers in einer Welt, in der jeder Vierte bereits mit zwölf mit dem Pornosammeln beginnt, nicht ganz so glamourös war, wusste ich damals noch nicht.

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Foto von alphadesigner

Der Schwester des Verlegers, die wahrscheinlich so etwa ein Jahr Deutschunterricht auf ihrer midwestern Highschool belegt hatte, gefiel meine Arbeitsprobe ausserordentlich gut. Man wolle mich unbedingt dabeihaben. Das war meine Chance. Die Bezahlung war zwar noch schlechter als bei VICE, aber wenn das Schicksal mit seinen Krallen an die Tür scharrt, lässt man sich nicht lange bitten.

Der erste Auftrag lief wie geschmiert. Es ging um eine Angestellte, die von ihrem neuen Chef in die fantastische Welt des Bieder-BDSM eingeführt wurde: „Iris war wie betäubt. Seine Aggressivität war furchteinflössend und dennoch glaubte sie, vor Lust beinahe ohnmächtig zu werden“. Nicht mal E. L. James hätte das besser hinbekommen. Mein Herz wurde ganz warm, wenn ich an all die christlichen Ehegattinnen dachte, die sich meine Übersetzung verstohlen stöhnend auf ihrem Kindle gaben.

Foto von Wikimedia Commons

Doch schon beim zweiten und dritten E-Book war die erste Aufregung verflogen. Der Verlag, für den ich malochte, kam mir zunehmend verdächtig vor. Der Verleger und einzige Autor, ein Fettsack mit Nackenbart, bekam es nicht einmal hin, Synonyme für das Wort „moan" zu liefern. Und für „cock“ fiel ihm nichts Besseres als „his hardness“ ein. Als Förderer der schönen Künste wollte ich diese Mängel zuerst beheben. Ich vertiefte mich stundenlang in Synonymwörterbücher, um die beste Schwanzmetapher zu finden. Selbst wenn mein Stundenlohn so auf 5 Franken pro Stunde sank. Echte Wertarbeit eben.

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Meine Vorgesetzten dankten mir meine Bemühung überhaupt nicht, für die war ich ein Fliessbandarbeiter. Also begann ich, wie einer zu denken. Wenn ich ein Dokument erhielt, liess ich erst mal durch Word jedes „cock“ und „dick“ durch Schwanz, jedes „cunt“ durch Fotze ersetzen. Voilà. Geschlechtsteile auf Abruf. Das wollten die doch.

Das wollten auch die Leser: eine austauschbare Masse aus fiktionalem Fleisch. Fleischsalat mit Schweissdressing. Genau so gut hätte ich Fickpuppen basteln können. Es ist krass, wie wenig ein Erotikleser braucht, um zufrieden zu sein: Ein neuer Mieter wird von zwei MILF-Nachbarinnen zum Dreier verführt. Ein Typ erfährt auf der Verbindungsparty seine schwule Erleuchtung. Wenn das so weitergeht, erlebt die Literatur einen zweiten Barock: Raubkopien, unlektorierter Schund, mehr wollen die Leute nicht. Dass meine Übersetzungen voll Tippfehlern waren, schien darum niemanden zu stören. Wahrscheinlich können sogar Deutschlehrer ein paar Rechtschreibfehler übersehen, wenn sie gerade geil sind.

Foto von Lutz S.

Wer einmal als Erotikübersetzer gearbeitet hat, findet Literaturinstitute nur noch lächerlich. Was für Zahnarztkinder und Wohlstandsverwahrloste. Die Zukunft gehört den Fanfiction-Schreibern. Das Aufheulen eines Wagens mag schöner sein als die Nike von Samothrake, aber beide haben Justin Bieber-Verehrern mit Internetzugang nichts entgegenzusetzen. Wir sind stinkende, Körpersäfte absondernde Tiere. Die Erregung kommt vor der Poesie, daran ändern auch Schreibstipendien und Literaturpreise nichts.

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Der Verlag hat inzwischen einen neuen Übersetzer gefunden, der solche Perlen wie "Mit Vati sind es drei" und "Nur eine Kostprobe: A BDSM Stillzeit zu Dritt" auf den Markt reiert. Neulich habe ich nachgesehen, wie gut meine Titel bei Amazon wegkommen. Mein bestes Werk erhielt drei Sterne. Ein gewisser Adalbert schreibt, er hätte bereits nach 5 Seiten aufgehört zu lesen.

Aufregend, abstossend und elektrisierend wird es natürlich wieder dieses Wochenende:

Heute ist der ultimative Feiertag. Aber wir feiern nicht nur Steineschmeissen und Bulleschlah. Wir feiern 3 Jahre Gonzo, 6 Jahre Neon und 10 Jahre Treibhaus! Und wir feiern Nathan Le Blanche in der Rossi Bar.

Morgen gehen wirs zuerst langsam und gemütlich an. Wir gehen ans Dachterassen Opening im Hinterhof oder an die [Wohnzimmerparty](http://www.gewerbehalle.ch/events/wohnzimmer-4 ) in der Gewerbehalle. Dann geben wir uns Kovasikajuttu—The Punk Syndrome, ein Dokumentarfilm über die erste und einzige Punkband deren Mitglieder alle Down Synrom haben. Im Kino Reitschule.  Und zum Schluss lassen wirs krachen an der Mottoguzzi Labelnacht in der Zukki oder am 2 Jahre 5/4 Takt in der Kiste.

Am Samstag zieht es uns ans Fri-Son Ultra-Kurzfilm Festival, ans Glitter Gwitter im Plaza oder ins Kraftfeld, bei Das Lied schläft in der Maschine, auf 1000 Jahre Bass.

Sonntag wird ruhig und gelassen. Wir schlafen unseren Kater aus, hängen im Bett herum, schlendern durchs Quartier oder gehen an Brunch and Markt im SUD und später ans Tadah im Cabaret Voltaire.

Montags ziehen wir uns Showpiercer rein, in irgendeinem dieser alternativen Multi-Kulti-Kinos, zum Beispiel im Riff Raff.

Am Dienstag stirbt uns alles weg. Get Dead in der Hafenkneipe.

Und am Mittwoch dann rauschen wir ins ehemalige Wifag Areal an die Eröffnungsparty der desaströsen Theaterfalle AUAWirleben.