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Gib Zürich dein Gesicht

Jo Brauer macht das hippe Zürich schick

Dusanka und Suzana sind mit ihrer Mutter vom Krieg in Kroatien in die Schweiz geflüchtet. Heute sind sie Vintage-Königinnen von Zürich
Alle Fotos von Horatiu Sovaiala

Dusanka und Suzana Simics Traum trägt einen Namen: Jo Brauer. Vor vier Jahren eröffneten die Schwestern ihren Vintage-Shop. Mittlerweile wurde aus dem Hobby ein Fulltime-Job, aus aufgewerteter Flohmi-Kleidung neue Label-Mode und aus dem kleinen Online-Shop eine Boutique an der Europaallee.

Als ich Dusanka und Suzana in ihren heiligen Hallen besuche, freut sich Dusanka gerade auf ihre bevorstehenden Ferien—die ersten seit einem Jahr. Bei einem Aperol Spritz erzählen mir die Schwestern lachend, wie es war, einen Online-Shop in der eigenen Wohnung zu betreiben („Scheisse, ich muss aufräumen! Jemand kommt etwas abholen!"), wie sie mit den vereinzelten Jugo-Sprüchen umgehen („Wir nehmen das alles mit Humor.") und warum sie seit über 20 Jahren Urlaub in der Schweiz machen.

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VICE: Wie seid ihr in die Schweiz gekommen?
Dusanka: Wir sind in Kroatien geboren, obwohl unsere Eltern seit 1970 in der Schweiz waren. Mama ging mit uns aber wieder zurück nach Kroatien, weil sie dort gerade ein Haus bauten. In den Sommerferien besuchten wir immer unseren Papa, der in der Schweiz bei der Swissair gearbeitet hatte. Als es im Sommer 1991 die ersten Unruhen in Kroatien gab, waren wir gerade für einen Monat bei ihm.

Alle Fotos von Horatiu Sovaiala

Suzana: Ich war fünf Jahre alt, Dusanka acht. Wir hatten gar nicht verstanden, was los war.
Dusanka: Hier lebten wir dann also zu sechst in einer Einzimmerwohnung in Kloten. Wir wussten nicht, ob wir zurückgehen werden. Der Konflikt ging schlussendlich länger und nach sechs Monaten wurden wir für die Schule eingeschrieben. Und jetzt sind wir hier. Seit 20 Jahren in den Ferien, sozusagen.

Wurdet ihr sofort akzeptiert?
Dusanka: Am Anfang war es schwierig mit der Sprache. Ich habe jeden Tag in der Schule geweint, weil ich nichts verstanden habe. Aber weil wir noch so klein waren, lernten wir die Sprache sehr schnell. Die Sprache lernen ist wichtig. Nicht, dass du dich anpasst, aber dass du dich gut einlebst.
Suzana: Unsere Eltern sagten immer: Wir sind jetzt hier. Das hat sich niemand gewünscht, aber wir machen das Beste daraus.

Und warum ist genau Zürich der Ort, an dem ihr eure 20 Jahre Ferien verbracht habt und nicht eine andere Stadt?
Dusanka: Zum einen, weil wir schon mal ausgewandert sind. Zum anderen haben wir hier unsere Freunde. In Kloten war alles multikulti—Spanier, Philippiner, Schweizer. Wir hatten das Ausland quasi schon hier.

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Am Anfang von Jo Brauer hat eure Mutter die Flohmi-Kleidung neu geschneidert und aufgewertet. Ihr Schwestern habt gemodelt und den Online-Shop betrieben. Wäre Jo Brauer überhaupt möglich gewesen ohne den Support der Familie?
Dusanka: Nein. Am Anfang lebst du vom Netzwerk und den Freundschaften, die du dir aufgebaut hast. Die Unterstützung der Familie hat auch mit unserer Herkunft zu tun. Bei uns hilft man einander. Es wird nicht gefragt, ob jemand mitmacht. Es ist einfach so. Alle helfen mit.

Suzana: An einem Sonntag vor der Eröffnung in der Europaallee war zum Beispiel die ganze Familie hier und hat beim Einräumen geholfen: Mama, Papa, Freundinnen. Es war so schön!
Dusanka: Unser Papa war ganz am Anfang zwar skeptisch. Er meinte: „Wer möchte schon gebrauchte Kleidung kaufen?!"

Für Jo Brauer seid ihr über dutzende Flohmärkte und durch etliche Brockis geschlendert. Welches ist der beste Flohmarkt in Zürich?
Dusanka: Das meiste habe ich ausserhalb der Stadt gefunden. Hier gehen die Jungen in den Brockis und auf Flohmis einkaufen. Aber auf dem Land denken die Leute, das ist Abfall. Wenn ich in Regensdorf bei meinen Eltern war, bin ich jeweils kurz in die Brocki und dann hab ich mir alle Brockis rausgesucht und sie abgeklappert—es gibt über 3.000 in der ganzen Schweiz!

Ihr kamt als Kinder in die Schweiz, seid hier aufgewachsen und habt hier eure Zukunft aufgebaut. Fühlt ihr euch eher als Schweizerinnen oder als Serbo-Kroatinnen?
Dusanka: Wir sind ein guter Mix—wie unsere Kleider!
Suzana: Wir sprechen besser Schweizerdeutsch als Serbokroatisch. Wenn wir in Kroatien sind, merken die Leute, dass wir nicht von dort sind.
Dusanka: Wir haben uns von beidem die Rosinen rausgepickt. Von der Schweiz die Pünktlichkeit und von Kroatien den Fleiss. Aber Zürich ist schon unsere Heimat. Hier haben wir die grösste Entwicklung unseres Lebens durchgemacht. Dafür sind wir dankbar. Wir wissen, wo wir herkommen. Und wir wissen, wären wir in Kroatien geblieben, könnten wir nicht die Welt bereisen und unsere Träume verwirklichen.

Wie könnte Zürich euch trotzdem noch einen Schritt entgegenkommen?
Dusanka: Günstigere Restaurants! Wir lieben es, essen zu gehen—aber es ist schweineteuer! Nein, Spass beiseite, etwas weniger Nachtruhe wäre schön.
Suzana: Andere Städte leben einfach! Da ruft nicht jeder gleich die Polizei. Wir haben einen so kurzen Sommer, da wäre es sehr schön, wenn die Leute etwas toleranter wären.

Ihr werdet nun Teil der Kampagne „Ich bin Zürich". Dafür werden eure Gesichter mit hunderten anderen aus dem Kanton zusammengemorpht …
Dusanka: Da habe ich schon mitgemacht. Aber alle sagen, ich sehe in echt besser aus als gemorpht.