FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Wir haben uns „Sissi“ nach 60 Jahren noch einmal angesehen

Österreichs höchstes Kulturgut feiert runden Geburtstag. Grund genug, um sich den Klassiker nochmal in voller Länge anzusehen.
Foto: Erna Film

„Wenn sie mich ansieht, dann setzt mein Gehirn aus. Wenn sie mit mir spricht, dann fang ich an zu stottern. Und wenn sie mich anlächelt, dann bin ich einer Ohnmacht nahe." Ich glaube, Oberst Böckel liebt Sissi fast ein bisschen zu hart, aber prinzipiell bin ich da ganz bei ihm.

Vor genau 60 Jahren, am 21. Dezember 1955, feierte der erste Teil der Sissi-Trilogie mit Romy Schneider Premiere. Seit jeher sind die Filme zu so was wie österreichischem Kulturheiligtum avanciert und finden sich regelmäßig im Feiertags-Fernsehprogramm wieder. Sissi ist für uns das, was The Sound of Music für den Rest der Welt ist. Frohlocket!

Anzeige

Ist Sissi wirklich unser aller heimlicher Lieblingsfilm? Gewiss. Ist das verwunderlich? Gewiss nicht—denn alles, was wir mit den Filmen verbinden, fetzt: Weihnachten. Gammeln. Kekse. Romy Schneider. Ferien. Weihnachten. Rumliegen. Feiertage. Wien. Manchmal Berge. Kindheit. Bessere Zeiten. Weihnachten.

Schon als ich die legendäre Sissi-Trilogie das erste Mal gesehen habe, wusste ich sofort, was mir im Leben fehlt: Eine Titelmelodie. Alles, wirklich alles wäre so viel besser mit einem Sinfonieorchester im Hintergrund, das immer ein bisschen rum fiedelt, während einem die U-Bahn vor der Nase wegfährt. Jeder noch so banale Moment würde zu einem waschechten Heimatfilm-Epos werden.

Zugegeben, in den letzten Jahren haben wir ihre kaiserliche Hoheit denkbar vernachlässigt. Zum Jubiläum haben wir uns den Sissi-Dreier aber noch mal in seiner Gänze gegeben, und siehe da: Genau wie jeden anderen Film unserer Kindheit sehen wir Sissi heute mit anderen Augen. Genauer gesagt, mit erwachsenen Porno-Augen, die jeden noch so kurzen Dialog und jedes noch so unschuldige Wörtchen sexualisieren.

Foto: Erma Film

In erster Linie besteht die Trilogie bekanntermaßen aus sehr viel „Sissi!", sehr viel „Franz!" und noch mehr „Sissi!". An dieser Stelle möchte ich mein Mitgefühl an sämtliche Fränze und Elisabeths dieses Landes aussprechen, die seit ihrer Geburt mit wahnsinnig originellen Anspielungen auf ihre Vornamen umgehen müssen.

Anzeige

Im ersten Teil wird Kaiser Franz Joseph von seiner kratzbürstigen Frau Mama um ein Gespräch gebeten, in dem sie ihm eröffnet, sie wolle ihm „eine würdige Gattin in die Arme führen". Der Kaiser—ein junger Hübschi, Vibe-technisch immer irgendwo zwischen Kavalier und Kinderschänder—fällt geradewegs in eine dreisekündige Schockstarre. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, der zieht gleich sein Coming-out durch. Yas Kween.

COME OUT SIS — Franz Lichtenegger (@FranzLicht)15. Dezember 2015

Vielleicht ist das aber auch nur ein Wunschgedanke. Im zweiten Teil (Sissi—Die junge Kaiserin) gibt es wiederum eine Szene, in der der ungarische Graf Andrássy zu einer Audienz bei Sissi antritt. Während er sie überreden möchte, an einem Empfang teilzunehmen, lässt die junge Kaiserin einen Satz los, den ich hier einfach mal so stehen lasse: „Bitte Graf Andrássy, dringen Sie nicht weiter in mich. Ich kann nicht!" Ich auch nicht, Sissi. Ich auch nicht.

Franz' Mutter Sophie ist intrigant, boshaft, kühl und hinterfotzig—eine Arschloch-Schwiegermutter wie sie im Buche steht. Aber sie ist eben auch der einzige richtige Girl-Boss der Reihe. Während alle anderen weiblichen Figuren einzig und allein danach streben, ihren Männern zu gefallen, macht Sophie einen Michelle Obama und begradigt ihren Mann sofort, als er sie „Weiberl" nennt. Sie ist wahrlich die HBIC in diesem Haus.

Sissi hingegen wird von Franz wortwörtlich als „nur eine kleine, perfekte Hausfrau" betitelt und bejaht diesen Ausspruch fast schon dankbar. Das größte Glück, das ihr im Leben widerfährt, ist die Tatsache, dass sie Franz „gefiel". Beyoncé hätte ihr schon längst eine geklatscht. Sagen wir mal so—das Frauenbild, das die Sissi-Trilogie vermittelt, verrät das Alter der Filme ziemlich schnell.

Anzeige

Aber so viele falsche Dinge wie der Film auch vermittelt, genau so viele gute Dinge kann man aus Sissi trotz allem lernen. Zum Beispiel, dass es ziemlich lustig sein kann, seine Mama zu siezen. Oder dass man seine Mitmenschen manchmal im Singular erzen und siezen sollte—der Gaude und Wir sind Kaiser halber. Generell der Majestätsplural. Oder dass nichts Gutes dabei rauskommen kann, wenn man seinen Cousin heiratet.

Foto: Erna Film

Sissi ist gerade mal 15, als sie sich den Mittzwanziger Franz Joseph angelt—wirklich, sie angelt ihn sich. Mit einer Angel. Franz Joseph ist Kaiser von Österreich und soll mit ihrer Schwester Nene verlobt werden, verschaut sich aber in die jüngere Sissi. Nach nur einem fucking Tag und zwei Dates sind die beiden verlobt.

Kurz zuvor schwadroniert Sissi noch davon, wie man denn jemanden heiraten könnte, den man nicht liebt. Gut, dass Franz nur ein paar Stunden braucht, um von „Wie heißt sie?" zu „Ich liebe dich!" überzugehen. Obwohl er sogar noch betont, dass es eigentlich nur ihr Aussehen ist, das er liebt („diese Augen, diese Lippen"), liebt Sissi ihn auch sehr schnell sehr viel. Hach.

Der wahre Held der Trilogie ist jedoch eindeutig Herzog Max in Bayern—Sissis geliebter Papa. Als dieser ein Telegramm seiner 15-jährigen (Lieblings-)Tochter erhält, in dem sie ihm schreibt, sie wäre eingesperrt worden und benötige dringend seine Hilfe, interessiert ihn das ungefähr so viel wie ein feuchter Schas: „Einmal kann i in diesem Haus machen, was i will, da soll i wegfahren? Kommt ja gar nit in Frage!" Besoffen ist er obendrein. Ein Bild von einem Hawara.

Foto: Erma Film

Mindestens gleichauf mit Max steht jedoch Franz Josephs Vater, Erzherzog Franz Karl. Alles, was er tut, ist schwerhörig sein und „Na Bravo" sagen. In Wahrheit versteht er jedes Wort, trollt also den gesamten Hof und schafft es irgendwie, damit durchzukommen. Außerdem hat auch er die meiste Zeit einen sitzen. Erzherzog Franz Karl lebt den Traum.

Was sich seit 1955 nicht verändert hat: Niemals wieder wird eine Frau so schön sein wie Romy Schneider. Ernsthaft, manchmal kann man schon gar nicht mehr hinschauen, weil sie so unfassbar gut aussieht. Wenn man zumindest halb so viel Spaß haben möchte wie Erzherzog Franz Karl, sollte man die Filme als Trinkspiel-Vorlage nutzen: Eierlikör bei jeder „Majestät". Ein Königreich für einen Damenspitz!

Franz („Franz!") auf Twitter: @FranzLicht