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Was wurde eigentlich aus den beliebten Partyblogs?

Seit Facebook die Promomaschine angeworfen hat, haben es die beliebten Seiten schwer. Wir haben uns anlässlich des zehnten Geburtstages von Beatrausch mit dessen Macher über die Vergangenheit und Zukunft von Partyblogs unterhalten.

Foto: Screenshot beatrausch.com

Das Wochenende steht an und wahrscheinlich hast du schon fleißig überlegt, in welchen Club es denn dieses mal gehen soll. Um dir die Entscheidung zu erleichtern, warst du wahrscheinlich auf Facebook unterwegs. Dort haben dich entweder Freunde zu Veranstaltungen eingeladen oder Facebook hat dir Vorschläge unterbreitet. Oder du warst auf Resident Advisor und hast in der Stadt deiner Wahl die Topveranstaltungen für dieses Wochenende studiert. Eine andere Methode, sich über coole Clubnächte zu informieren, ist seit ein paar Jahren ins Hintertreffen geraten: die sogenannten Partyblogs. Restrealität zum Beispiel. Oder Nova Future, Ashore, das Filter. Oder eben Beatrausch. Letzterer feiert am kommenden Samstag seinen 10-Jährigen Geburtstag. Anlass genug also, sich mit dem Macher des Blogs auf eine Pizza zu treffen, die Zeit Revue passieren zu lassen und sich zu fragen, wie sich das Partyblogging verändert hat.

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Ich treffe Rudolph an einem Mittwoch zur Mittagszeit. Wir kennen uns schon länger. Wer in Berlin regelmäßig feiern geht, wird zwangsläufig auf ihn treffen, er ist eine Institution des hiesigen Nachtlebens. 2005 zog der heute 33-jährige von Mecklenburg-Vorpommern nach Berlin-Friedrichshain, wo auch die Geschichte von Beatrausch begann. Zunächst war Beatrausch – wie viele andere verwandte Blogs – als Partyreihe konzipiert.

"Wir waren ein kleines Feiervölkchen aus Leuten, die innerhalb von kurzer Zeit von Meck-Pomm nach Berlin gezogen waren. Ich bin gerne ausgegangen, meine damalige Freundin hat schon Konzerte veranstaltet, in der Schliemannstraße in einem Hausprojekt. Und wir kannten so viele Leute, die an Fruity Loops oder Reason rumgemacht haben. Aber immer nur in ihrem Kämmerchen und nirgendwo gespielt haben, Funkenström und andere Leute von der Symbiont Music Crew. Wir dachten uns, dass es doch nicht so schwer sein kann und haben uns eine Location gesucht. Da haben unsere Leute dann gespielt, meistens mit Live-Sets. Die erste Party war dann im Januar 2007 im Octopussy in Friedrichshain und wurde auch sehr gut aufgenommen, auch wenn eigentlich fast nur Freunde da waren. 100-150 Leute waren da. Wir hatten zur Promotion Flyer gemacht und auf Myspace Leute geaddet, das war auch nicht anders als heute bei Facebook. Das war die Initialzündung."

Die ersten drei Partys, die Rudolph und seine Freunde veranstalteten, hießen noch "Dicke E-Party." Wie Rudolph mir im Gespräch glaubhaft versichert, stand das "E" für Elektro und nicht für Ecstasy. "Da gab es also kein Ecstasy for free", ergänzt er schmunzelnd. Nach einer kurzen Pause im Sommer 2008 gab es dann die erste richtige Beatrauschparty im Fire Club, einem der zahlreichen Clubs, die Rudolph beiläufig erwähnt, die aber vielen vermutlich kein Begriff mehr sind. Im Fire Club, der damals noch im Acud in Berlin-Mitte war, fand die bis dahin größte Party des Kollektivs statt. Gebucht hatte man Acts wie Cotumo von Aka Aka oder Künstler, die sonst auf spontanen Open Airs von Exquisite Berlin gespielt haben. Im Oktober 2008 ging es dann das erste Mal ins Golden Gate, in den "ersten richtigen Club", wie Rudolph erzählt.

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Mit der Zeit wurden die DJs, die auf Beatrausch-Partys spielten, auch für andere Partys gebucht. "Wir haben dann einfach gesagt, Beatrausch ist auch eine Booking-Agentur, was nie wirklich so war, man hat es einfach nur so gesagt, damit es Ansprechpartner gab."

Zum Blog wurde Beatrausch ein paar Monate später, als Rudolph und seine Freundin aufgrund elterlicher Pflichten nicht mehr genug Zeit hatten, um weiterhin Partys in dieser Frequenz zu veranstalten.

"Als wir unser erstes Kind bekommen haben, wurde es mit den Partys weniger. Da ich aber nicht wollte, dass Beatrausch in Vergessenheit gerät, hab ich einen Blog gemacht. Das war damals, 2008, das neue Ding. Jeder musste einen Blog haben. Das A und O war damals Restrealität, vor allem in Sachen Open Airs und Partys in Off Locations. Da gab es viele Leute, die sehr viel Zeit investiert haben."

Am Anfang sollte Beatrausch ein Blog für Leute aus der Feierszene sein, die Kinder haben. Was heute vielleicht lustig klingt, war damals naheliegender, wie Rudolph erzählt: "Damals gab es zum Beispiel diese Muttipartys im Ruderclub Mitte. Das waren so Afterhour-Kinderwagen-Partys." Mit der Zeit ging es darum, Veranstaltungen anzukündigen und Gästelistenplätze zu verlosen sowie selbst welche zu ergattern. "Das kann ich ganz ehrlich so sagen, das war ein rein egoistisches Ding. Ich hab einen Blog gemacht, damit ich nicht mehr besoffen vor dem Club stehe und mir sagen lassen muss: Du kommst hier nicht rein", gibt Rudolph offen zu.

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In den ersten Jahren veranstaltete Beatrausch auch ein Open Air namens "Sommerbegehren", das Foto stammt von der zweiten Ausgabe 2008

Anfangs lief der Blog sehr gut und fand viel Zuspruch. Rudolph erzählt, dass sogar große Unternehmen an einem Kauf des Blogs interessiert waren, was er aber direkt ablehnte. Durch die zahlreichen Artikel über Partys in Berlin ergaben sich im Verlauf der Jahre viele Connections zu Clubs wie zum Beispiel dem about:blank. "Mit deren linksautonomen Hintergrund konnte ich mich identifizieren", erzählt Rudolph am Ende seiner Pizza Cipolla. 2014 durfte er dann sogar seinen Geburtstag im about:blank feiern – mit Cuthead, Dürerstuben und Snacks, die allesamt durchaus als Beatrauschkünstler bezeichnet werden können.

Zu dieser Zeit lief der Blog nicht mehr so gut wie in den Anfangsjahren. Ein Grund dafür: Facebook. Der Medienkonzern hatte mit der Zeit erkannt, dass das soziale Netzwerk nicht nur dafür genutzt wird, "um Hinz und Kunz, die irgendwo studiert haben, miteinander zu connecten", wie Rudolph anmerkt.

"Als Facebook dann die Reichweite begrenzte und andere Limitierungen eingeführt hat und das ganze vermarktet hat, hab ich gemerkt, dass die Reichweite runtergegangen ist. Es wurde zu einer Promomaschine. Wenn du alleine was machst, ging nichts mehr. Du brauchtest Leute, die das weiterverbreiten. Aber ich kann auch nicht viel Geld in einen Blog reinhauen für Facebookpromo, weil ich damit nichts verdiene. Im Gespräch mit anderen Bloggern merkt man, dass die zu dieser Zeit ähnliche Probleme bekamen. Der Content wurde dann immer weniger, ich hab nur noch das gemacht, was funktioniert: Gästelistenverlosungen. Mittlerweile hab ich bei Facebook zwar 5000 Freunde, also das Maximum. Über die betreibe ich dann Promotion. Leider hat Facebook aber irgendwann mein privates Profil als Multiplikator für die Beatrauschseite gewertet. Ich glaube daraufhin haben sie meine Reichweite verkürzt, das habe ich daran gemerkt, dass die Likes für private Postings deutlich runtergingen."

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"Als Blogger war das der Tod", ergänzt Rudolph noch und meint damit Facebook. Aber es gab noch einen zweiten Faktor, der es den Partyblogs erschwerte, eine größere Anzahl von Leuten zu erreichen: Resident Advisor (RA). Wie eingangs beschrieben gehört es für viele Clubbesucher mittlerweile zur Routine, sich auf der RA-Seite über Events zu informieren. K

lickst du auf eine Stadt, steht die Party mit den meisten Teilnehmern ganz oben, weshalb Promoter und Booker sich einen nicht geringen Teil ihrer Zeit damit beschäftigen, Leute auf Facebook anzuschreiben, dass sie bitte für ihre Veranstaltung zusagen sollen – bei Facebook und Resident Advisor.

"Der andere wichtige Faktor ist Resident Advisor. An den beiden Bastionen Facebook und RA kommst du nicht vorbei, da gibt es keine Alternative. Bei RA muss man einfach hoffen, dass man in die Staff Picks kommt. Wenn du ein Staff Pick bist und deine Party scheiße ist, hast du irgendwas falsch gemacht. Wir haben das bei der Oscillate [eine andere Partyreihe von Rudolph] gemerkt, wie die Ticketbestellungen hochgegangen sind, als wir dort erwähnt worden. Es ist generell krass, wie sich Resident Advisor entwickelt hat über die Jahre. Klar, die Szene ist internationaler geworden. Aber trotzdem ist jede poplige Bar bei RA. Das ist die neue Restrealität in Sachen Veranstaltungswerbung."

Als Blogger, der über gute Partys informieren will, führt also kein Weg an Facebook vorbei. Es reicht nicht mehr, eine eigene Seite zu haben, da fast der gesamte Traffic über soziale Medien generiert. Gleiches gilt für Partyveranstalter, die müssen sich zusätzlich noch mit Resident Advisor beschäftigen.

Am Samstag feiert Beatrausch zehnjähriges Jubiläum, mit Soundstream, Leibniz, Cuthead, Snacks und vielen mehr. Wie geht es danach weiter, wie sehen die nächsten Zehn Jahre aus, frage ich Rudolph bei einem abschließenden Eis. "In den nächsten Zehn Jahren möchte ich mich wieder mehr auf den Blog konzentrieren und mehr machen als nur Gästelistenverlosung." Wir hoffen, dass sich Beatrausch und alle anderen Blogs dieser Art auch in den nächsten Jahren weiterhin so wacker behaupten und sagen: Herzlichen Glückwunsch zum zehnten Geburtstag und Prost auf die nächsten zehn!

Wenn du am kommenden Samstag, den 8.April, gemeinsam mit Beatrausch feiern willst, kannst du bei uns 2x2 Plätze auf der Gästeliste gewinnen. Sende dazu eine E-Mail mit dem Betreff "Beatrausch" an gewinnspiel@thu.mp. Einsendeschluss ist morgen Nachmittag um 16 Uhr. Hingehen solltest du auf jeden Fall, denn das Line-up ist großartig: Soundstream, Leibniz, Cuthead, Snacks, Resom uvm. Hier findest du die Veranstaltung bei Facebook

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