Politik

Partei in der Krise: Wie lange wird es die AfD noch geben?

Wir haben den Politikprofessor Hajo Funke gefragt. Er sagt, die AfD hat mit Absicht ihren Laden angezündet.
Die Streithähne Björn Höcke und Jörg Meuthen und ein Riss
Foto Meuthen: imago images | Sammy Minkoff | Foto Höcke: imago images | Christian Thiel || Montage: VICE

Auf dem AfD-Parteitag war Armageddon-Stimmung. Auf dem Podium wurden Wutreden gehalten. Ein Kreisverband versuchte, Parteichef Jörg Meuthen wegen "spalterischem Gebaren" missbilligen zu lassen. (Der Antrag scheiterte.) Alice Weidel brach vor laufender Kamera ein Interview ab. Und zwischendurch wurde Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland im Krankenwagen abgeholt, wird berichtet. (Es war nichts Ernstes.)

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Ein Bundestagsabgeordneter fragte irgendwann in den Raum: "Seid ihr denn des Wahnsinns?"

Laut aktueller Forsa-Umfrage ist die AfD auf 7 Prozent gefallen. Wir haben den emeritierten Politikprofessor Hajo Funke gefragt, wie lange es die Rechten überhaupt noch machen.

VICE: Herr Professor Funke, ist die AfD so am Boden, wie es aussieht?
Hajo Funke: Um es mit Alexander Gauland zu sagen: Sie haben alles kaputtgemacht. Das hat er am Wochenende den Störern auf dem Bundesparteitag entgegnet. Und wenn man beobachtet, wie bekümmert Gauland sich gibt, ist das ein Hinweis darauf, dass es mit der Partei so nicht weitergeht.

Und wer ist Schuld daran?
Meuthen mit seiner Kehrtwende. Seine Idee war immer eine Partei rechts von der CDU, die aber auch koalitionsfähig ist - und 20 Prozent und mehr holt. Seit einem Jahr sieht er, dass diese Idee nicht aufgeht. Der radikale “Flügel" hat sie unmöglich gemacht, indem er die Partei immer weiter nach rechts getrieben hat. Meuthen hat deshalb im Frühjahr eine öffentliche Kehrtwende vollzogen und sich vom Flügel abgegrenzt. Dazu passt seine Brandrede über die Querdenker vom vergangenen Wochenende. Sie hat aber das eigene Haus in Brand gesetzt.

Moment. Meuthen wollte also die AfD anzünden?
Ja, das Ziel seiner Wutrede war die Eskalation. Es gab darin keine Differenzierung, sie war mit Absicht provozierend, dazu kommt noch Meuthens autoritäres Gehabe. Die Parteitagsregie, die in der Hand von Pragmatikern lag, hat jede Art der Diskussion über Meuthens Rede von vornherein unterbunden. Die vielen wütenden Stimmen drangen also nicht durch. Damit war die Saalschlacht am nächsten Tag vorprogrammiert. 

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Wo genau verläuft denn der Graben in der AfD? Ein Meuthen-Unterstützer sagte Zeit Online, es stünden "einige wenige gegen 90 Prozent" der Partei.
Der spinnt. Der weiß nicht, in welcher Partei er ist. Das Verhältnis ist etwa fifty-fifty. In jedem ost- und fast jedem westdeutschen Landesverband gibt es Höcke-Unterstützer. Sein "Flügel" ist durch die formelle Auflösung nicht begrenzt, sondern eher entgrenzt worden. Der vergiftete Machtkampf zwischen Höcke und Meuthen geht schon über ein halbes Jahr und spitzt sich weiter zu. Es gibt in der AfD keine Balance mehr. 

Sind die Ansichten von Meuthen und Höcke wirklich so verschieden?
Auch Meuthen spricht den rassistischen Code seiner Partei, obwohl er sich selbst als konservativ-rechtsstaatlich versteht. Was Höcke und Meuthen teilen, ist die Idee einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft als großes politisches Ziel.

Hat der Verfassungsschutz eigentlich zum Absturz der AfD beigetragen?Der Absturz hatte mit der gesellschaftlichen und medialen Debatte nach dem Hanau-Attentat begonnen, auch nach Lübcke, Kassel und Halle. Da wurde klar, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen Hetze und rassistischer Gewalt gibt. Das zeigte sich auch nach Chemnitz, als die rassistischen Gewalttaten anstiegen. Die AfD ist ja eine Bewegungspartei, die macht es mit jedem, also auch mit Hooligans und Rechtsextremen.

Warum ist die AfD dann bisher damit gescheitert, die Querdenker-Bewegung für sich zu nutzen?
Das war ein inkonsistentes Hin und Her. Zu Anfang haben sie gesagt: Corona ist schlimmer als die Bundesregierung annimmt. Heute sprechen sie bei den Querdenkern. Und Gauland hat am Wochenende gesagt, wir seien eine 'Corona-Diktatur auf Widerruf'. Die AfD ist der Bewegung nachgelaufen, das war nicht wie in der Flüchtlingskrise, wo sie die Richtung vorgegeben hat.

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Wie ist denn die Strategie der AfD für die Bundestagswahl – gibt es einen Plan, um aus dem Loch wieder rauszukommen?
Nein, das glaube ich nicht. Der Einfluss der radikalen, ethno-nationalistischen Stimmen in der Partei wird größer werden. Ein Erfolg Björn Höckes.

Warum ist Höcke eigentlich aktuell so zurückhaltend?
Wenn man fundamental-oppositioneller Stratege einer Bewegungspartei ist – so nennt er sich ja – dann macht man sich keine billigen Niederlagen zu Eigen. Höcke kann auch etwas mitteilen, ohne selbst zu sprechen. Er hat auf dem Parteitag andere vorgeschickt, seinen Stephan Brandner etwa, machiavellistisch nicht unklug. 

Das klingt, als ob die AfD kleiner wird, aber radikaler und gefährlicher für die Demokratie.
Die AfD will alles: sowohl Wählerstimmen und Einflussnahme im Parlament – wie gerade in Sachsen-Anhalt – als auch den Sturz der Republik.

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