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EM-Vorschau: Gruppe B—mehr als nur eine britische Affäre

Wird es die Sternstunde der neuen englischen Generation, oder wird Gareth Bale der erste Spieler, der ein Turnier ganz alleine gewinnt? Doch die Slowakei und Russland haben auch noch was mitzureden.
Brace yourself, France... // PA Images

In Gruppe B der Europameisterschaft 2016 treffen die beiden britischen Nachbarn England und Wales aufeinander. Dazu gesellen sich Russland und das weitgehend unbeschriebene Blatt Slowakei. Wir haben für euch eine Vorschau:

ENGLAND

Wie haben sie sich qualifiziert? Wie immer ist England durch die Quali spaziert, sodass die Medien auf der Insel schon wieder vom Titel träumen. 30 von 30 Punkten und damit neun Punkte vor dem Gruppenzweiten Schweiz.

Bekannte Namen: England gehört zu den Mannschaften, wo es eigentlich mehr Sinn macht, über die wenigen unbekannten Namen zu sprechen. Hier muss vor allem der an Nummer drei gesetzte Torwart Tom Heaton erwähnt werden. Der Burnley-Keeper ist hierzulande komplett unbekannt, weil Burnley nicht mal in der Premier League spielt. Ansonsten ist das englische Team hochkarätig besetzt, angefangen mit Joe Hart im Tor, Nathaniel Clyne, Gary Cahill, Danny Rose und Chris Smalling in der Abwehr, James Milner, Supertalent Dele Alli, Jack Wilshere und Raheem Sterling im Mittelfeld. Und dann wäre da noch Englands Supersturm mit Jamie Vardy, Harry Kane, Wayne Rooney und Daniel Sturridge. Und wer weiß, vielleicht kann der erst 18-jährige Marcus Rashford auch für eine Überraschung sorgen…

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Den niemand kennt. Foto: Tom Heaton // PA Images

Der Trainer: Roy Hodgson ist ein grundsolider Kerl: verlässlich, stoisch zu Krisenzeiten und bescheiden, wenn es gut läuft. Würdest du ihn deine Steuererklärung machen lachen? Absolut. Würdest du ihm eine Fußballnationalmannschaft anvertrauen? Hmmm…

Aber OK, wenigstens hat er keine Amok laufende Libido wie Sven-Göran Eriksson; ist nicht komplett debil wie Steve McClaren; und hat Vertrauen in die Jugend im Gegensatz zu Fabio Capello. Trotzdem muss Roy eine gute Platzierung abliefern, wenn er seine Mannschaft auch zur nächsten WM führen will.

*Ausblick:* Englands Ziel muss mindestens Viertelfinale lauten. Würde man mit der jungen Truppe unter die besten Acht kommen, wäre das auch ein vielversprechendes Zeichen für die Zukunft. Die Spieler dafür haben sie allemal. Andererseits reden wir über England, bei denen weiß man nie, was sie machen.

Englands inspirierender Führer. Foto: Peter Powell/EPA

WALES

Wie haben sie sich qualifiziert? Wales hat sich zum ersten Mal seit 58 Jahren wieder für ein Großturnier qualifiziert. Der Erfolg hatte zwei Hauptgründe: eine ziemlich gute Abwehr und Gareth Bale. Am Ende landete man auf Platz zwei hinter Belgien und vor Bosnien-Herzegowina.

Bekannte Namen: Ein bekannter Witz lautet, dass Wales' Startaufstellung aus Gareth Bale und zehn glücklichen Schaulustigen besteht. Das ist natürlich übertrieben, schließlich gibt es noch ein paar Spieler, die auch hierzulande bekannt sein sollten. Dazu gehören vor allem Aaron Ramsey vom FC Arsenal und Joe Allen vom FC Liverpool. Aber klar, Bale ist der unangefochtene Star in seiner Mannschaft.

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Gareth Bale und „die zehn anderen Glückspilze". Foto: PA Images

Der Trainer: Chris Colemans Trainerkarriere schien schon ins Stocken zu geraten, bevor er bei Wales anheuerte. Auch der Start war nicht einfach, was vor allem daran lag, dass er als Trainer der walisischen Nationalmannschaft auf seinen verstorbenen Freund und früheren Mitspieler Gary Speed folgte. Seitdem hat Coleman einen hervorragenden Job gemacht und Wales nach Frankreich geführt. Er hat schon seinen Vertrag verlängert und hofft nun, Wales auch zur ersten WM seit 1958 zu führen.

Ausblick: Wales wollte in der Gruppenphase unbedingt England aus dem Weg gehen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil man glaubte, dass ein Duell mit dem Lokalrivalen von der wichtigsten Aufgabe ablenken könnte: die Qualifikation für die K.O.-Phase. Angesichts der Gegner in Gruppe B können sie durchaus optimistisch sein, was die Erfüllung ihres Ziels betrifft. Weder Russland noch die Slowakei sind furchteinflößende Gegner. Einzig allein die schlechten Auftritte in den Testspielen (vor wenigen Tagen setzte es eine 0:3-Pleite gegen Schweden) sorgen für Sorgenfalten.

Chris Coleman feiert einen Sieg über Bosnien-Herzegowina. Foto: Fehim Demir/EPA

RUSSLAND

Wie haben sie sich qualifiziert? Als Zweiter in ihrer Gruppe landeten sie acht Punkte hinter Österreich und zwei Punkte vor Schweden. Mit diesen Mannschaften endete praktisch auch die Konkurrenz. Die drei anderen Teams der Gruppe hießen nämlich Montenegro, Lichtenstein und Moldawien. Die russische Mannschaft nahm aber erst Fahrt auf, nachdem Fabio Capello durch Leonid Sluzki ersetzt worden war.

Bekannte Namen: Die Sbornaja ist genauso wie Russland ein kleines Mysterium. Nur einer ihrer Spieler verdient sein Geld im Ausland: der Schalke Roman Neustädter, der erst seit Kurzem den russischen Pass besitzt. Der Kern der Mannschaft sind fünf Spieler von ZSKA Moskau (kein Wunder, ist doch Sluzki gleichzeitig auch Trainer von ZSKA), die zusammen mehr als 400 Länderspiele auf dem Buckel haben. Ebenfalls von ZSKA ist Alan Dzagoev, der als der größte Hoffnungsträger gilt. Der 25-jährige Edeltechniker soll vor allem Artem Dzyuba mit Vorlagen füttern. Der hatte mit acht Toren in acht Spielen einen großen Anteil an der EM-Qualifikation der Russen. Trotzdem: Die ganz großen Namen wie Arschawin oder Pawljutschenko sucht man vergebens.

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Die eher unbekannten Herrschaften. Foto: Hans Punz/EPA

Der Trainer: Sluzki übernahm vor nicht mal einem Jahr den Posten des geschassten Capello und führte die Russen zur EM-Qualifikation. Wie seine Mannschaft ist auch er außerhalb von Russland weitgehend unbekannt. Das Internet erzählt uns, dass er als 19-jähriger Spieler seine Karriere beenden musste, nachdem er bei dem Versuch, die Katze eines Nachbarn zu retten, von einem Baum runtergefallen war.

Ausblick: Unsere britischen Freunde sollten Russland besser nicht auf die leichte Schulter nehmen—weder als Land noch als Fußball-Nationalmannschaft. Ihre Mannschaft besteht überwiegend aus No-Name-Spielern—selbst Island hat mehr bekannte Spieler in seinen Reihen—, gleichzeitig ist die russische Liga ziemlich stark. Das haben wir aber auch schon zur WM 2014 gedacht, wo die Russen am Ende maßlos enttäuscht haben. Den Russen steht ein heißer Tanz bevor. Selbst die Slowaken werden nicht mit zitternden Knien in die Partie gegen die Sbornaja gehen.

Sieht alles total legal aus. Foto: Ivan Sekretarev/EPA

SLOWAKEI

Wie haben sie sich qualifiziert? Die Slowakei wurde Zweiter hinter Spanien. Am Anfang hatten die Slowaken in ihrer Gruppe sowas von die Hosen an. Die ersten sechs Spiele konnten allesamt gewonnen werden, darunter auch ein 2:1-Sieg gegen Spanien. Doch nach einer Niederlage gegen den amtierenden Europameister von der iberischen Halbinsel zeigte die Formkurve bei den Slowaken nach unten.

Bekannte Namen: Davon gibt es deutlich mehr als bei Russland, vielleicht sogar noch mehr als bei Wales. Mannschaftskapitän Martin Skrtel vom FC Liverpool wird wohl den meisten ein Begriff sein, erst recht der Star der Mannschaft, Marek Hamšík, vom SSC Neapel. Dazu kommen noch drei weitere Serie-A-Spieler und Peter Pekarik von Hertha BSC.

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Scheißfrisur, Scheißtattoos, aber ein wunderbarer Fußballer: Marek Hamšík. Foto: Julien Warnand/EPA

Der Trainer: Jan Kozak, der für die Tschechoslowakei mehr als 50 Spiele absolviert hat und 1980 sogar ins EM-Halbfinale eingezogen ist. Er hat eine Menge Erfahrung als Trainer und ist seit 2013 Coach der slowakischen Nationalmannschaft.

Ausblick: Für die Slowakei ist es das zweite große Turnier als unabhängige Nation und ihr erster Auftritt bei einer Europameisterschaft. Die Mannschaft ist solide besetzt, ausgestattet mit einem Starspieler in der Offensive und einer ziemlich verlässlichen Verteidigung (hört sich nach Wales an, oder?). Ihre Chancen ähneln denen von Wales: Sie werden versuchen, die Gruppenphase zu überstehen, wobei alles, was über das Viertelfinale hinausgeht, einem riesigen Erfolg gleichkommen würde. Die englischen und walisischen Fans neigen dazu, die Slowakei als das schwächste Team der Gruppe abzutun. Roy Hodgson und Chris Coleman sind gut beraten, an die Sache anders ranzugehen.

Weitere Prognosen:

EM-Vorschau: Gruppe A—die Gruppe der vermeintlichen Brüderliebe