Christen in Gaza trotzen der Hamas mit hausgemachtem Wein

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Gazastreifen

Christen in Gaza trotzen der Hamas mit hausgemachtem Wein

Inmitten der anhaltenden Gewalt zwischen der Hamas und Israel geht Gazas kleine christliche Gemeinde ihren uralten Traditionen nach—und das bedeutet, zu Hause Wein illegal selbst herzustellen, direkt unter der Nase der Machthaber.

Nachdem die Hamas 2007 in Gaza an die Macht kam, setzte die Organisation schnell einige Gesetze durch, unter anderem auch ein Alkoholverbot. Wenn jemand erwischt wird, wird der Alkohol oft weggeschmissen. Laut Isa, einem christlichen Weinhersteller, der in Gaza lebt, könnte es auch irgendeine Strafe geben—er befürchtet aber, dass diese für Muslime schlimmer als für Christen ist.

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Isa teilt seinen Wein mit uns—sein letzter Geheimvorrat. Er fermentiert den Wein auf natürliche Weise für 40 Tage, so wird er perfekt.

Was die Strafe ist, verrät uns Isa nicht. Er und sein Freund Tony erklären, dass sie immer Codewörter verwenden müssen, wenn sie sich treffen wollen, um Wein zu trinken. Oft ist das zu Weihnachten, an Geburtstagen und anderen Feiern, die als Ausreden dienen.

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„Ich teile meinen Wein nur mit Leuten, denen ich vertraue", sagt Isa. „Ich will keine Schwierigkeiten mit der Regierung bekommen." Mit seinen muslimischen Freunden teilt er den Wein nicht, aus Angst, sie könnten ihn an die Hamas verraten.

Isa

Isa will seinen Kindern die Weinherstellung beibringen. Sie helfen ihm jetzt schon oft und manchmal dürfen sie sogar kleine Schlucke nehmen. Im Winter helfe es ihnen, sich warm zu halten.

Viele Christen stellen zu Hause Wein her, erzählt mir Tony, aber sie werden es mit Sicherheit nicht öffentlich kund tun, besonders nicht während des jüngsten Konflikts mit Israel. Trotz der Tatsache, dass in seiner Nachbarschaft hauptsächlich Anhänger der Hamas leben, wolle Tony weiterhin Wein herstellen und trinken, anstatt sich von den Regeln der Gruppe einschränken zu lassen, sagt er. Wein ist ein Teil seines Lebens.

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In Gaza lebt eine enge Gemeinde von ungefähr 2000 Christen, die unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften angehören. Sie sind sehr religiös und praktizieren ihren Glauben offen: Sie gehen in die Kirche und die Frauen sind in der Öffentlichkeit nicht verschleiert. Wie für alle Christen in Gaza, spielt der Glaube in Isas Leben eine wichtige Rolle. Sein Haus ist mit Jesus- und Marienstatuen dekoriert und auch bei festlichen Anlässen Wein zu trinken, gehört dazu.

Jesus

Isas Familie hat eine Jesus-Statue in der Ecke stehen, als Zeichen ihres Glaubens.

Isa lernte das Handwerk von seinem Vater. Für ihn war es immer schon etwas, das im Geheimen stattfand. Er wuchs im Jemen auf, wo Alkohol ebenfalls verboten war, bevor er zurück nach Palästina kam, nachdem die Hamas in Gaza die Macht übernommen hatten. Isa erzählt, seine Kinder helfen ihm oft dabei, die Trauben mit den Füßen zu zerstampfen, genauso wie er es früher auch getan hatte.

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Wenn er seinen Geheimvorrat wieder aufstocken will, kauft Isa 120 kg Trauben von regionalen Märkten—ein großer Teil der Trauben in Gaza werden jedoch aus Israel importiert—mit denen er 40 Liter Wein herstellt. Er mag die dunkleren Trauben für die Rotweinherstellung lieber und meint, die beste Zeit dafür wäre Ende Oktober. Im Sommer gibt es nur die hellen Trauben, mit denen Weißwein hergestellt wird.

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Während der Sommermonate, werden nur die hellen Trauben auf den Märkten verkauft. Isa mag die dunkleren für die Rotweinherstellung lieber.

Da fällt ihm seine Frau Neda ins Wort und sagt, sie hätte gerne, dass ihr Mann Weißwein für sie macht. Isa lächelt und spielt ein bisschen mit seinen Kindern. Er gibt ihnen sogar einen kleinen Schluck. Wein habe seinen Sohn immer geholfen einzuschlafen.

Isa schenkt mir ein kleines Schnapsglas Wein ein. Er schmeckt süß, wie ein Dessertwein, und ist leicht kohlensäurehaltig. Er behauptet, der Wein wäre sehr stark und habe einen Alkoholgehalt von 40%.

Isa lagert seinen Wein in verschiedenen Behältern wie Saftflaschen oder Flaschen von ausländischem Alkohol.

Isa lagert seinen Wein in verschiedenen Behältern wie Saftflaschen und Flaschen von ausländischem Alkohol. Er wäscht die Trauben gründlich und zerquetscht sie dann mit seinen Händen. Oft verwendet er aber auch einen Mixer dafür. „Nachdem ich die Trauben zerdrückt habe", erzählt Isa, „gebe ich sie in einen Behälter, den ich mit einem Tuch abdecke und dann auf den Balkon in die Sonne stelle, sodass sich alles gut vermischt." Die Fermentierung dauert etwa 40 Tage. Nach der Hälfte der Zeit filtert Isa den Wein und lässt ihn dann noch eine Weile stehen.

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„Es ist nicht die beste Art Wein herzustellen", sagt Tony, „aber es ist die Art, die wir kennen." In Italien haben die Leute Zeit, ihren Wein reifen zu lassen. In Gaza müssen sie ihn sofort trinken und genießen, so lange sie können, weil sie ständig Angst haben, dabei erwischt zu werden.

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Isas Endprodukt schmeckt wie ein Dessertwein und war leicht kohlensäurehaltig.

„Kein Ort hier ist sicher". sagt Isa. Er weiß nie, wann er möglicherweise sein Zuhause verlassen muss. Nachdem Hamas-Führer 2008 die Hauptwohnung im Gebäude gekauft hatten, wurde es von den Israelis bombardiert. Er will zwar nicht viel über Politik sprechen, aber Isa sagt, er wäre auf der Seite der Fatah, wie die meisten Christen, und seiner Meinung nach wäre es besser, wenn die Hamas verschwinden würden. Er hoffe aber darauf, dass sie es schaffen, eine gemeinsame Regierung zusammenzustellen, damit sich dadurch die Spannungen ein bisschen legen, mit denen beide Gruppen derzeit leben müssen.

Isa trink Wein nicht wegen des Rausches. Es tue seiner Gesundheit gut, behauptet er und im Winter hält es ihn warm. Er gibt zu, dass er auch gerne während der Kriegszeit in Gesellschaft seiner Freunde trinkt.

Wine Tasting

Die Weinherstellung spielt in Isas Familie eine wichtige Rolle, weil er die Tradition trotz der einschränkenden Verhältnisse der Gesellschaft aufrechterhalten will.

Isa sagt, viele Christen in Gaza trinken, um ihre Probleme zu vergessen und andere „rauchen Gras oder nehmen Pillen", um mit dem anhaltenden Konflikt klarzukommen. Für ihn bedeutet Wein, sein Leben zu leben und sich ein kleines Stück Freiheit zu gewähren, von der es derzeit in dieser Gesellschaft nicht viel gibt.