Peter Blasser ist der verrückte Professor der Synthesizer

Peter Blassers selbstgebaute Synthesizer sind Exoten ihrer Gattung. Alle Knöpfe und Schalter haben Einfluss auf das „Drum und Drama“, das er ausspuckt, aber welcher was bewirkt, vermag er selbst nicht mehr zu sagen. Diese wundersamen Gerätschaften sind etwas für Freaks, Sound-Fetischisten und Tüftler, wie Peter Blasser selbst einer ist. Ciat-Lonbarde ist der Name seiner Firma in Baltimore, wo er lange Zeit zum Spaß und mittlerweile auch für Geld an seinen Geräten tüftelt. Die meisten seiner Kunden hält er geheim, doch wir konnten das DJ-Duo Matmos bei ihrem Auftritt in Berlin als Kunde der limitierten Edition der Sidrassi Orgel ausfindig machen. Neben Matmos nutzen außerdem Bands wie Metalux, Nautical Almanac, Brown Wing Overdrive und Hans Grusel‘s Krankenkabinett seine Instrumente. Früher baute er seine Instrumente aus Holz und Blei von der Mülldeponie, jetzt benutzt er Kupfer und Holz von schwarzen Maulbeerbäumen.

Sidrassi Organus

In einem seiner Videos, Fish Guts, sieht man zum Beispiel wie fliegende Flussforellen den Sound seiner Sidrassi Orgel bestimmen und verändern. „Lass uns die Fische frittieren und damit Musik machen,“ sagt er im Video. Es ist wie eine abgedrehte, japanische Game Show in Blassers musikalische Küche. Eines ist aber sicher: Fischgräten sind der Hammer!

Taucht mit uns in die Klangwelt eines verrückten Professors, dessen Produkte einigen Größen im Musikgeschäft viel Geld wert ist, bei dessen Verarbeitung Blasser seine ganz eigene Philosophie verfolgt.

Hast du wirklich mit dem Gehirn eines Oktopus gekocht? Ich habe die „Chef Peter B. von Balto“- Einladung zur Dinner Party von 2008 gesehen. Welch ein Menü!
Naja, bei der Party ging es um den ganzen Oktopus. Das Oktopusgehirn kam erst ins Spiel, als ich aus Versehen ein Stück davon gegessen hatte und bemerkte, dass es eine leicht-psychotropische Wirkung auf mich hatte. Du bist, was du isst.

Namastitar

Der ägyptische Osiris-Mythos inspirierte dein Schaffen und die Akzeptanz von Unperfektion. Ist denn überhaupt ein Instrument perfekt gebaut?
Osiris wurde von seinem Bruder zerstückelt, doch Isis hat ihn wieder zusammengesetzt. Sein Penis war jedoch unauffindbar, also benutzten sie einen Krokodilpenis. Das ist mein Mantra: der Krokodilpenis. Ja, kein Instrument ist perfekt gebaut, du musst am Ende immer einen Krokodilpenis mit einarbeiten. Osiris Geschichte kann man auch so verstehen, dass er depressiv wurde, ein Schwarzmaler, schwarz wie Blei. Und ich meine, es gibt auch einen antik-ägyptischen Sarkophag aus Blei oder so. Jedes mal, wenn die Alchemisten Blei erwähnen, höre ich ganz genau hin, denn jahrelang habe ich meine Instrumente mit Blei zusammengeschweißt. Jetzt benutze ich es natürlich nicht mehr. Früher war es Standard, doch jetzt verschweißt man mit Zinn, Silber oder Kupfer—ein weit gesünderer Mix.

Ich habe gelesen, die Datura-Blume, auch bekannt als Engelstrompete, inspirierte dich zu Ciat-Lonbarde. Wie denkst du heute darüber?
Meine ganze Werkstatt ist mit ihr zugewachsen. Sie ist äußerst hübsch und trägt große, kräftige Blätter und bei Nacht eine große, weiße Blüte, die herrlich duftet. Der Westen Baltimores ist ein kulturelles Laboratorium. Man hat die Gegend erforscht, wir sind umgeben von Dreck. Aus den angrenzenden Müllbergen weht ein Geruch von Verwesung herüber, da brauchen wir die Datura-Blume, um den Gestank fernzuhalten. Ihre Wurzel, wenn Ratten sie anknabbern, bewirkt fürchterliche Halluzinationen, also hält sie uns sogar die Ratten vom Leib.

Datura-Blume

Hast du erst 2008 mit dem Bauen von Instrumenten begonnen? Womit hat das alles angefangen?
1996, müsste es gewesen sein, da habe ich begonnen, Lauten, Gitarren und sowas zu machen. Eigentlich ging es da um Nachbauen antiker Leiern und Kitharas. Erst im Jahr 2000, gegen Ende meines Studiums, begann ich Synthesizer zu bauen. Für die ersten benutzte ich große Stücke von Treibholz als Grundlage. Leider gibt‘s die nicht mehr.

Welches ist dein Lieblingsvideo von allen, die du bisher gemacht hast? Ich habe einige auf Youtube gesehen.
Die, die meinen Sohn als Darsteller zeigen. Zum Beispiel: Mulberry.

Welche Musiker experimentieren mit deinen Instrumenten, abgesehen von Matmos?
Ich möchte eigentlich keine Namen nennen, ist irgendwie schlecht für‘s Geschäft. Meine Kunden wollen lieber unbekannt bleiben. Es sind eine Menge guter Leute von überall auf der Welt. Die Interessantesten für mich sind nicht mal die Musiker, sondern die, die an neuen Schnittstellen basteln, also neue Wege finden, mit dem System zu kommunizieren: die Designer vom „Roadside Bomb Detector Interface“ zum Beispiel, Designer und Tester an medizinischen Schnittstellen, forschende Neurowissenschaftler, etc.

Was hältst du von der Unterscheidung zwischen analog und digital? Gibt es da überhaupt einen Unterschied?
Es gibt da einen Unterschied, aber die Frage ist berechtigt. Am Ende ist das alles eine Folge von etwas ganz anderem. Doch ich empfinde digital als Nachahmung und analog ist, nun ja, es werden keine Daten irgendwo abgelegt. Es fließt einfach durch, als wäre der Strom selbst flüchtige Information, die gesamplet oder an einem bestimmten Punkt betrachtet wird, wie bei einem Audio-Output.

Aus welchem Material bestehen deine Instrumente, abgesehen von Baumholz, das von Blitzen abgespalten wurde? Du arbeitest mit dem Holz von Maulbeer-, Wallnuss-, Sassafras- und Trompetenbäumen, oder?
Die Schaltkreise sind aus Blei. Ansonsten fokussiere ich mich auf die vier Baumsorten, die du gerade angesprochen hast. Ich versuche auch nur aus meiner Umgebung Holz zu beziehen, weil ich mich mit ihr verbunden fühle. Eine Zeit lang habe ich das Holz auch containert, das kam aus der ganzen Welt. Jetzt kaufe ich das Holz von einem Förster im ländlichen Teil von Maryland, Jeremy heißt er.

Du hast das Deerhorn Theremin gestaltet, das ist irgendwas Spirituelles in der Natur. Hast du das Gefühl, dass du damit etwas Unsichtbares visuell zugänglich gemacht hast?
So in etwa, anfangs war es sehr groß und musste noch aufgehängt werden, doch ich habe jetzt auch versucht, es im Taschenformat anzufertigen.

Wie möchtest du den Plumbutter aufrüsten?
Kaum. In der Produktion werde ich zur neuen Holzverarbeitungs-Technik wechseln. Da brauche ich bloß die Formen in einem Programm anlegen und die Maschine schneidet mir das dann zurecht. Das erspart mir die mühsame Sklavenarbeit, alle Löcher von Hand in das Holz zu bohren.

Plumbutter

Warum hast du dich für Baltimore und Cleveland als psychographische Karte für den Plumbutter entschieden? Gibt es zwischen den beiden Städten auch Spannungen?
Gute Frage! Es sind beides solche post-industriellen Städte, die eine düstere Atmosphäre umgibt. Providence ist noch so eine interessante und gleichzeitig düstere Stadt. Ich denke, in jeder Stadt gibt es Spannungen und eine Verbindung zwischen dem Kern der Stadt und seinen Vororten, oder zwischen Arm und Reich. Die Fabrik arbeitet zudem sehr rhythmisch und Vorstädte haben diese organische Atmosphäre, dabei sind sie stark reglementiert. Doch auch die Natur, Flüsse und Berge, repräsentieren irdische Spannungen, die nicht so einfach auf dem Blatt festzuhalten sind. Das ist wie die Frage nach den analogen und digitalen Eigenschaften, nicht so einfach aufzulösen.

Plumbutter

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