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DIE ÜBERLEBENS-KÜNSTLER-AUSGABE

„Ich habe mal eine Toilette fotografiert und die war fast sofort ausverkauft“

Neil Winokur hat mit Andy Warhol, Robert Mapplethorpe und Cindy Sherman zusammengearbeitet. Das hier sind ein paar seiner unveröffentlichten Aufnahmen.

Von den Leuten unter 40, mit denen ich gesprochen habe, kennt niemand die Arbeit von Neil Winokur. Seltsam, wenn man sich die Erfolge des 68-jährigen Fotografen vor Augen hält: Seine Arbeiten gehören zur Sammlung des Museum of Modern Art, des Metropolitan Museum of Art und des Los Angeles County Museum of Art, um nur ein paar zu nennen. Im MoMA war er 1991 in der bedeutenden Ausstellung Pleasures and Terrors of Domestic Comfort vertreten. 1994 veröffentlichte das Smithsonian unter dem Titel Everyday Things eine Monografie seiner Bilder. Objektiv gesehen ist er ein bedeutender Künstler. Warum also ergibt die Google-Bildersuche nach seinem Namen nur eine kleine Auswahl der unzähligen Fotos, die Neil im Laufe seiner Karriere ausgestellt hat?

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Ich gebe zu, dass ich selbst auch erst vor ein paar Monaten durch einen befreundeten Fotokritiker auf Neil aufmerksam wurde. Warum wurde seine Arbeit nicht im Kurs für Fotogeschichte an meinem College behandelt? Die meisten Künstler mit seinen Referenzen gründen irgendwann sektenähnliche Bildungseinrichtungen oder bauen extravagante Palazzi. Sie erregen Aufmerksamkeit, indem sie mit Lady Gaga oder Jay-Z auftreten.

Als ich Neil in dem ruhigen Apartment in Manhattan besuchte, in dem er mit seiner Frau, den gemeinsamen Zwillingen und zwei Katzen lebt, wurde mir klar, warum ich keine aktuellen Schlagzeilen über ihn gelesen hatte. Er gehört nicht zu dieser Sorte Künstler. Er ist ein bodenständiger Mann mit einem unglaublichen Familiensinn. In den letzten vierzig Jahren hat er als Einkäufer gebrauchter Bücher für den New Yorker Strand Bookstore gearbeitet und so finden sich in seinem Heim jede Menge Bücher.

Neils Arbeit beruht auf der Idee, dass es möglich ist, eine Kultur durch ihre alltäglichsten Objekte zu beschreiben. Als gebürtiger New Yorker wandte er diese 1999 für die Fotoserie New York auf seine Heimatstadt an. Seine streng grafischen Tableaus lockten den Betrachter mit Hintergründen in leuchtenden, atmosphärischen Farben, die die Objekte enorm aufwerten. „Andy Warhol sagte, dass jeder seine 15 Minuten Ruhm hat“, meinte Neil zu mir. „Ich mache Stillleben, weil ich denke, dass auch diese Objekte ihn verdient haben.“ Die Gegenstände sind Produkte unserer Gesellschaft und Spiegel ebendieser. Neil meint dazu, „Ich versuche, archetypische Objekte zu fotografieren, Objekte, die über ihre eigentliche Bedeutung hinaus eine Bedeutung für die Gesellschaft haben. Eine amerikanische Flagge, ein Glas Wasser. Ich habe mal eine Toilette fotografiert und die war fast sofort ausverkauft.“

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—Matthew Leifheit

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Janet Borden, Inc.