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Musik

Obscura - Aus dem JUZ In die USA

Kaum passt man mal zwei, drei Jahre nicht auf, was der Typ aus dem Bandraum nebenan so treibt, schon gründet er eine der vielversprechendsten Deathmetal Bands dieser Tage und tourt plötzlich durch die USA. Verrückt.

Ich komme aus Landshut, einer kleinen Stadt im Süden Bayerns. Ich habe da eine Band, mit der wir früher im städtischen Jugendzentrum geprobt haben. Unsere Proberaumnachbarn waren eine junge Deathmetalcombo namens Obscura, und immer, wenn wir mal im Vorraum eine rauchten, konnten wir uns nie unterhalten, weil sie einen so infernalischen Lärm veranstalteten. Vor ein paar Monaten habe ich aus Neugier mal wieder auf ihre Myspace Seite geschaut. Da standen dann die Daten ihrer US-Tour als Support von Cannibal Corpse. Während wir plan- und ambitionslos durch die abgetakelten Rockschuppen der bayerischen Provinz getingelt waren, hatte Steffen, der nette und zurückhaltende Frontman unserer ehemaligen Nachbarn, das gesamte alte Personal seiner Band durch die härtesten, namhaften Virtuosen, die er finden konnte, ersetzt (Ex-Mitglieder aus Necrophagist und Pestilence), einen Plattendeal bei Relapse klargemacht und ein Album aufgenommen, das in sämtlichen Fachzeitschriften dies- und jenseits des Atlantiks ausschließlich Höchstwertungen eingefahren hat. Als er neulich in Berlin spielte, habe ich vorbeigeschaut, um mich mit ihm über alte Zeiten zu unterhalten. Manchmal hatte ich etwas Schwierigkeiten ihn zu verstehen, denn nach dem Set seiner Band fühlte es sich an, als wäre mir ein Güterzug durch den Kopf gerauscht.

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VICE: Steffen, vor vier Jahren haben wir noch zusammen auf dem Juz-Sommerfest in einer kleinen Garage gespielt. Jetzt bist du gerade auf Europatournee mit Dying Fetus und Cannibal Corpse. Was zur Hölle habe ich verpasst? Wie bist du plötzlich ein Profimusiker geworden?

Steffen: Naja, Profimusiker ist vielleicht etwas übertrieben. Wir spielen im Grunde für's Essen. Also 2005 nach diesem Sommerfest ging das erst mal ne Zeit lang so weiter. 2007 habe ich dann selber eine kleine Balkan Tournee organisiert. Da lief im Vorfeld schon einiges schief. Das ganze Line-Up ist auseinander gebrochen, und ich musste mir wenige Wochen vor Tourbeginn noch einen Mietschlagzeuger suchen, der dann die Gigs mit uns gespielt hat. Dabei habe ich natürlich gut draufgezahlt. Letztendlich war ich an dem Scheidepunkt: entweder macht man jetzt weiter so, und spielt zwei, dreimal im Jahr in irgendwelchen Jugendzentren, oder man macht es richtig. Kopf durch die Wand, das war schon immer meine Herangehensweise: Ich hab die alten Leute rausgeschmissen und dann einfach die Musiker angeschrieben, bei denen ich mir dachte: Ja, genau so muss es sein, das passt zu dem Stil, den ich mir vorstelle. Und es hat dann auch tatsächlich jeder ja gesagt. Wir haben eine Dreitrack-Demo bei mir in der Studentenbude aufgenommen, an verschiedene Labels geschickt, drei Zusagen bekommen und letzten Endes bei Relapse unterschrieben. Und danach ging es Schlag auf Schlag…

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So einfach geht's.

Naja, wir haben da natürlich auch sehr viel Arbeit reingesteckt. Und die Hauptarbeit kam eigentlich erst, nachdem wir unterschrieben hatten. Das ist nicht so, als würde einem da was geschenkt werden.

Wie war eure US-Tour?

Auf der einen Seite natürlich fantastisch. Von den Leuten kam eine unglaublich gute Resonanz. Konzerte haben da einen ganz anderen Stellenwert als hier in Deutschland. Der typische deutsche Technical Deathmetal Fan ist 15, hat ne Brille auf, halblange Haare und Pickel im Gesicht, steht mit verschränkten Armen vor der Bühne und erzählt dir nach deinem Auftritt am Merch-Stand, wo du Fehler gespielt hast. In Amerika kommen die Leute und erzählen dir, wie toll sie deinen Auftritt fanden, obwohl sie vielleicht vorher noch nie was von dir gehört haben. Das ist natürlich großartig.

Gleichzeitig war es sehr anstrengend. Du hast in Amerika große Distanzen, 700, 800 Kilometer am Tag.  Und wir mussten das alles selber fahren, wir hatten keinen Fahrer, keinen Merchandiser, nichts. Jetzt stell dir vor: Im Schnitt fünf Stunden Schlaf, dann den ganzen Tag auf Achse, und dann sollst du auch noch jeden Abend ne gute Show spielen. Da geht dir irgendwann die Luft aus. Ich bin dann nach vier Wochen richtig krank geworden, hatte schwere Mandelentzündung, die Stimme war weg. Wir mussten die Tour leider abbrechen.

Scheiße. Du studierst ja auch noch nebenbei, oder? Kriegst du das überhaupt unter einen Hut?

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Ja, das ist gerade schwierig. Das erste Semester ging für die Balkan Tour drauf, im zweiten Semester haben wir ne Promo aufgenommen, im dritten Semester ein Album, im vierten Semester waren wir auf US-Tournee, und jetzt bin ich im fünften Semester und toure gerade wieder durch Europa.

Haha, oh Mann. Hast du überhaupt noch Freizeit?

Naja… nicht so.

Euer Bassist lebt in Holland. Wie probt ihr überhaupt momentan?

Eigentlich gar nicht. Wir haben alles aufgeschrieben, die kompletten Songs sind Schlag für Schlag, Note für Note ausnotiert über Guitar Pro, das ist so ein MIDI-Programm. Das schicken wir uns dann über E-Mail. Vor Touren treffen wir uns ein, zweimal zum Proben, und dann muss das funktionieren.

Was ist mit der Jamsituation. Vermisst man das nicht?

Ach, es geht. So zu arbeiten hat schon Vorteile. Man muss nicht im Winter zu irgendeinem kalten Proberaum laufen. Außerdem kann man so viel komplexere Sachen schreiben. Die Frage ist, ob man sie danach überhaupt noch spielen kann, aber das funktioniert bis jetzt ganz gut.

Eure Ästhetik unterscheidet sich stark von dem, was ich von anderen Death Metal Bands kenne.

Ja, auf dieses stumpfe Haudrauf-Gore-Gedudel haben wir keinen Bock. Wir orientieren uns an den Prog Bands der 70er, haben viele klassische und Fusion Einflüsse, unser Bassist hat einen Flamenco Background. Wir wollen etwas anderes machen. Wir haben bereits ein Konzept über vier Platten.

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Über vier Platten?! Bist du ein Kontrollfreak?

Ja. Also musikalisch hat schon jeder seinen Freiraum, aber gerade organisatorisch und im Gesamtkonzept muss ich wissen, was wann wie passiert. Ansonsten werde ich nervös.

Es gibt Bands, die sind die totalen Vollchaoten, da funktionierts auch, aber wir machen das eben so. Wir sind halt Nerds. Langweilig, rauchen nicht, trinken nicht und schauen das alles geplant ist.

Ach, das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen. Mein Bandkollege Simon wollte wissen, ob du für einen Metaller immer noch so wenig säufst, oder ob sich das inzwischen gebessert hat.

Haha, nein, wir sind absolut keine Partyband. Das können wir uns auch nicht erlauben, bei der Musik die wir spielen. Außerdem läuft das immer gleich ab, ich sehe das bei der schwedischen Band, mit der wir gerade auf Tour sind. In der ersten Woche schütten sie sich alle voll, in der zweiten Woche werden sie dann krank, in der dritten Woche kriegen sich alle in die Haare, weil sie scheiße spielen. Jetzt sind wir in der vierten Woche, und mal schauen, wie lange die Band noch überlebt.

Unser Gitarrist Auer wollte wissen, ob es im Deathmetal auch Groupies gibt.

No Comment.

Hast du ne Freundin?

Nein, und das ist auch gut so. Du siehst, wir haben einen Dimmer im Bus.

Ich verstehe.

Kennst du eigentlich diese Ärztin aus Landshut? Batzenschlächter?

Du meinst Batzenschlager. Ja, die kenn ich.

Batzenschlager. Für so einen Namen würde ich ja heiraten.

Das würde ich mir an deiner Stelle noch mal überlegen.

FOTOS: CHRISTOPH VOY