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Die Geschichte des Südsudan

Reinfliegen

Nach mehreren Sackgassen hören wir von einem Piloten, der uns in den Busch fliegen könnte. Wir wissen nur, dass der Pilot eine Frau ist und uns ein einfacher Flug 17.200 Dollar kosten wird.

Ein Buschfeuer verwüstet einen ausgedehnten Landstrich im Südsudan. Fotos von Tim Freccia.

Machot, Amos, Tim und ich verfallen in Routine. Morgens kommt Machot vom Hotel rüber zu uns. Wenn er Tim und mich beim Kaffeetrinken sieht, fragt er, warum wir nicht aufbrechen. Dann geraten Tim und Machot in einen fürchterlichen Streit, meist darüber, dass Machot Nairobi hasst, während Amos sich zurückhält und kaum was sagt. Ich spiele dann den Friedensstifter und bringe alle dazu, sich wieder zu beruhigen. Bei dem Versuch, Kenia zu verlassen, führen wir unseren eigenen kleinen Krieg. Wir hatten bereits eine Landepiste in Akobo; wir hätten nur jemanden gebraucht, der uns rausfliegt.

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Nach mehreren Sackgassen hört unser Mittelsmann Edward von einem Piloten, der uns in den Busch fliegen könnte, um Riek Machar zu suchen. Ein Verbindungsmann von Edward, der zufällig ein in Kenia geborener Weißer ist, meint, er könne uns über einen Piloten im Südsudan einen Flug besorgen. Er betont, dass der Pilot weder namentlich genannt noch fotografiert werden darf. Wir wissen nur, dass der Pilot eine Frau ist und uns ein einfacher Flug 17.200 Dollar kosten wird. Das ist ungefähr dreimal so viel wie der Normalpreis, in Zeiten, in denen sich das Land nicht gerade selbst zerfleischt.

Edward überbringt uns die Details: „Sie setzt euch ab—wird nicht einmal die Motoren stoppen—und fliegt weiter, sobald ihr euren Kram ausgeladen habt.“ Wir sind einverstanden.

Etwas später erhalten wir einen Anruf: „Seid um 6 Uhr morgens am Flughafen.“

Voller Elan bereiten wir alles vor und kaufen ein: Lebensmittel, Campingausrüstung und Geschenke für die neuen Freunde, die wir unterwegs treffen werden. Machot kauft wie besessen Dinge, die seine Kollegen ihm ans Herz gelegt haben: ein Zelt, Stiefel, Zwiebeln, Babymilch und irgendwelchen anderen Blödsinn. Ich steuere einen Kerzenständer, Gewürze und Tabasco bei. Machot meint, er bräuchte auch noch Klamotten, obwohl er seine normale Straßenkleidung, ein Anzughemd, Hosen und lederne Slipper eingepackt hat. Amos hält sich wie immer unauffällig im Hintergrund.

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Sobald sich herumgesprochen hat, dass wir fliegen, regnet es Anfragen, ob wir Leute oder Sachen mitnehmen können. Nichts beschert dir so viele neue Freunde wie ein 17.200-Dollar-Flug in das Arschloch eines Landes. Zu unserem Gepäck gesellen sich ein neues Thuraya Satelliten-Handy, zwei Videokameras, Stative, noch mehr Lebensmittel und Stiefel.

An diesem Punkt beschleicht Tim und mich der Verdacht, dass Machot auf unsere Kosten nebenbei noch was am Laufen hat. Er verschwindet oft für längere Zeit, verprasst die Minuten auf unserem Thuraya, gefolgt von ständigen Aufforderungen, die Satelliten-Handys irgendwelcher Befehlshaber aufzuladen. Wir ignorieren diese Bitten. Er verspricht uns, dass wir an vorderster Front sein werden. „Ist die Front okay für euch?“, fragt er. Tim und ich sehen einander an.

Am Morgen unserer Abreise treffen wir uns in der kühlen Dämmerung am Wilson Airport auf Nairobis kommerzieller Rollbahn. Piloten rauchen ihre morgendliche Zigarette. Glänzende neue Flugzeuge rollen auf der Startbahn zum Take-off, beladen mit frischen Lebensmitteln für Somalia.

Robert und Machot umarmen sich, bevor sie die Chartermaschine in Nairobi besteigen.

Oben im Büro zählt Edwards Kontaktmann behutsam das Geld, das wir ihm gegeben haben. Dann zählt er es noch ein zweites und ein drittes Mal. Er sieht Tim nervös an, weil der die Kamera auf ihn hält, und erinnert uns dann daran, dass wir unsere Pilotin nicht filmen dürfen.

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War es nun endlich so weit? Ich weigere mich, es zu glauben, bevor wir in der Luft sind. Das zweite Mal. Zuerst müssen wir zu der Pilotin fliegen, die uns an unser endgültiges Flugziel bringen soll.

Nachdem wir unser Gepäck durch eine provisorische Sicherheitskontrolle geschafft haben, laden wir es in das Flugzeug und fahren auf die Rollbahn. Machot grinst breit. Er ist noch nie in einem so kleinen Flugzeug geflogen. Schnell sind die Räder in der Luft, und wir fliegen über die schroffe und bergige Landschaft gen Norden, bis wir eine flache, trockene Ebene erreichen. Die Maschine fliegt tiefer, und die Landepiste kommt in Sicht. Sie ist übersät mit Teilen von abgewrackten Transportflugzeugen, zwischen denen unser Flugzeug souverän zur Landung ansetzt.

Kurz nach der Landung kommt unsere Pilotin an, die Frau der Stunde. Sie fliegt eine wuchtige Cessna Caravan, das zwölf Passagiere fassende einmotorige Arbeitspferd Afrikas. Das Gepäck wird in ein Gehäuse im Fahrgestell gestopft. Im Inneren sind der Fußboden mit schlammverkrusteter Pappe und die Sitze mit fleckigen Baumwollbezügen abgedeckt.

Während wir unsere Sachen einladen, trinkt unsere Pilotin Nescafé und raucht dabei ununterbrochen Marlboro-Zigaretten. Sie schlägt vor, dass wie uns etwas beeilen, um den neugierigen Blicken der Flughafenarbeiter, die hinter dem Gebäude lauern, zu entgehen.

„Wie ist sie?“, fragt sie nervös in Bezug auf die Landepiste, die uns erwartet. Ich antworte, sie sei okay, und dass wir mit Leuten vor Ort gesprochen hätten, die uns dort erwarten. Als sich mein Nairobi-Dunstschleier verzieht, fällt mir auf, dass es Machot war, der all diese Absprachen getroffen hat. Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung von der dortigen Situation habe. Ich bitte Machot, noch einmal anzurufen, und er wählt die Nummer auf meinem Satelliten-Handy.

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Der Pilot bereitet sich auf die Landung im von Rebellen besetzten Waat, Südsudan, vor.

Unsere Pilotin ist nervös, weil sie vor unserem Flug versucht hat, von einem General, den sie in Juba kennt, einen Gefallen einzufordern, in der Hoffnung, er könne uns eine Landeerlaubnis für Akobo beschaffen. Er hatte geantwortet, dass sie unter keinen Umständen auch nur in der Nähe von Akobo landen dürfe. Würde sie auf der Landebahn jemand erkennen, wäre dies das Ende ihrer Karriere im Südsudan.

Sie bietet uns an, uns stattdessen nach Pochalla zu fliegen, eine Kleinstadt nahe der äthiopischen Grenze. Unter meiner Aufsicht ruft Machot schnell bei den Rebellen an, die uns mitteilen, Pochalla sei in Feindeshand. Es gehen nur Akobo oder Waat. Sie entscheidet sich für Waat, was 160 Kilometer von unserem Ziel entfernt liegt. Kurz darauf hängt Machot wieder am Telefon, schreit in den Hörer und lässt uns zwischendurch wissen: „Sie haben 300 Leute, die Landebahn ist sicher.“

Nachdem er aufgelegt hat, sagt er: „Sie haben außerdem gefragt, ob wir vier Verwundete zurückbringen können.“

Unsere Pilotin flippt aus: „Nein, davon habt ihr nichts gesagt. Das mache ich nicht. Ich kann keine Verwundeten mit zurücknehmen. Wisst ihr, welchen Ärger ich mir damit einhandle? Wie viel Papierkram? Wie viel Kopfzerbrechen?“

Machot wird zunehmend sauer und erwidert: „Sie sind den ganzen Weg von Akobo gekommen. Sie müssen ausgeflogen werden.“ „Was für Verletzungen haben sie?“, fragt die Pilotin.

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„Sie haben PTBS.“

„PTBS? Du hast doch gesagt, Verwundete!“

„Die schweren Kämpfe haben sie krank gemacht“, protes­tiert Machot. „Einer der Männer hat Rieks Flucht aus Juba angeführt und 14 Tage nicht geschlafen. Sie müssen da raus.“

Er ist kurz davor, den wichtigsten Flug, den wir je machen werden, zu vermasseln. Ich versuche, ihn nicht noch wütender zu machen, indem ich ihm vorsichtig erkläre, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung eigentlich keine schwerwiegende Verwundung darstellt und auch keine medizinische Evakuierung rechtfertigt.

Die Pilotin weigert sich: „Nein, ich fliege danach nach Juba. Ich werde diese Leute nicht zurückfliegen.“

Wir diskutieren mit Machot und sagen ihm, er soll die Rebellen anrufen und ihnen sagen, dass wir reinfliegen, aber niemand rausfliegt. Wir sagen, wir könnten, falls nötig, später etwas organisieren. Wir lügen. Machot wird langsam zum Problem.

Die Pilotin ist nicht gerade erfreut. Während Machot auf Nuer ins Telefon brüllt, sagt sie: „Ich hab so was schon mal gemacht. Sie werden das Flugzeug überfallen, mit ihren Waffen herumfuchteln und damit drohen, mich zu kidnappen. Das hab ich mit diesen Leuten schon oft erlebt. Ich glaube, das ist keine gute Idee. Ich gehe jetzt einfach und rauche eine Zigarette. Wenn ihr das Flugzeug selbst fliegen wollt … nur zu. Denn wenn mich einer in Juba anschwärzt, kann ich einpacken.“ Sie schüttelt den Kopf. „Nein, das ist keine gute Idee. Wenn ich diese Leute mit nach Juba nehme, werden sie sie umbringen.“

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Ein Soldat auf der Ladefläche eines Toyota Land Cruisers voller abtrünniger SPLA-Kämpfer.

Machot hat aufgelegt, und sie fragt, was sie gesagt haben. „Gefreut haben sie sich nicht“, erwidert er.

Sie versucht, uns loszuwerden. „Ich kann später wiederkommen“, schlägt sie vor. „Es gibt hier ein billiges Hotel. Da könnt ihr übernachten.“

Wir machen ihr klar, dass wir jetzt rein wollen. Wir sagen Machot, er soll wieder anrufen und dafür sorgen, dass es keine Probleme gibt. Das tut er und versichert uns, dass alles in Ordnung sei. Sie haben alle Leute von der Rollbahn abgezogen. Ich sage der Pilotin, jetzt oder nie: Wenn sie das Geld haben will, fliegen wir heute; wir können es uns nicht leisten, es dauernd wieder zu versuchen. Sie braucht das Geld. Die Geschäfte sind in den letzten zwei Wochen nicht gut gelaufen. Sie macht die Zigarette aus und sagt: „Dann los.“

Wir passieren den einzigen Metalldetektor des Terminals und gehen an Bord.

Die Pilotin hat allen Grund, nervös zu sein. Sie erzählt uns, am Vortag sei ihr Flugzeug mit den Leichen von drei Leibwächtern Machars beladen gewesen. Man habe sie angeheuert, um die Toten in ihre Heimatdörfer zurückzubringen.

Um 11 Uhr ist am Boden noch nichts zu sehen, das da­rauf hindeuten könnte, dass wir die Grenze zum Südsudan überflogen haben, nur die gelegentlichen Ansammlungen von Lehmhütten lassen darauf schließen. Unsere Pilotin raucht und liest in einem Buch, während sie das Flugzeug mit Autopilot fliegt. Als wir uns Waat nähern, halten wir Ausschau nach Anzeichen von unseren Gastgebern. Waat ist eine kleine Stadt, durch deren Mitte eine unbefestigte Landepiste verläuft—ein Boxenstopp für Äthiopier, die über die Grenze wollen. Als wir näherkommen, erkennen wir lediglich eine Gruppe von Menschen, die auf der Landebahn herumspazieren. Es gibt keinerlei Anzeichen für Sicherheitsleute oder bewaffnete Männer, die uns vor einem potenziellen Überfall schützen könnten. Als wir auf knapp 100 Meter runtergehen, zerstreut sich die Gruppe. Wir landen.

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Selbst im Inneren des Flugzeugs ist die Kühle Nairobis mittlerweile verflogen. Es herrschen um die 32 Grad. Die Sonne blendet und ein schneidender Wind wirbelt Staub auf. Neugierigen Kindern folgen Frauen, die Lebensmittel auf ihren Köpfen balancieren und uns grüßen. Keine Rebellen in Sicht. Die Umgebung nach möglichen Schwierigkeiten scannend, treibt unsere Pilotin uns an, schnell auszusteigen und unsere Sachen auszuladen. Minuten später ist alles draußen auf der Piste gestapelt. „Seid vorsichtig“, sagt sie und steigt zurück ins Flugzeug. Staub und kleine Steine wirbeln auf, und weg ist sie.

Robert ergattert eine Mitfahrgelegenheit.

Während das Flugzeug langsam verschwindet, beäugen wir die Einheimischen, die uns ebenfalls angaffen. Wir haben einen eindrucksvollen Haufen an Gepäck dabei und keinen Platz, um es zu verstauen. Alsbald kommt ein Pick-up-Truck mit bewaffneten Männern angefahren, die uns begrüßen. Nicht gerade die von Machot versprochenen 100 Männer, aber besser als gar nichts. Die Ladefläche des erbeuteten NGO-Toyotas ist mit altem Blut verkrustet. Wir werfen unsere Sachen darauf, und fahren zu einem nahegelegenen Gelände.

Als wir dort ankommen, ist die Stimmung nicht gerade gut. Man bietet uns Plastikstühle zum Sitzen an, während sich die Männer um einen Plastiktisch herum versammeln und über unser Schicksal beraten. Eine fünf Zentimeter lange Grabwespe ist damit beschäftigt, sich unter dem Tisch ein Loch zu graben. Über uns schwebt ein großer brauner Adler, während Geierraben nach Futter Ausschau halten. Ein mit einer Splitterschutzweste der UN-Friedenstruppen bekleideter Soldat geht vorbei.

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Es gibt ein Platzproblem. Die vier Männer, die angeblich unter PTBS leiden, sind nicht mit dem Flugzeug zurückgeflogen. Also gibt es im Auto nach Akobo nicht genug Platz für uns alle.

Werden wir ein Auto mieten? Möglicherweise.

Eine sandfarbene Eidechse huscht über den Boden. Wir sitzen höflich da und warten.

Jemand treibt einen erbeuteten, aber voll fahrtüchtigen Rotkreuz-Krankentransporter auf. Der Besitzer will 700 Dollar Miete. Wir lehnen ab, müssen aber später feststellen, dass dies ein echtes Schnäppchen war.

Kommandant Dieu Koang Bangot berät sich mit seinen Männern. Sie entscheiden, dass wir uns alle einfach in den verbeulten grünen Toyota Land Cruiser quetschen, der uns hergebracht hat, und damit die knapp 240 Kilometer Richtung Osten nach Akobo fahren. Das Problem ist, dass wir 17 Leute sind. Wir sitzen in Viererreihen hintereinander, zwei fahren auf dem Dach mit, und das Gepäck kriegen wir auch noch irgendwie verstaut.

Die Straße führt immer gerade aus durch die trockene Savanne. Der schwarze Boden ist hart wie Stein und weist tiefe Furchen auf. Wenn der Regen kommt, wird all das zu einem undurchdringlichen Sumpfland. Jetzt ist es eine endlose, unbarmherzige Piste.

Wir fahren an noch mehr Leuten vorbei, die Waren auf ihren Köpfen balancieren. Wir befinden uns im Nuer-Gebiet und sollten den Feind nicht fürchten. Von den Pick-up-Trucks, Kalaschnikows und Uniformen abgesehen hat sich dieser Landstrich, seit er bewohnt ist, kaum verändert.

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Machot und abtrünnige SPLA-Kämpfer tragen eine erlegte Antilope.

Der Truck hält unvermutet an, und einer der Männer auf dem Dach zeigt auf etwas. Rechts von uns grast eine Herde Antilopen. Einer der Soldaten springt herunter und legt an. Peng. Die Herde zerstreut sich. Ein Tier ist verwundet, es kann den Hinterlauf nicht mehr bewegen. Wir laufen hin und sehen, wie das Blut aus der Wunde strömt. Es ist noch bei Bewusstsein. Also schlagen die Rebellen ihm auf den Kopf und treten auf seinen Hals. Dann ist es tot. Sein Körper wird auf der Motorhaube befestigt. Das wird wohl das Abendessen. Keiner der Rebellen hat etwas zu essen oder zu trinken dabei.

Die Männer sind alle Nuer, sie sind hier zu Hause. Obwohl sie SPLA-Uniformen tragen, liegen sie derzeit mit der Regierung und Salva Kiir im Clinch. Sie alle wissen von den Angriffen auf ihre Stammesbrüder, eine Situation, die die Nuer gegen ihre Dinka-Brüder aufgebracht hat.

Nach Anbruch der Dunkelheit erreichen wir Akobo. Jetzt gehören wir definitiv zu den Rebellen. Jede Menge Offizielle kommen an unserer Hütte vorbei, um uns zu begrüßen. „Heute Nacht werdet ihr Gewehrfeuer hören“, sagt einer der Herren. „Keine Angst, das sind Freudenschüsse! Nur keine Panik.“

Wir schlafen unter den Sternen, das Artilleriefeuer in der Ferne verstummt allmählich. Am Morgen vollziehen zwei Gruppen uniformierter Rebellen einen zwanglosen Aufmarsch und Appell. Sie tragen scheinbar neue Waffen, haben MG-PK-Munitionsgürtel umgehängt.

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Man erklärt uns, bei neuen Waffen, die von Flugzeugen abgeworfen werden, dient das wahllose Abfeuern von Schüssen dazu, sicherzustellen, dass die Gewehrläufe nicht verbogen sind. Ich frage, wer die Waffen liefert. Sie sagen, sie kämen über den Sudan, in eritreischen Flugzeugen.

Akobo sagt eine Menge über den Südsudan aus. Die Stadt folgt dem Fluss, der einen kurvenreichen Wasserboulevard in die Landschaft geschlagen hat. Flussschiffe, Kanus und Schnellboote säumen das Ufer, aber der Treibstoff ist knapp. Eine zentrale Allee bildet das gesellschaftliche Zentrum, auf der die Menschen auf und ab schlendern und sich zigmal am Tag Hallo sagen. Neben Regierungsgebäuden liegen große leere Schulgebäude. Die Expats und NGOs sind lange weg. Es gibt keinen Strom, die Menschen baden immer noch im Fluss und scheißen in die Felder. Wo wir wohnen, gibt es ein Plumpsklo, in dem es allerdings von Maden nur so wimmelt, was es ziemlich unbegehbar macht. Direkt vor dem Tor steht eine traurige Sammlung neuer Toyota-Trucks, die hochgebockt sind und bereits den Großteil ihrer Bauteile lassen mussten.

Das Abendessen wird auf der Motorhaube des Land Cruisers befestigt.

Auf dem zentralen Platz der Stadt weht leise eine verblichene südsudanesische Flagge. Im Büro des Kommissars summt Elektrizität—angeblich hat jemand von der US-Armee Solarzellen und Batterien installiert. Obwohl es Strom gibt, ist das Büro verschlossen, und nur bestimmten Leuten ist es gestattet, ihre Handys dort aufzuladen. Auch wenn es in der Gegend keinen Empfang mehr gibt, laufen die Leute noch gern mit ihren Handys herum, als hätten sie jemanden, mit dem sie reden können, oder etwas, über das es sich zu reden lohnt.

Spinnenweben und tote Stromleitungen verbinden die umstehenden Hütten. Zwei große Generatoren stehen ungenutzt herum. Ihre Starterbatterien sind tot. Die alten kolonialen Gebäude sind mit Graffiti und menschlichen Ausscheidungen bedeckt. Die Einheimischen ziehen ihren alten Lehmbaustil den Konstruktionen aus Zementbausteinen und Wellblechdächern vor.

Aus irgendeinem Grund ist der Markt heute geschlossen, und die Polizei hält Gruppen von Jugendlichen dazu an, nach Hause zu gehen. Der „Markt“ ist eine Ansammlung von Buden, die von NGOs errichtet wurden und in denen Kurzwaren aus Äthiopien verhökert werden. Ein Mann sitzt an einer fußbetriebenen Nähmaschine, und Kinder handeln mit Trinkpacks und Zahnbürsten.

Direkt hinter dem UN-Lager am Fluss befindet sich ein Lagerhaus. Ein weißer Lkw entlädt etwas, das nur frisch erbeutetes Mehl und Getreide sein kann. Zu seiner Ladung zählt ebenfalls eine eindrucksvolle Sammlung von Stühlen und Waren aus Plastik. Der Mann, der den Laden schmeißt, ist gut gekleidet und ein wenig unglücklich über unsere Kameras. Er verkauft Hirse aus einem großen Sack an Hausfrauen.

Zufällig begegnen wir den Soldaten, die mit uns aus Waat hergekommen sind. Sie sind stolz auf ihre Stadt. Sie sind auch recht stolz darauf, dass die UN-Mission im Südsudan weiterhin gesichert ist, nachdem in der Region vor ein paar Wochen neue Kämpfe aufgeflammt sind. Die Tatsache, dass die Mission noch nicht ausgeplündert wurde, gilt offenbar als Zeichen für ihre Kontrolle über die Umgebung.

Wir beginnen uns nervös zu fragen, wann wir hier wieder weg- und mit unserer Sache weiterkommen. Wir möchten die Gastfreundschaft der Leute hier auf gar keinen Fall überstrapaziere