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Aussteigerprogramm

Mit diesen Postern wollen Aachener Studierende Linksextreme zähmen

Die einzige sinnvolle Frage auf einem der bizarren Plakate: "Kann das wirklich gut sein?"
Studierende halten Poster, die sie für ein Aussteigerprogramm für Linksextreme gemalt haben
Screenshot: Twitter | @IM_NRW

Man muss nicht irgendwas mit Medien studiert haben, um zu wissen: Von virtuellen Marketing-Konzepten für IKEA bis hin zu Kurzfilmen über Berliner Brückenarchitektur sind die meisten Uni-Projekte nichts als Fingerübungen, an die sich nach den Semesterferien niemand mehr erinnert. Auch Studierende der Uni Aachen stellten kürzlich ein solches Projekt vor. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Innenminister von Nordrhein-Westfalen einige von ihnen am Mittwoch dafür ausgezeichnet hat.

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Für einen Wettbewerb hatten die Studierenden "Werbekonzepte für die reale und virtuelle Welt" entwerfen sollen. So erklärte es das Innenministerium des Landes auf Twitter. Am Mittwoch wurden die drei besten Kampagnenentwürfe für "Left", das Aussteigerprogramm für Linksextremisten und -extremistinnen von NRW, prämiert. Das Projekt hat nicht nur einen lustigen Namen, auch seine Erfolgsquote kann einen zum Schmunzeln bringen: Ganze 21 Aussteiger und Aussteigerinnen betreut das Projekt des Verfassungsschutzes. Kein Wunder, schließlich teilte selbst NRW-Innenminister Herbert Reul mit, dass die politisch motivierte Kriminalität von links im vergangenen Jahr zurückgegangen sei.

Das hielt den CDU-Politiker am Mittwoch allerdings nicht davon ab, die drei schönsten Plakat-Entwürfe zu küren und einer Gruppe Studentinnen und einem Studenten dafür die Hände zu schütteln. Ein Foto der glücklich lächelnden Preisträgerinnen teilte das Innenministerium sogleich auf seinem Twitter-Kanal. Darunter sammelte es immerhin mehr als doppelt so viele kritische Kommentare als das Aussteigerprogramm unglückliche Antifaschisten.

Dennoch wäre es unfair, nicht auch wenigstens auf die Kreativität der Studierenden einzugehen. Brennende Gegenstände, schwarz gekleidete Masken-Menschen, eine hochgereckte Faust: Die Plakate der Gewinnerinnen und des Gewinners vereinen fast alle Linksextremen-Klischees. Lediglich der bekannte Spruch "A.C.A.B." hat es auf keins der Poster geschafft. Dafür hat eine Gruppe unter einem "Fuck the System" in großen Druckbuchstaben mehr oder weniger deutliche Fragen an radikale Linke ausformuliert: "Macht blind?!"; "Kann das wirklich gut sein?"; und: "Wer oder was ist das?" Vor allem die letzte Frage stellen wir uns auch beim Blick auf die Plakate.

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Es ist sicherlich fragwürdig, wenn die NRW-Regierung Studierende ausgerechnet politische Kampagnenbilder gegen Linksextreme entwerfen lässt. Allein für das Jahr 2017 führt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz über 3.700 rechte Straftaten auf und etwa 1.300 von links.

Natürlich könnte man die Studentinnen und den Studenten nun dafür shamen, dass sie die beschissene Aufgabe ihrer Unileitung protestlos ausführen, anstatt dem Innenminister dafür das Gummiband ihrer zusammengerollten A3-Poster um die Ohren schnalzen. Am Ende malen sie die krakeligen Fäuste aber womöglich auch nur auf die Poster, um ihre Creditpunkte einzusammeln, ihren Abschluss zu schaffen, und am Ende selbst mit einem 40-Stunden-Job Teil des Systems zu werden.

Auf Linksextremismus in Deutschland werden die Plakate der Studierenden wahrscheinlich ohnehin keinen Einfluss haben. Vor allem dann nicht, wenn sie in den Semesterferien neben halbfertigen Statistik-Übungen, Vorlesungsnotizen und abgelaufenen Studierendenausweisen in einer dunklen Ecke eines WG-Zimmers landen.

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