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Munchies

Drinks kommen und gehen – Klassiker bleiben

Im Laufe seiner Jugend trinkt man viel, das meiste ist Mist. So lernt man auf die harte Tour, was gut ist.

Wenn man jung ist, vergeht die Zeit langsamer. Wenn es dunkel wurde, hat man dabei ab und zu noch ein Colabier oder einen selbst gemischten Drink in der Hand. Kannst du dich noch an deinen ersten Rausch erinnern? Nein? Dann hat er wohl für damalige Verhältnisse richtig gut funktioniert. Jetzt sitzt man in den guten Bars, wo man etwas älter und auch etwas melancholischer ist, und erinnert sich an die Drinks, die man einmal mochte.

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Vorbei die Zeit des Wirkungstrinkers. Ewig hält der eigene Körper diese Unverhältnismäßigkeit aus weirden Getränkemixturen nicht aus. Und als junger Typ sollte man irgendwann wissen, dass das unterste Regal in der Spirituosen-Abteilung im Supermarkt eigentlich nur zu schmerzhaften Enttäuschungen führt. Aber oft reichte das Geld einfach nicht zu mehr. Es gab nur zwei Regeln, was die Getränke anging:

Regel #1: Je süsser, desto besser—denn dann schmeckt man den Alkohol nicht mehr. Regel #2: Je härter, desto besser—auch wenn man schüttelnd hinter vorgehaltener Hand den Mundwinkel verzogen hat.

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Heute trinkt man gern Klassiker wie Gin Tonic, Moscow Mule oder Negroni. Wieso hat sich das geändert? Vielleicht sollte man den Drinks, die man mit 18 trank, noch mal eine faire Chance geben, bevor man sie womöglich ganz vergisst.

Also habe ich mich aufgemacht, mir das flüssige Glück der Jugend noch mal Plastikbecher für Plastikbecher vor den Gaumen zu führen—und eine kleine Zeitreise in die Welt der Drinks von damals gemacht. Vollbepackt mit Getränkeideen, an die ich seit Jahren nicht mehr gedacht habe, stehe ich auf einem Bürgersteig in Berlin und denke an meine erste eigene Wohnung mit 19, wo ich auf IKEA-Möbeln Getränke für meine Freunde gemischt habe.

Wodka und Eistee—im Mund gemischt

Im Mund gemischt

Das Erste, was mir jedoch auffällt: Ich habe jede Menge Glasflaschen gekauft, aber die obligatorischen Plastikbecher vergessen, denn ich bin ja gar nicht daheim. Dann heißt der erste Halt eben Supermarkt-Parkplatz und es muss der natürlichste Barmann der Welt herhalten—der eigene Mund. Nach jeweils einem großen Schluck Pfirsich-Eistee und Wodka weiß man, dass die Mundmische genau so schmeckt, wie man sich so ein Mundmischgetränk auf einem Parkplatz eben vorstellt. Oh je. Immerhin scheint die Sonne.

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Kopfweh Total—Erdbeerlimes und Perlwein

Kopfweh Total

OK, kommen wir zum vielleicht ehrlichsten Drink in der Geschichte der selbst gemixten Getränke, dem Kopfweh Total. Ich hatte es verdrängt, dass unter dem Sekt noch Perlwein kommt. Der Erbeerlimes und Perlwein ergeben eine so süße wie hämmernde Mischung, die jedem Hugo-Cocktail das Laufen beibringen kann. Eigentlich auf den ersten Schluck ganz witzig, dann wird es nur noch süß.

Kopfweh Total GIF

Schlumpfsaft—Wodka und Wick Blau

Schlumpfpisse

In die Kategorie „Partygag" gehört auf jeden Fall die Schlumpfsaft. Die Inhaltsstoffe haben auf den ersten, eigenen Partys im Haus der Eltern wohl für Lacher sorgen sollen. Ich kann mich nur nicht mehr wirklich daran erinnern. Vielleicht sah der Drink zu Halloween neben den Bockwürstchen, die mit Mandeln zu abgetrennten Fingern modifiziert wurden, ganz witzig aus. Schmecken tut der Schlumpfsaft nicht wirklich. Zugegeben, was ich beim Schreiben erst gemerkt habe—man muss die Hustenbonbons vorher zerstößeln und für mehrere Stunden in einem Wasserbad stehen lassen, bevor sie ihren Geschmack vollkommen abgeben. Wieder ein Fun Fact, das ich niemals brauchen werde.

Krümelkorn—Korn und Krümeltee

Diese bekannte Mischung verbindet zwei Welten—Kopfschmerz und Eistee. Der lösliche Instanttee enthält so viele Aroma- und Süßstoffe, dass der alkoholische Eigengeschmack des Korns nicht übertüncht, sondern nur schlimmer wird. Das einzig Schöne an diesem Drink: Ich sitze dabei auf einer Tischtennisplatte im Park, leider habe ich keine Schläger dabei.

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Grüne Wiese—Blue Curacao und Orangensaft

Diese bunten Flaschen in der farblich sonst eher neutralen Spirituosen-Stellage haben schon immer fasziniert und gleichzeitig abgeschreckt. In der Natur kommt die Farbe Blau selten vor—so ist es auch beim Alkohol. Genau deswegen wurde aber in den 1980ern wohl der Cocktail Swimming Pool erfunden, da es keine großen Farbunterschiede bei den damaligen Drinks gab.

Bei dem Drink Grüne Wiese hingegen ist ein misslungenes Experiment. Man mischt den blauen Curacao mit (wer hätte das gedacht) gelbem Orangensaft zu einer grünen Suppe zusammen, die genauso gewöhnungsbedürftig schmeckt, wie sie ausschaut.

Kornschorle—Korn mit Soda und Zitrone

Kornschorle

Vor allem die Bushaltestelle ist für uns Menschen, die aus Kleinstädten kommen, nicht nur Abfahrtsort des langsamsten Verkehrsmittels der Welt, sondern auch Treffpunkt für das erste Getränk vor der Party. Auf dem Foto siehst du, wie ich mir eine frische Kornschorle zubereite. Was sommerlich klingt, prickelt zwar gut und kommt einem richtigen Getränk schon näher, aber der billige Korn wird durch das Verlängern mit Zitronenwasser nicht angenehmer.

Wötterspeise—mein Ende

Ich habe wirklich genug und breche mein Experiment während der Zubereitung einer Wötterspeise ab. Es geht jetzt körperlich nur noch nach unten. Meine Fotografin empfiehlt mir, die Gummibärchen getränkt in Wodka aber auf jeden Fall noch zu probieren. Aber ich kann nicht mehr. Ich habe gelernt, dass man schon mit Krümeltee und dem Kornbrand aus dem untersten Regal sehr gut bedient ist, wenn man einfach nur betrunken werden will. Will man bloß nicht mehr. OK, einige Drinks waren ganz in Ordnung, um ehrlich zu sein. Aber irgendwann merkt man, dass gemischter Alkohol neben gesteigertem Interesse an ehrlichen Geschichten und Verbrüderung auch richtig gut schmecken kann, soweit man anständige Zutaten verwendet.

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Ob wir einen Geschmack als angenehm in Erinnerung behalten, hängt entscheidend davon ab, ob wir uns wohlfühlen. Das Geschmacksgedächtnis befindet sich im limbischen System, der gleichen Hirnregion, in der auch emotionale Gedächtnisinhalte gespeichert werden.

Zwar ist auch die Erinnerung an Schlumpfsaft und Wötterspeise meist verbunden mit witzigen Eskapaden, von denen man heute noch gerne erzählt. Wenn die Getränkelieblinge von einst aber nicht mehr schmecken wollen, dann sind einfach raffiniertere Genusserfahrungen daran schuld. Früher hatte man noch keine Animositäten gegen die geschmackliche Künstlichkeit eines Kopfweh Total.

Schlimme Drinks sind so was wie ein Aufwachen. Jeder Schluck ist etwas wie eine Erfahrung, die man machen musste, um zu den guten Drinks zu finden. Denn die stehen in der Jugend wie große, bärtige Knaben mit Furchen im Gesicht vor einem und wollen erzählen, dass früher alles besser war. Das war es sicherlich nicht—aber wir haben gelernt, dass gewisse Dinge im richtigen Verhältnis zueinander einfach richtig guttun können.

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Also lasse ich den Tag in einer Bar meines Vertrauens ausklingen, mit dem Klassiker schlechthin—dem Negroni. Gin, Campari, roter Wermut und ein Streifen Orange ergeben die bittere Note in einem Getränk, die ich mag. Mit einem Negroni kann man das Gefühl verlängern, dass an einem Abend mehr möglich ist, als sich beispielsweise über skandinavische Schrottmöbel auszutauschen.

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Warnung: Die Redaktion von MUNCHIES ermutigt keinesfalls zum Alkoholkonsum. Der Autor ist in allen Situationen sehr verantwortungsbewusst mit den von ihm gemischten Getränken umgegangen.