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Warum diese Studie nicht bedeutet, dass die Hälfte der Österreicher aus der EU austreten will

Auch wenn es von manchen Medien gerne anders dargestellt wird, die Österreicher haben die EU mehrheitlich noch nicht abgeschrieben.

Die Stimmung in Österreich ist so angespannt wie selten zuvor. Nicht erst seit Merkels Sager über Österreichs Obergrenze in der ARD wird über die Flüchtlingsproblematik, die Verantwortung Österreichs und das Verhalten unserer Regierung (auch in der internationalen Wahrnehmung) diskutiert. Die Lösung der österreichischen Politik auf diese schwierigen Fragen scheint es sein, Zäune zu bauen und die Grenzen wieder dicht zu machen—zwei der Hauptgründe für die ungewohnt heftige Kritik unserer deutschen Nachbarn, weil dies immer zulasten eines anderen Landes gehen würde.

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Gerne betonen österreichische Politiker jetzt, dass ihnen nichts anderes übrig bleiben würde, als die Grenzen dicht zu machen, da es nicht in die Verantwortung Österreichs falle, die Flüchtlingskrise alleine zu bewältigen. Es brauche eine gemeinsame, europäische Lösung—so der allgemeine Tenor. Die Europäische Union, von der diese Lösung erwartet wird, wird daher von vielen Seiten kritisiert und gerne als handlungsunfähig beschimpft. Viele scheinen von der EU auch außerhalb Großbritanniens enttäuschter zu sein als üblich oder fühlen sich im Stich gelassen.

Eine Umfrage des Nachrichtenmagazins Profil besagt nun, dass 52 Prozent der Österreicher eine Abstimmung über den EU-Austritt fordern. Diese Meldung veröffentlichte unter anderem auch die rechte Website unzensuriert.at und verschaffte der Umfrage damit reichlich rechten Aufwind. „Die Europäische Union ist am Tiefpunkt, was ihre Popularität betrifft", interpretiert unzensuriert.at die Zahlen der Umfrage. „War es schon vor der Flüchtlingskrise schlimm um das Ansehen der Union bestellt, machte die Völkerwanderung die Spaltung zwischen der Brüsseler Elite und den Bürgern noch deutlicher sichtbar. Die Folge: Immer mehr Länder wollen raus aus der EU."

Profil befragte gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Unique research 500 Personen online, ob sie eine Abstimmung über einen möglichen Austritt aus der Europäischen Union wollen. Das Ergebnis: 30 Prozent* wollen unbedingt ein Referendum, 22 Prozent wären eher dafür, 25 Prozent lehnen es zur Gänze ab und 19 Prozent tendieren eher zu nein.

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Aber was bedeuten diese Zahlen wirklich? „Das ist eine 50/50-Chance" meint der Politikwissenschaftler Peter Hajek, Eigentümer von Peter Hajek Public Opinion Strategies. Dass die Hälfte der Österreicher eine Abstimmung „fordern" würde, sei trotzdem übertrieben und medial verkürzt dargestellt.

Tatsächlich sei es, wie so oft, ein bisschen komplizierter: „Nur ein Drittel ist absolut für eine Abstimmung, der Rest ist entweder dagegen oder noch unentschieden beziehungsweise unsicher", erklärt der Politikwissenschaftler. „Das sind sehr variable Teile, darum ist da noch viel Spielraum."

Man könne also nicht ohne weiteres davon sprechen, dass eine Hälfte der Befragten eindeutig eine Abstimmung fordere. „Das eine Drittel, das eigentlich noch unentschieden ist, wird sich je nach Themenlage und Performance der EU spontan entscheiden, wie es über einen Austritt denkt. Zudem ist eine Abstimmung über die Mitgliedschaft meiner Meinung nach kein brennender Wunsch der Österreicher", so Hajek.

Auch wenn es von manchen Medien gerne anders dargestellt wird, die Österreicher haben die EU mehrheitlich noch nicht abgeschrieben. Es bleibt ein Drittel der Bevölkerung, das nach wie vor an die Union glaubt und ein Drittel, das sich noch nicht entschieden hat—und das es entsprechend zu überzeugen gilt. Ein Grund mehr für eine gemeinsame europäische Lösung.

Eva auf Twitter: @immerwiederEva

*Korrektur: In einer früheren Version stand, dass 22 Prozent unbedingt ein Referendum fordern, das war leider eine Fehlinformation, es sind 30 Prozent.