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I want to be old—Neil Young and Crazy Horse in der Stadthalle

Das Problem ist nicht Neil Young—es sind seine Fans.

18:30. Ich und einer meiner Lebensmenschen, der Toni, treffen uns vor dem Konzert auf einige „Crazy Horse“-Humpn im Wiener Kultcafe Weidinger. Als ich dort eintreffe, sitzen schon ein paar zwielichtige Althippies in den Ecken. Einer trägt das gleiche My Bloody ValentineT-Shirt wie ich. Peinlich ist das Leben. So ist das Cafe überfüllt, der neue Kellner völlig überfordert und ich durstig. Wie immer in solchen Situationen verzieh ich mich erstmal aufs Häusl um auszuspannen.

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Der Toni und ich verquatschen uns prompt. Immerhin haben wir zwei Leben zu besprechen. Keine meiner Verbalwellen könnte Tonis innere Ruhe stören. Im Minimalstil geht er auf meine Tiraden ein und stimmt mir ähnlich stoisch zu wie Ralph Molina, der Schlagwerker von Crazy Horse, den Schlaglümmel bearbeitet. Deswegen ist der Toni ein begabter Gitarrist, der ein stumpfes Riff in alle Ewigkeit durchspielen kann, selbst wenn neben ihm die Welt explodiert. Außerdem ist er ein talentierter Autofahrer. Sein Cousin ist einmal auf dem Österreich-Ring im Porsche-Cup-Rennen auf Rang sechs gefahren. Ich war dabei, der Toni auch und Tobias Moretti war Gastfahrer im Cup.

Die Weltexplosion. Eine Explosion, vor der Neil Young seit 45 Jahren auf seinen Tonträgern warnt. Nimmt man seine Zeit bei Buffalo Springfield und vorher dazu—seit 55 Jahren. Seit 50 Jahren warnt uns Young mit seiner oidn Schrottklampfn vor dem sicheren Exitus.

„Los Toni“ sage ich, „als erstes spielt er ,Love and only love‘. Davon darf ich nichts versäumen.“

Ich geh nochmal brunzen und wenig später stehen wir schon vor der gemeinen abgefeimten Wiener Stadthalle mit dem Katastrophenbad und der Eisrevue, in die mich meine Oma als ich Kind war immer mitgenommen hat. Nett von ihr.

DAS PROBLEM IST NICHT NEIL YOUNG SONDERN SEINE FANS

Vom Eintritt in die Stadthalle an angeekelt und paranoid (der Sicherheitsdienst findet wieder mal alles im Rucksack—nur nicht das, das er finden sollte) sinkt mein Stimmungsbarometer auf minus 12. Die alten verfaulenden Hippies wirken wie Tote in einer überdimensionalen Mac Donalds-Filiale auf mich. Sie sind jederzeit gewaltbereit—was der Toni und ich sofort am eigenen Leib zu spüren bekommen, als wir versuchen, ein paar Plätze zur Bühne hin gut zu machen, weil man hier nichts, aber auch gar nichts sieht, bedrohen sie uns mit dem Leben, wenn wir uns nicht sofort schleichen. Bald kommt schließlich der Messias! Und dafür zahlen die siebzig Nocken Eintritt damit sie sich nach dem Konzert die Eintrittskarte auf die Saphire ihrer 44.000 Euro-Plattenspieler schmieren können um danach drauf zu wichsen. So wirken diese gewalttätigen Heroin-Hippies, als ich panisch die Flucht in Richtung Rand ergreife, damit sie mich nicht abstechen, die Alten. Peace and love Mr. Young.

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Beim letzten Konzert war es noch das scheußliche Austria-Center, das damals fast eingestürzt wäre, und sie Young zwingen wollten, das Konzert abzubrechen, nachdem der Meister „Hey Hey My My“ angestimmt hatte, was Young verweigerte und alle Omas und Opas auszuckten, Young als Helden abfeierten. Und nun die scheußliche Stadthalle: vollgestopft mit scheußlichen Neil Young-Fans, die andauernd eierschaseln.

Die Lust auf ein Konzert ist mir in den Blähwinden der Bohnenschasler längst vergangen. Als sich der Meister auf die Bühne begibt und das Set mit „Love and only love“ beginnt, merk ich, wie die Pillen wirken. Zufrieden stiere ich auf den Riesenflatscreen darüber sinnierend, dass es eigentlich mehr brächte, sich diesen pseudo-„Save the Earth“-Quatsch auf YouTube reinzuziehen.

EIN KONZERT WIE EIN MAC-RIBBON

Mr. Young sollte wissen, dass der gesamte Rock-Zirkus auf Umweltverschmutzung aufgebaut und seine 50- bis 70-jährigen Fans nach einem Young-Konzert bei einem Mac-Ribbon besprechen, wie toll „Cortez the Killer“ heute mal wieder war, während ihnen die Mayonnaise durch die fettigen Finger auf ihr „Indianer-Crazy-Horse-Buffalo-Go-Home“-T-Shirt tropft.

Bei „Goin Home“, einem meiner Lieblingssongs vom republikanisch-angehauchten Are you passionate? Album aus dem 2002er-Jahr, als Young sich einbildete wegen 5000 verdampften Wall-Street-Bankern ein weiteres God Bless America Album machen zu müssen. Auch Dylans allzeit überschätztes „Blowin in the wind“ gerät an diesem Abend zur grotesken Farce. Young wirkt lustlos, spult das Programm angewidert runter. Wahrscheinlich braucht er Geld, denn sein neuer „Pono-Player“ scheint nicht der ganz große Renner zu werden. Mit Platten lässt sich nichts mehr verdienen, also raus zu den Alt-Demokraten, die sich während der Konzerte—wenn der Meister „Heart of Gold“ spielt—daran erinnern, wie es war, auf Lsd in der Wiese 1972 einen geblasen zu bekommen und dazu CCR zu lutzn.

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1974 ist das Erscheinungsjahr des besten Young- Albums On the Beach. Als Folge der Harvest Depression. 1975 das beste Neil Young and Crazy Horse-Album Tonight’s the Night—beide Alben als Reaktion auf den Heroin-Tod des Horse- Gitarristen Danny Whitten, einer Art Ayrton Senna der Band, den Young am Tag seines Todes aus der Band feuerte. Vorher drückte er ihm noch 50 Dollar und ein Flugticket nach Los Angeles in die Hand. Er schob Whitten quasi ab, worauf der sich einen tödlichen Cocktail aus Valium und Alkohol mixte. Vorher aß Whitten noch einen Mac- Ribbon-Deluxe (kleiner Scherz).

In den Achtzigern kam Young—wohl zeitweise geistig verwirrt von den Pillen—auf die Idee den Schauspieler Ronald Reagan beim Wahlkampf und seinem völlig verblödeten „Star-Wars-Nuklear-Alptraum-Programm“ zu unterstützen. Wenn sich Kurti Koban zu sowas die Kugel gibt, so soll das seine Sache bleiben. Kein Grund deswegen mit Eddie Vedder auf die Bühne zu gehen.

Die Suite in der Stefanie und ich am Wochenende vor dem Konzert übernachtet haben, hieß übrigens „Crazy Horse“. Zufall?

Den weiteren Verlauf des Konzertprogramms entnehmen Sie bitte der lokalen Tagespresse.

Happy Sonic Youth noch!

Als Soundtrack zu diesem Artikel empfehle ich den genialen unsterblichen Wesley Willis mit seinem Klassiker: „Rock´n´Roll-Mac Donalds“

Genauso kam ich mir gestern beim Altrepublikaner-Treffen vor: Wie in der ersten „Rock´n´Roll-Filiale“ von Mac Donalds, dem neuen Pedant zum allseits beliebten „Hard-Rock-Cafe“.