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Die teure und nicht regulierte Welt des Abstinenz-Coachings

Der ehemalige Bürgermeister Torontos ist der nächste Celebrity, der sich einen Abstinenz-Coach angestellt hat. Viele Experten sind jedoch der Meinung, dass so etwas nicht wirklich funktioniert.

Einmal volltanken, bitte! Foto: Andrew Russeth | Flickr | CC BY-SA 2.0

Normalerweise assoziieren wir das Wort „Coach" eher mit Fußball, Tennis oder Pick-up-Artists, aber auch in der Welt der Drogen- und Alkoholsucht gibt es sogenannte Coaches, die als letzte Instanz zwischen ihren Klienten und einem Rückfall stehen. Die Abstinenz-Coaches bieten einem dabei mehr als gewöhnliche Anonyme-Alkoholiker-Gruppierungen oder Therapien und verbringen wöchentlich Dutzende Stunden mit ihren zahlungswilligen Patienten. Im Grunde halten sie sie dabei hauptsächlich davon ab, schädliche Entscheidungen zu treffen.

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Der wohl bekannteste Abstinenz-Coach Kanadas ist Bob Marier, denn er hat Rob Ford, dem ehemaligen Bürgermeister Torontos, dabei geholfen, dessen Drogen- und Trinkgewohnheiten loszuwerden, die eineinhalb Jahre lang für Eskapaden und Ausrutscher gesorgt haben. In einer neuen VICE-Dokumentation meinte Marier: „Wenn jemand mehr als die normale Suchtbehandlung finden und sich wieder in die Gesellschaft eingliedern will, dann kann ein Abstinenz-Coach dabei eine sehr große Hilfe sein. Ford war an dieser Hilfe jedoch genauso viel interessiert wie ich an einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt."

Ein Dasein als Abstinenz-Coach kann sehr lukrativ sein, denn die Leute, die solche Dienste in Anspruch nehmen, haben im Normalfall richtig viel Geld. Berühmte Persönlichkeiten, die sich schon einmal einen Abstinenz-Coach gegönnt haben, sind unter anderem Robert Downey Jr., Owen Wilson oder Lindsay Lohan. Die meisten Coaches verlangen für eine Stunde ihrer Arbeit mehrere Hundert Dollar.

Laut Scott Jones, dem Leiter der stationären Versorgung am Canadian Centre For Addictions in Toronto, ist Abstinenz-Coaching etwas, das er seinen Patienten im Allgemeinen nicht empfehlen würde. Das liegt daran, dass Abstinenz-Coaches in Kanada keinen festgelegten Richtlinien folgen und auch keine spezielle Ausbildung absolviert haben müssen. Das hat zur Folge, dass sie das weitverbreitete und bewährte Modell der Suchtbehandlung (also die Einweisung in eine Klinik inklusive Beratungsgesprächen und Medikamenten) direkt umgehen.

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„Dabei handelt es sich um einen alternativen Weg, der vor allem die Leute anspricht, die eine möglichst wenig einschneidende Behandlung machen wollen. Sie müssen sich dafür in keine Klinik einweisen, sondern können das Ganze in den vertrauten, eigenen vier Wänden durchziehen—vorausgesetzt, der Coach ist dazu ebenfalls bereit", erklärte er mir.

Zwar können Abstinenz-Coaches Jones zufolge extrem effektiv sein, aber nur wenige Suchtpatienten sind überhaupt in der Lage, sich eine solche Behandlung überhaupt zu leisten. Außerdem bezeichnete er das Ganze als „zweischneidiges Schwert", da gut betuchten Klienten die Entscheidungsfindung abgenommen wird und das Ergebnis komplett von der „Aufrichtigkeit der betroffenen Person" abhängt, die einen Weg aus der Sucht finden will.

Eine weitere Sorge ist auch, dass Abstinenz-Coaches, die vor allem von Profitgier angetrieben sein könnten, ihren Klienten vielleicht nicht die bestmöglichen Mittel und Fähigkeiten aneignen, damit diese auch nach dem Ende der Behandlung nicht wieder rückfällig werden.

Jones verglich Abstinenz-Coaches mit den sogenannten Sponsoren der Anonymen Alkoholiker, also ehemaligen Suchtkranken, die das 12-Schritte-Programm bereits hinter sich haben und für Neulinge als eine Art Mentor fungieren. Der Arzt merkte jedoch auch an, dass bei den Anonymen Alkoholikern keine finanziellen Motive ins Spiel kommen.

Stephanie Venneri, eine Programm-Managerin bei der kanadischen Organisation Breakaway Addiction Services, meinte zu diesem Thema: „Ein Sponsor hat den Entzug bereits hinter sich. Meiner Meinung nach basiert darauf auch der Erfolg von Organisationen wie den Anonymen Alkoholikern, denn die Mitglieder haben schon selbst Suchterfahrungen gemacht. Bei vielen ‚Abstinenz-Coaches' ist das nicht der Fall. Ich bin mir nicht mal sicher, was genau sie überhaupt dazu qualifiziert, als Abstinenz-Coach zu arbeiten."

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Als wir die Anonymen Alkoholiker direkt um eine Stellungnahme zum Thema Abstinenz-Coaching baten, meinte ein Zugehöriger, dass dieses Prinzip bei den meisten Leuten nicht funktionieren würde, da der Wunsch eines Suchtkranken nach dem Ende der Sucht „nicht von innen kommt."

„Sponsoren machen ihren Job, weil ihnen etwas daran liegt und weil sie das Ganze selbst schon mal durchgemacht haben. Sie verlangen dafür kein Geld. Jeder Mensch, der dafür bezahlt werden will, anderen Menschen beim Kampf gegen die Sucht zur Seite zu stehen, nutzt die Tatsache aus, dass diese Menschen sich ihrer selbst nicht mehr sicher sind. Genau aus diesem Grund wird das Ganze auch nicht funktionieren."