Zwei maskierte KSK-Soldaten stehen in der Gegend herum und sehen dabei knallhart aus.
Foto: imago | Björn Trotzki

FYI.

This story is over 5 years old.

bundeswehr

Was die Bundeswehr euch in der coolen YouTube-Serie über das KSK verschweigt

Nachwuchsprobleme, rechtsextreme Geheimbünde, miese Bezahlung – die Elite-Einheit hat Probleme.

Das Video beginnt mit einer Art Kriegsschrei und dem Schattenwurf eines Helikopters über dem Dschungel. Dann stampft ein aggressiver Bass los, in dessem Takt martialische Bilder aufflackern: maskierte Kommandosoldaten, die durch einen Sumpf stapfen; ein Arm, der eine Granate wirft; türkises Gas, das den Dschungel einhüllt; ein Kämpfer, der mit seinem in Zeitlupe repetierenden Sturmgewehr eine Kugel nach der anderen abfeuert.

Anzeige

In einem Satz: Es sieht ziemlich geil aus.

Und das soll es auch. Denn dieses Feuerwerk ist der Auftakt zur neuesten YouTube-Serie der Bundeswehr, die sich ausschließlich dem Kommando Spezialkräfte (KSK) widmet, der Elite-Einheit der deutschen Armee. Seit sie Anfang November gestartet ist, wird die Serie aber auch genau deshalb kritisiert: Sie glorifiziere den Dienst, sie lasse den harten Soldaten-Alltag zu sehr wie einen Ego-Shooter aussehen.

"Ich habe die YouTube-Serien schon öfter kritisiert", sagt auch Agnieszka Brugger zu VICE. "Mich hat immer gestört, dass die wirklich kritischen Aspekte – und damit auch ein realistisches Bild – viel zu kurz kommen."

Brugger weiß ziemlich genau, wovon sie spricht, denn sie kennt die Arbeit des KSK besser als die meisten Menschen in Deutschland. Weil sie vier Jahre lang als Obfrau für die Grünen im Verteidigungsausschuss saß, war sie eine der wenigen Abgeordneten, die über die streng geheimen Einsätze der Spezialeinheit informiert wurde.

Brugger weiß also, wie die Realität der Elitesoldaten aussieht. Das Problem: Sie darf uns fast nichts davon erzählen. Von außen ist es überhaupt ziemlich schwierig, einen Einblick in die Arbeit von KSK-Soldaten zu bekommen. Wir haben es trotzdem versucht. Hier ist das Ergebnis: alles, was die Bundeswehr dir über den Dienst im KSK verschweigt.

1. Du wirst nie darüber reden können, was du machst

Gut, das ist vielleicht keine Riesen-Überraschung, aber du solltest trotzdem mal in Ruhe darüber nachdenken, was das heißt: Du hast dich angestrengt wie ein Wahnsinniger, bist völlig über dich und 99 Prozent all deiner Mitmenschen hinausgewachsen und hast es am Ende geschafft, in eine der besten Elite-Einheiten der Welt aufgenommen zu werden – und dann darfst du es keinem erzählen? Was ist denn das für ein Scheiß-Deal?


Anzeige

Auch auf VICE: Riding for Jesus


Und das geht dann immer so weiter. Egal, was du erlebst, egal, wie gefährlich es war, egal, wie stolz du auf alles bist, was du erreicht hast: Du wirst nie damit angeben dürfen. Außer vielleicht vor deiner Freundin oder deinem Freund, aber die werden es irgendwann nicht mehr hören können.

Die einzigen, mit denen du deine Erfahrungen wirklich teilen kannst, sind also deine Kameraden. Und das bringt uns gleich zum nächsten Punkt:

2. Ein paar deiner Kameraden sind möglicherweise in rechtsextremen Geheimbünden und bereiten sich darauf vor, am "Tag X" ihre Todeslisten abzuarbeiten

Awkward! Ja, das kommt in der YouTube-Serie so natürlich nicht vor. Leider ist aber wahr, dass das KSK gerade ein massives Image-Problem hat. Das liegt vor allem an:

- Der Abschiedsparty. Im April 2017 versammelten sich über 70 KSK-Mitglieder auf einem Schießstand, um den Abschied des Oberstleutnants Pascal D. zu feiern. Die Party ist offenbar ein bisschen aus dem Ruder gelaufen: Eine dazugeholte Escort-Dame erzählte später, die Soldaten hätten Schweineköpfe-Weitwerfen gemacht, laut Rechtsrock gehört und vor allem Pascal D. habe mehrmals den Hitlergruß gezeigt.

Was wirklich passiert ist, wird immer noch heiß diskutiert, aber Mitte November hat ein Gericht wegen der Hitlergrüße einen Strafbefehl gegen D. erlassen und ihn zu einer vierstelligen Summe verdonnert.

- Dem Prepper-Netzwerk. Um es ganz kurz zu machen: Es existiert möglicherweise ein Netzwerk von Rechtsextremen, Doomsday-Preppern und andere Verschwörungstheoretikern, die sich zusammen in diversen Chatgroups über ihre Vorbereitungen auf den "Tag X" austauschten. Die Mitglieder der "Schattenarmee", wie die taz sie nennt, sprachen auch davon, an dem Tag linke Politiker zu verhaften, zu internieren und systematisch zu ermorden. Unter den Teilnehmern sollen nicht nur normale Soldaten, Polizisten und Verfassungsschützer gewesen sein, sondern auch einige KSK-Angehörige. Zumindest von einem, Andre S., weiß man sicher, dass er aus der KSK-Kaserne im baden-württembergischen Calw heraus mehrere dieser Chatgruppen geleitet hat.

Anzeige

War Andre S. der einzige oder gibt es noch mehr aus dem Kommando, die Bock haben, ihre "besonderen Fähigkeiten" auch mal gegen den Staat einzusetzen? "Derzeit haben wir keine Erkenntnisse über die Existenz eines Netzwerks gewaltbereiter Extremisten in der Bundeswehr", sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums auf Nachfrage. Weil das ungefähr zu der Zeit bekannt wurde, als die neue YouTube-Serie "Kämpfe nie für dich allein" herauskam, nennt die Grüne Brugger es "maximal unsensibel, gerade jetzt so eine Serie an den Start bringen".

3. Du wirst miserabel bezahlt werden

Als Kommandosoldat erhältst du zusätzlich zum ganz normalen Sold nochmal um die 900 Euro Gefahrenzuschlag monatlich. Zusammen mit dem normalen Lohn, den du zum Beispiel als Feldwebel verdienen würdest, kommst du auf geschätzt 3.300 Euro brutto.

KSK-Soldaten hängen außen an einem fliegenden Helikopter wie die Bosse.

OK, das sieht schon ziemlich geil aus | Foto: imago | StockTreck

Klingt vielleicht erstmal nicht schlecht – bis dir klar wird, dass du dafür, dass du zu den besten Soldaten der Welt gehörst und permanent dein Leben riskierst, ungefähr genauso viel verdienst wie ein durchschnittlicher Social Media Manager bei Zalando – und der wird nicht mal erschossen, wenn er Scheiße baut. OK, das wissen wir eigentlich nicht. Weiß man bei den Start-ups ja nie so richtig.

4. Du wirst entweder völlig überstrapaziert sein – oder dich zu Tode langweilen

Das ist eigentlich ein ganz normales Feature des Soldatenlebens, aber beim KSK ist das, wie alles andere, noch viel intensiver. Beispiele: Auf ihre erste Mission in Afghanistan 2002 wurden die KSK-Soldaten geschickt, weil man den Amis nach den Anschlägen auf das World Trade Center zeigen wollte, dass man auch was tut. Weil aber niemand eine Ahnung hatte, was genau die Jungs dort tun sollten, saßen sie offenbar die meiste Zeit vor Ami-Kasernen Wache und betranken sich.

Anzeige

Ein paar Jahre später, nachdem Afghanistan völlig außer Kontrolle geraten war, hatten die Männer des KSK plötzlich alle Hände voll damit zu tun, Taliban "gezielt zu jagen und auszuschalten", wie ein Brigadegeneral das damals ausdrückte. Dabei wurde der Verband offenbar so an die Belastungsgrenze gebracht, dass in den Jahren 2014 und 2015 gleich zwei verschiedene KSKler an die Presse gingen und sich beklagten, sie würden "verheizt" oder "verschlissen". Im Mai 2013 verkündete die deutsche Regierung zum ersten Mal, dass ein KSK-Soldat im Kampf in Afghanistan getötet worden sei.

Die ISAF-Mission endete 2014, und seitdem ist relativ unklar, wie oft das Kommando noch zum Einsatz kommt. Offiziell ist nichts herauszubekommen, im Verteidigungsministerium wollen sie nicht mal sagen, ob es jetzt mehr oder weniger Einsätze sind als noch vor fünf Jahren. Von Leuten, die sich damit auskennen, hört man aber eher, dass einige KSK-Soldaten sich aktuell wundern, "wozu sie eigentlich noch da sind".

Aber man weiß ja nie – vielleicht hast du Glück und gerätst genau in die Phase, die du dir wünschst!

6. Alle deine Kollegen werden Männer sein

Ist so: Bis heute hat es noch keine einzige Frau in eine Kommando-Kompanie geschafft. Nicht, weil sie es nicht dürften, sondern weil einfach noch keine das berüchtigte "Eignungsfeststellungsverfahren" bestanden hat. Aber hey – vielleicht bist du ja die Erste, die es schafft, Vasquez!

7. Du wirst dich am Ende fühlen wie ein Profi-Fußballer – nur ohne das Geld

Reiten wir zu viel auf dem Geld herum? Na gut, wir sind halt Journalisten, wir denken permanent ans Geld, weil wir keins haben! Und du wirst dann eben auch nicht wirklich viel haben, wenn du mit Ende 30 einfach zu ausgelaugt bist, um weiter aus Helikoptern auf Ziegen zu springen – dafür aber höchstwahrscheinlich eine Menge kaputter Gelenke.

Das berichtet zumindest der anonyme Veteran in seinem Interview mit der FAZ, in dem man erfährt, dass "so gut wie jeder" Kommandosoldat irgendwann Probleme mit den Gelenken bekomme. Aber immerhin hat er auch einen Tipp parat: "Wir haben gelernt, Schmerzen auszuhalten." Kann sich ja nur noch um Jahrzehnte handeln.

Anzeige

Oh Gott! Dann geh ich doch lieber zu den Panzergrenadieren!

Bist du wahnsinnig? Erstens: Jeder weiß, dass die Panzergrenadiere der absolute Albtraum sind ("Es ist kein Mensch, es ist kein Tier …"). Und zweitens: Irgendjemand muss es doch machen – warum nicht du?

Jetzt mal ernsthaft: Wenn keine normalen Leute mehr in solche Einheiten gehen wollen, dann muss man sich vielleicht auch nicht wundern, wenn die langsam von bekloppten Preppern mit Claudia-Roth-Dartscheiben unterwandert werden. Wenn du 1) nicht aus Prinzip gegen die Armee und 2) brutal sportlich und hart bist, dann ist das vielleicht kein schlechter Weg für dich. Denn unsere Demokratie, die wird ja nicht nur am Hindukusch verteidigt. Sondern vielleicht auch in Calw.

Los geht's! Liegestütze!

Folge Matern auf Twitter und VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.