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Mit dem Saufen aufhören ist ziemlich großartig!

Vor Jahren habe ich aufgehört Alkohol zu trinken, da ich lieber mit einem klarem Kopf aufwache und keine Lust auf alkoholinduzierte existenzielle Krisen habe. Und wie geht es gerade deinem Kater?

Es gab keinen besonderen Vorfall, der mich zur (fast) Nicht-Trinkerin machte. Ich mag einfach nicht, wie es sich anfühlt, betrunken zu sein, denn Alkohol macht mich traurig und ängstlich, und außerdem wird mir schlecht. Selbst während meiner Studententage war ich nie eine große Trinkerin, da ich schon immer ein Leichtgewicht war und bereits nach nur zwei Bier ziemlich wacklig auf den Beinen stehe. Aber mit der Zeit habe ich eine großartige Entdeckung gemacht: Die Fähigkeit sich passiv zu besaufen, indem man die süßlich nach Kotze riechenden Ethanoldämpfe der Betrunkenen um einen herum einatmet, ist eine der wunderbarsten Fähigkeiten, die ein Mensch überhaupt entwickeln kann. Tatsächlich würde ich, als jemand der beide Arten des Besoffenseins erlebt hat, so weit gehen, zu sagen, dass sich wirklich zu besaufen im Allgemeinen total überschätzt wird.

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Warum? Weil für mich und viele andere, die keine Lust haben, sich andauernd vollkommen abzuschießen, das Passivbesoffensein ein viel besserer Weg ist, um gut durch die Nacht zu kommen. Du kannst ein paar Drinks nehmen (in meinem Falle reicht einer) und anschließend einfach mit dem Strom gehen. Du kannst dir sogar einbilden, dass  in deinem Hirn ein chemischer Prozess abläuft. Glaub einfach an die Kraft der Osmose, und es wird funktionieren.

Dich richtig zu besaufen kann dich (ja, genau dich) auf den Entwicklungsstand eines achtmonatigen Säuglings zurückwerfen, dem das Sprechen schwer fällt, während ihm unglaublicher Schwachsinn in Form dahin gelallter Worte aus dem Mund fließt wie Babybrei. Noch schlimmer ist der nächste Morgen, wenn du es, halbblind wie du bist, mit Glück noch rechtzeitig zum Klo schaffst, um dich in großen Schwällen zu übergeben. In solchen Augenblicken—ich spreche aus Erfahrung, auch wenn es sich bei mir nur um das Ergebnis von vier oder fünf Coronas handelte—sieht die Welt mit einem Mal ganz anders aus. Und zwar schlecht. Plötzlich kriechen die Erinnerungen an all die falschen Entscheidungen, die du je getroffen hast, wie kleine, fiese Spinnen in dein Hirn und überzeugen dich davon, dass du ein verdammt schlechter Mensch bist.

Solche Horrortrips gehen vorbei. Kein Kater dauert ewig, wirst du jetzt sagen, aber wenn du eine Chance hättest, diese schmerzhaften Existenzkrisen zu vermeiden, warum solltest du das nicht tun? So viele Leute, die ich kenne, verbinden einen wirklich guten Abend damit sich „mega“ besoffen oder „total weggeschossen“ zu haben. Ich frage mich dann immer: Habt ihr keine Angst, dass ihr eure Zeit vergeudet?

Aber vielleicht verstehe ich diese Sache bloß nicht. Diese Sache, die mich in den Augen all derer, die sich leidenschaftlich gerne besinnungslos saufen, unglaublich langweilig erscheinen lässt. Die Sache, die meine Freunde dazu bringt, mich als andere-nicht-verurteilende Nicht-Trinkerin um elf Uhr abends doch noch dazu überreden zu wollen einen zu trinken, obwohl ich die nötige Bettschwere längst erreicht habe und möglichst schnell nach Hause will, um mir eine Folge von The Good Wife anzusehen. Meine eigenen Erfahrungen mit Alkohol und anderen Betäubungsmitteln, die manchmal gut, aber selten wirklich gut waren, haben mich nicht wie andere Leute dazu bringen können zu glauben, dass vorübergehendes Vergessen und den Verlust von Zeit etwas Positives ist. Diese Welt ist im Arsch, und wenn wir uns nicht wenigstens besaufen können, um zu vergessen, was um uns herum passiert, was sollen wir bitte dann tun?

Mit fast dreißig kann ich sagen, dass all die sich regelmäßig betrinkenden Menschen, die ich kenne, inzwischen nur noch eine Sache verbindet: ein schlechtes Gewissen. Früher waren es wilde Nächte und mal witzige, mal peinlich berührte SMS am Morgen danach. Jetzt ist da nur noch das schlechte Gewissen.

Das schlechte Gewissen mag sich erst nach einer Nacht voll alter Witze, ungeschickter Knutschereien und nach Schweiß und Nikotin riechendem Sex einstellen. Aber es stellt sich ein. Immer. Und am nächsten Morgen wollen sie am liebsten nur noch raus aus ihrem dehydrierten, vom schlechten Gewissen zerfressenen Körper. Aber was willst du diesen Leuten sagen? Dass sie endlich damit aufhören sollen, sich zu benehmen als wären sie gerade mit der Schule fertig und damit in einem Alter, in dem ihr Körper die Unmengen von Alkohol, die sie in sich hineinschütten, noch relativ mühelos verkraftet? Nein. Denn egal, wie du es ausdrückst, wirst du doch immer nur klingen wie irgendein Langweiler, der sich aufspielt wie eine besorgte Mutti.

Ein Teil von mir denkt sogar, dass ein paar Drinks zu Beginn des Abends durchaus OK sind, weil sie dabei helfen können, die angespannte Stimmung zu vertreiben. Und ich bin mir auch durchaus im Klaren darüber, dass viele Leute, die diesen Artikel lesen, Sachen denken werden wie: Mein Gott, ist die langweilig oder jetzt entspann dich mal, aber das ist mir egal. Ich bin ganz zufrieden damit, langweilig zu sein. Die Leute können machen, was sie wollen, und ich kann versuchen eine entspannte und witzige Person zu sein, die an einem Abend an der Bar bis zu einem gewissen Punkt mit ihnen mithalten kann. Und während mich der Gedanke, was ich verpassen würde, wenn ich vor Mitternacht nach Hause ging, wenn alle anderen erst richtig anfingen, früher fast wahnsinnig machte, habe ich heute kein Problem mehr damit. Und es stört mich auch nicht, dass mein persönliches Highlight eines Freitagabends darin besteht, im Bett zu liegen und mir irgendeine Serie reinzuziehen. So vergeude ich wenigstens nicht meine Zeit.