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Die Letzten werden die Ersten sein

Martin Fengel und Jörg Koopmann waren nie bei der Bundeswehr. Soweit wir das beurteilen können, hat ihnen das Auslassen dieser Erfahrung nicht im Geringsten geschadet.

Das Büro des Kp(Kompanie)Trp(Truppen)Fhr(Führers)

Martin Fengel und Jörg Koopmann waren nie bei der Bundeswehr. Soweit wir das beurteilen können, hat ihnen das Auslassen dieser Erfahrung nicht im Geringsten geschadet. Aber es ist nun mal evolutionär in unserer Psyche verankert, dass man sich alles, was man nicht kennt, immer wahnsinnig spannend ausmalt. Deswegen haben wir ihnen eine Akkreditierung für ein Presseevent namens „Der letzte Wehrpflichtige in Kempten“ besorgt. Als ich zur Bundeswehr musste, wollte ich nicht. Man konnte ja auch Zivildienst machen, manche sagten: „Da musst du Opis den Po auswischen“, musste ich aber nie. Um Zivildienst machen zu können, musste man damals eine „Gewissensprüfung“ ablegen. Ich musste in einem Brief begründen, warum ich nicht fähig sei, mit einer Waffe eventuell mein Land zu verteidigen. Wenn das Gremium, das diese Briefe geprüft hat, die Begründungen angemessen fand, wurde man noch mal vorgeladen, um das alles noch mal vor einem Haufen merkwürdiger Erwachsener in eigenen Worten vorzutragen.   In einer Kaserne stellten mir circa acht Männer Fangfragen wie: „Sie sind in einem Krankenhaus und haben zufällig eine Waffe, da kommen die Russen und wollen die Patienten töten, was machen Sie? Sie gehen mit Ihrer Freundin spazieren, da kommt jemand, der will Ihre Freundin vergewaltigen … zufälligerweise haben Sie eine Waffe dabei, die einzige Möglichkeit Ihrer Freundin zu helfen, ist Gebrauch von der Waffe zu machen …“ usw. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie, aber ich habe diese Idioten überzeugt, dass ich nicht der Richtige bin.  Aber nun ist alles erst einmal vorrüber, kein Zivildienst mehr und auch keine Bundeswehr, wer nicht will, muss weder das eine noch das andere machen. Dazu gab es einen Termin bei der Bundeswehr, wo uns ein paar Offiziere und ein paar ausgesuchte Jugendliche erzählten, was das angeblich alles zu bedeuten hat: Zunächst einmal—wenn ihr gerne Ladys genannt werden wollt, amphibische Urscheiße, Private Schneewittchen … wenn ihr ordentlich angebrüllt werden wollt, durch Dreck kriechen, wenn ihr wollt, dass euch der Kopf abgerissen und reingeschissen wird, wenn ihr so hässlich wie ein modernes Kunstwerk sein wollt … geht nicht zur Bundeswehr, denn, wie wir gelernt haben, ist hier alles total lieb. Wenn der Rucksack mal zu schwer ist, dann helfen euch die anderen beim Tragen, wenn ihr sagt: „Ich kann nicht mehr“, ist das total normal, und euch wird Verständnis entgegengebracht, haben uns die Offiziere erzählt. Man muß auch keine 20 km marschieren, sondern nur ein paar Kilometer, vielleicht fünf. Die vier Jungs, die uns präsentiert wurden, fanden es auch gar nicht schlimm alles, im Gegenteil … da kann man super Kameradschaft lernen und der Körper wird aufgebaut, wenn schon Krieg, dann ist es doch prima, wenn man weiß, wie eine Pistole funktioniert … ja gut, Soldatinnen sollte man nicht anfassen, aber immer toll draußen in der Natur, ist ja auch aufregend, außerdem kann man um halb fünf nach Hause gehen, am Wochenende auch.  Es gab fast nichts zu fotografieren, weil alles eh total normal aussieht, wie mir ein Offizier erzählte … „Waffenkammer? Nö, da können Sie nicht rein … ich weiß schon, was Sie wollen, aber das ist alles total normal hier alles, sieht aus wie überall.“

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„Impressionen Einsatz ISAF (Soldaten GebSanRgt 42)“

Wehrpflichtige bekommen übrigens einen „Wehrsoldtagessatz“ von 9,41 Euro, was inklusive abgefahrener Sonderprämien auf ein Monatsnetto von 378,30 Euro hinausläuft. Also plus/minus Null, nach Abzug von Drinks und Zigaretten

FOTOS VON JÖRG KOOPMANN UND MARTIN FENGEL