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Krise in der Ukraine

Wer erschoss die Demonstranten in Kiew?

In einem abgehörten Telefongespräch erwägt der estländische Außenminister, dass es sich bei den Scharfschützen auf dem Maidan um von der Opposition beauftragte Provokateure handelt.

Urmas Paet, der Außenminister Estlands

Die estländische Regierung hat die Echtheit eines am Mittwoch geleakten Telefonats bestätigt, in dem zwei hochrangige Politiker die Möglichkeit diskutieren, dass die Scharfschützen in Kiew, die sowohl Polizisten als auch Demonstranten ermordet haben, von der ukrainischen Oppositionsbewegung angeheuert worden sein könnten—und nicht, wie bisher vermutet, von der Regierung Wiktor Janukowytschs.

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In der gehackten Unterhaltung vom 26. Februar sprechen Urmas Paet, der estländische Außenminister und Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, über Behauptungen, dass es sich bei den Scharfschützen um vom Euromaidan beauftragte Provokateure handelte.

Paet sagt in dem Telefonat: „Es gibt im Moment eine immer stärkere Übereinkunft darüber, dass es nicht Janukowytsch war, der hinter den Scharfschützen stand, sondern jemand von der neuen Koalition.“

Der Minister erklärt, dass seine Informationen von einer Frau namens Olga stammen. Es handelt sich um die Euromaidan-Ärztin Olga Bogomolets, von der auch in den russischen Medien berichtet wurde und die während der Revolution dabei half, Verletzte zu versorgen.

„Außerdem war es verstörend, dass, wie diese Olga ebenfalls erzählte, die von den Scharfschützen getöteten Menschen—Polizisten und Leute von der Straße—nach der jetzigen Beweislage von denselben Scharfschützen getötet wurden“, sagt Paet.

Olga Bogomolets hat in einem Interview mit dem britischen Teleghraph mittlerweile dementiert, dem estländischen Minister gegenüber diese Aussage gemacht zu haben. „Ich selbst habe nur Demonstranten gesehen. Ich weiss nicht, welche Art Wunden das Militärpersonal erlitten hat“, erzählt sie dem Telegraph. „Ich habe keinen Zugang zu diesen Leuten.“

Das geleakte Telefonat zwischen Urmas Paet und Catherine Ashton

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Auch wenn unklar bleibt, warum der Minister glaubt, die Ärztin habe ihm das erzählt, bestätigte Paet die Echtheit dieses Anrufs in einer Erklärung des estländischen Außenministeriums. „Es ist äußerst bedauerlich, dass Telefonate abgehört werden“, hieß es darin. „Dass dieser Anruf geleakt wurde, ist kein Zufall.“

„Außenminister Paet hat einen Überblick von seinen Eindrücken aus Kiew gegeben und seine Besorgnis um die Situation vor Ort geäußert. Wir weisen die Behauptung zurück, dass Paet eine Einschätzung darüber gegeben hätte, ob die Opposition an der Gewalt verwickelt sei“, lautete die Stellungnahme weiter.

Für das Leak hat sich bislang niemand verantwortlich erklärt. Das erste Video, das unter dem Namen Michael Bergman auf YouTube gestellt wurde, war den „gegenüber dem abgesetzten Präsidenten Wiktor Janukowytsch loyalen Beamten des ukrainischen Sicherheitsdienstes“ gewidmet.

Anfangs waren es vor allem russische Nachrichtenquellen, die über das geleakte Telefonat berichteten. Wenn die Angriffe der Scharfschützen, die weltweit auf breiter Front verurteilt wurden, tatsächlich der Übergangsregierung zugeschoben werden können, würde dies die ehemalige pro-russische Regierung zumindest teilweise entlasten.

Außerdem würde es die weit verbreitete Behauptung Russlands untermauern, dass sich die Opposition aus faschistischen Extremisten zusammensetze, die sich auf den Kiews Straßen herumtreiben und nur darauf warten, Russen angreifen zu können.