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Sex

Ich habe mit meinem Lehrer geschlafen und es war (zumindest anfangs) toll

Wenn man mit den Worten „Hör auf, so unglücklich zu sein, und such dir einen festen Freund" abserviert wird, dann hat das schwerwiegende Folgen für ein Teenager-Herz.
Illustration von Lehrer und Schülerin
Illustration: Cei Willis

Ihr wisst bereits, wie es ist, wenn ein junger Mann seine Teenager-Fantasie auslebt und Sex mit seiner Lehrerin hat (und das Ganze letztendlich scheiße fand). Es folgt nun eine ähnliche Geschichte aus der weiblichen Perspektive.

Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als ich ihn zum ersten Mal am anderen Ende der belebten Aula gesehen habe. Seine Haut war blass, seine Wangen rosig und seine großen Augen so gelb wie die einer Katze. Er machte einen sowohl amüsierten als auch verlegenen Eindruck, so als ob wir uns in einer Folge von Zurück in die Vergangenheit befinden würden und er hier nur zufällig gelandet wäre. Noch nie zuvor hatte ich so einen Menschen wie ihn getroffen—er trug Armani-Anzüge und zitierte aus Gedichten. Ich war sofort Hals über Kopf verknallt und habe sogar noch meine Abschluss-Fächer geändert, nur um seinem Unterricht beiwohnen zu können.

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Unsere Beziehung driftete schon in komische Gefilde ab, als ich noch auf der Schule war. Alles fing damit an, dass er mir amerikanische Romane und ausländische Kinofilme auf DVD auslieh. Ich komme aus einem langweiligen Londoner Vorort—du hast ja keine Ahnung, wie erwachsen und gebildet ich mich fühlte, als ich mit 16 Jahren dänische Dogma 95-Filme angeschaut habe. Nach diesem relativ harmlosen Start ging es mit den Mixtapes inklusive handgeschriebenen Kassetten-Covern weiter. So wurde meine Welt um The Jesus and Mary Chain, Jane's Addiction und David Bowie bereichert. Die Mixtapes waren jedoch nicht nur für mich bestimmt, sondern für eine kleine Gruppe seiner ausgewählten Fans. So fühlten wir uns wie etwas ganz Besonderes. Ich frage mich, warum sich die anderen Lehrer nichts dabei gedacht haben. Vielleicht sahen sie keinen Grund zur Besorgnis weil er Mitte 20 war und schon seit mehreren Jahren eine feste Freundin hatte.

Damals schrieb ich noch Gedichte. Bestimmt kommt euch allen gerade ein bisschen Kotze hoch, aber ich fand das cool und war darin so gut, dass ich sogar einige Wettbewerbe und so weiter gewonnen habe. Irgendwann las ich ihm mal eines meiner Werke vor und er sagte mir daraufhin Folgendes: „Als Teenager Gedichte zu schreiben, die keine Teenager-Gedichte sind … das ist eine Gabe." Oh Gott, damals ließ mich dieser Kommentar dahinschmelzen wie ein Eis in der heißen Sommersonne. Heute jagt er mir eher kalte Schauer über den Rücken—ich gierte einfach nur verzweifelt nach seiner Aufmerksamkeit und er konnte mich nach Belieben manipulieren.

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Er wurde zu meinem Lektor. Wir setzten uns regelmäßig zusammen hin und gingen meine Gedichte durch. Er kürzte sie gnadenlos zusammen und wurde mit jedem Ansetzen seinen Stiftes mächtiger und mächtiger. In meinem Kopf war er Ezra Pound und ich T.S. Eliot. Und als ob er sich seiner Unheimlichkeit und Anmaßung noch nicht ganz bewusst gewesen wäre, las er mir dann noch laut aus The Waste Land vor und bewegte dabei subtil sein Becken hin und her, als würde er mit seinen Eiern atmen.

Noch nie zuvor hatte ich so intensive Gefühle für jemanden entwickelt. Daran sollte sich auch in den Jahren danach nichts ändern. Jede Nacht malte ich mir vor dem Einschlafen aus, wie es sich anfühlen würde, ihn zu küssen. Ich hatte damals noch keine wirklichen sexuellen Erfahrungen gemacht und wusste auch mit Masturbation noch nicht so viel anzufangen. Ich war noch Jungfrau und deshalb war es für mich ausreichend, mir einfach nur den Kuss immer und immer wieder vorzustellen.

Ich habe ihm niemals gestanden, wie sehr ich ihn liebte. Eigentlich habe ich auch nie wirklich offensichtlich mit ihm geflirtet. Ich war (und bin auch heute noch) davon überzeugt, dass es ein Zeichen von Schwäche ist, wenn man einem Menschen zeigt, dass man ihn mag. Aber ich weiß noch genau, wie wir uns wie ein Pärchen gestritten haben—manchmal sogar so heftig, dass einer von uns erbost aus dem Raum gestürmt ist. So sieht garantiert keine normale Lehrer-Schüler-Beziehung aus. Trotz meiner Abwehrhaltung wusste er natürlich dennoch, dass ich total in ihn verknallt war.

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Nach meinem Schulabschluss riss unser Kontakt nicht ab. Das war für meine Schule jetzt aber auch nichts Außergewöhnliches. Mehrere meiner Freunde hielten den Kontakt zu verschiedenen Lehrern. Dennoch wollte ich natürlich unbedingt, dass unsere Beziehung etwas Größeres und Außergewöhnliches wird—was sie zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht war: Ich traf mich ein paar mal mit ihm, um etwas zu essen oder einen Kaffee zu trinken, aber zu keinem Zeitpunkt überschritt er seine Grenzen.

Mein erstes Uni-Semester ging vorbei und während den Weihnachtsferien bekam ich einen Anruf. Er wollte, dass ich ihn noch am selben Abend in einer Kneipe treffe. Hastig stieg ich unter die Dusche und rasierte mir die Beine. Für jemanden, der eigentlich keine Ahnung von Sex hatte, war ich sehr optimistisch. Ich machte mich auf den Weg und war dabei total aufgeregt und nervös. Irgendwie hatte ich aber auch schon eine böse Vorahnung. Er hatte erst vor Kurzem mit seiner Freundin Schluss gemacht und war schon in der Kneipe (eine ziemlich schäbige noch dazu), als er mich anrief. Irgendwo in meinem naiven, von Fantasien durchzogenen Gehirn wusste ich, dass diese Sache böse ausgehen würde. In schäbigen Saufkneipen wurden noch nie gute Entscheidungen getroffen.

Als ich ankam, war er schon betrunken. Er meinte, dass er mir etwas zu sagen hätte, ich dazu aber zuerst einmal so besoffen sein müsste wie er. Er ging zur Bar und kam mit vier doppelten Tequilas wieder. Ich nippte zögernd an meinem Schnaps und versprach ihm, niemandem etwas von unserem Gespräch zu erzählen. Er lehnte sich zu mir rüber, aber ich wich zurück, denn ich hatte meine Jacke noch nicht abgelegt und wollte mit meiner Nüchternheit eigentlich genauso verfahren. Schließlich legte er mir stichpunktartig dar, was geschehen war. Nach seiner Trennung hatte er etwas mit einer anderen ehemaligen Schülerin von ihm. Sie war jünger als ich und ging damals weg, weil sie die Schule wechselte. Sie war ungefähr 16 und trug noch eine Schuluniform, als er so etwas wie ihr Vertrauenslehrer war. Ihr Freund war ebenfalls in der Kneipe und suchte Streit. Vielleicht war sie auch da und ich war ihre Bestrafung.

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Dann küsste er mich. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch schon einen über den Durst getrunken und obwohl ich mir diesen Moment schon so lange herbeigesehnt hatte, war ich trotzdem noch so weit bei Sinnen, dass es mir peinlich war, meinen ehemaligen Lehrer in einer hell erleuchteten Kneipe zu küssen.

Wir sprangen in ein Taxi und fuhren zu ihm. Bei ihm war es so kalt, dass ich meinen Atem sehen konnte—drinnen herrschten niedrigere Temperaturen als draußen. Wir landeten im Bett und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine sexuelle Erfahrung so richtig genießen können. Plötzlich wurde mir klar, warum da immer so ein Trara drum gemacht wird. Männer in meinem Alter waren einfach noch nie mein Ding.

Am nächsten Morgen musste ich mich beeilen, damit mich seine Mutter nicht bemerkte. Mit 27 lebte er immer noch bei ihr—und man muss bedenken, dass das Ganze noch vor der Wirtschaftskrise stattfand. Wir sind dann zusammen zur U-Bahn-Station gelaufen und er sagte ganz beiläufig: „Ich werde im Lehrerzimmer schöne Grüße von dir ausrichten." Ich war stillschweigend entsetzt.

Wieder bei mir zu Hause war ich total glücklich. Ich hatte mein Ziel erreicht. Ich hatte bekommen, was ich wollte. Ich fühlte mich irgendwie bestätigt—die Chemie, die ich zwischen uns gespürt hatte, war wirklich da. Im Laufe der darauffolgenden Tage begann sich der Eindruck allerdings langsam aufzulösen, den ich von ihm und unserer Beziehung gewonnen hatte. Die um ein Vielfaches unschönere Wahrheit, die sich darunter verbarg, kam ans Tageslicht. Ich versuchte jedoch, mich krampfhaft an diesem ersten Eindruck festzuklammern und so zu tun, als hätte ich niemals in die Abgründe gesehen, die sich aufgetan hatten.

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Ein paar Tage später schrieben wir miteinander und er willigte ein, mich in einer anderen Kneipe zu treffen. Dieses Mal war ich weniger aufgeregt, sondern eher verunsichert und hatte Angst, dass sich mein Eindruck von ihm komplett zum Schlechten wenden würde. Er stürmte herein und trug einen langen Mantel—dieses Mal war er es, der ihn nicht auszog. Wir überbrückten ein paar Minuten mit Smalltalk. Dann blickte er mir tief in die Augen und sagte: „Hör auf, so unglücklich zu sein, und such dir einen Freund." Danach verschwand er und das war dann auch das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Der Rest des Abends bestand für mich dann nur noch darin, so viel Alkohol wie möglich zu konsumieren und in Boyzone-Lyrics ganz plötzlich einen tieferen Sinn zu sehen.

Das größte Problem beim Ausleben der „Sex mit dem Lehrer"-Fantasie besteht darin, dass ein Lehrer, der wirklich mit seinen Schülern schläft, letztendlich auch zu den Lehrern gehört, die richtige Arschlöcher sind. Der Typ Lehrer, dem diese Art der Bewunderung wirklich zusteht, würde niemals seine Machtposition ausnutzen und etwas mit Schülern anfangen, für die er verantwortlich ist. Ich war zwar keine Schülerin mehr, aber das gewaltige Machtgefälle war trotzdem noch vorhanden. Insgesamt bedeutet das, dass Gefühle für einen Lehrer ein moralisches Paradoxon darstellen: Du wirst entweder für alle Ewigkeiten frustriert sein, weil das Objekt deiner Begierde es wirklich wert ist und demnach niemals mit dir schlafen wird, oder ein alter Perversling nutzt die Situation schamlos aus und deine Fantasievorstellungen werden zerstört. Du wirst dir richtig ausgenutzt vorkommen—und zwar so sehr, wie du es vorher noch nie für möglich gehalten hättest.

Rückblickend erscheint mir sein Verhalten selbstsüchtig und rücksichtslos. Er hat gewartet, bis ich mit der Schule fertig war, um nicht gegen das Gesetz zu verstoßen. Er war sich immer bewusst, dass ich ihm bereitwillig seine Wünsche erfüllen würde. Er hat mich benutzt, um sich besser zu fühlen, und die Folgen für mich waren ihm dabei vollkommen egal. Ich vermute auch, dass ich nicht die Einzige war, die auf seine Masche hereingefallen ist.

Im darauffolgenden Semester habe ich täglich mindestens eine halbe Flasche Wodka getrunken. Wenn auch nur der kleinste Anflug von Scham in mir hochkam, tauchten in meinem Gehirn sofort wieder Bilder und Erinnerungen auf: das kalte Haus, mein sichtbarer Atem, der Sprint zur Tür, damit mich seine Mutter nicht bemerkt, und vor allem immer und immer wieder der Satz „Hör auf, so unglücklich zu sein, und such dir einen Freund".

Illustration: Cei Willis