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Wie Schweizer Skigebiete ihre Gäste überwachen

Ein kleiner Satz in den AGB reicht aus, um Kameras einzusetzen.
Collage von VICE Media

Skifahrer werden überwacht. Wer mit einem Tagesticket den Skilift benutzt, wird in gewissen Regionen fotografiert. Das Foto wird zum Abgleich mit anderen Personen in einer Datenbank abgelegt. Was sich merkwürdig anhört, ist in manchen Schweizer Skigebieten bereits Realität. Von heimlich geschossenen Fotos bis zur Videoüberwachung haben Schweizer Skiliftbetreiber alles in petto.

Ein Bekannter von mir hat mich auf die Überwachung aufmerksam gemacht. Gemeinsam mit seiner Frau fuhr er zum Skifahren nach Hoch-Ybrig. Auf dem Parkplatz angekommen, bot ihm ein Abreisender seine Tageskarte an. Die Karte sei noch den ganzen Tag gültig, aber der Mann müsse jetzt los. Mein Bekannter nahm das Angebot dankend an und nachdem seine Frau noch eine weitere Tageskarte gelöst hatte, ging es ab auf die Piste. Nach einigen Abfahrten folgte die Überraschung: Das Drehkreuz verweigerte den Durchgang und ein Angestellter forderte ihn mit einem "Sie da, Halt, Stopp" auf, zum Schalter mitzukommen.

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Dort wurde mein Bekannter mit einer Aufnahme des ursprünglichen Kartenbesitzers konfrontiert. Die Bergbahnangestellten wollten wissen, woher er sein Ticket habe. Er erzählte von seiner Parkplatz-Begegnung, woraufhin man ihm zu seiner Verwunderung ein weiteres Foto vorlegt, auf dem er selbst zu sehen ist, wie er am Drehkreuz steht. Ein Angestellter habe bei der Gesichtserkennung bemerkt, dass mein Bekannter nicht der rechtmässige Besitzer der Tageskarte sei. Um das festzustellen, haben die Skiliftbetreiber beide Gäste fotografiert. Dieses Vorgehen ist in der Schweiz weit verbreitet.

Gemäss einer Recherche der Zeitschrift saldo, überwachen 20 bis 30 Prozent aller grossen Skigebiete ihre Kunden regelmässig beim Zutritt zum Skilift durch teilweise heimlich geschossene Fotos. Auf meine Nachfrage beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlickkeitsbeauftragen EDÖB, ob dieses Vorgehen mit dem Datenschutz vereinbar sei, antwortet dessen Sprecher Francis Meier: „Es ist zulässig, Fotovergleich-Systeme für Zutrittskontrollen zu verwenden. Der Betreiber muss die Kunden aber vorgängig darüber informieren, dass sie fotografiert werden." Er ergänzt, dass diese Systeme nur bei Karten mit mittlerer oder langer Gültigkeitsdauer eingesetzt werden sollten.

Foto: CC0 Public Domain

In einem Gespräch mit dem Ferien- und Sportzentrum Hoch-Ybrig erfahre ich, dass die Information über die Kontrolle in den AGB zu finden ist. Und siehe da, unter Punkt 2.3 „Missbrauch / Fälschung" finde ich folgenden Text: „Alle Tickets werden bei den Drehkreuzen automatisch kontrolliert. Zusätzlich erfolgen Sichtkontrollen."

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Mit diesen zwei Sätzen wird die Foto- und Videoüberwachung legitimiert, obwohl die Anwendung dieser Hilfsmittel mit keinem Wort erwähnt wird. Die effektive Gesichtskontrolle erfolgt dann durch die Mitarbeiter, die die Bilder miteinander vergleichen—eine automatische Prüfung per Software wird noch nicht angewendet.

Mit dem Kauf eines Tickets gibt der Gast den Bergbahnen (gemäss des obigen Paragraphen der AGB) automatisch grünes Licht, ihn zu fotografieren. Ein kleines Kamera-Symbol beim Eingang oder eine Zeile in den AGB reichen aus, um alle Gäste systematisch digital zu überwachen.

Die Geräte, mit deren Hilfe diese Kontrollen vorgenommen werden, stammen vom österreichischen Unternehmen SkiData, welches sich auf solche Einlasskontrollen spezialisiert und den Skigebieten die dazugehörige Technik anbietet. Beim Passieren des Drehkreuzes werden die Gäste von einer im Gehäuse integrierten Kamera erfasst. Diese fertigt bei jeder weiteren Liftnutzung ein zusätzliches Foto an, das dann auf dem Bildschirm des zuständigen Mitarbeiters erscheint.

Die Fragen, wann und wie die Bilder wirklich wieder gelöscht werden und ob daraus sogar Bewegungsprofile erstellt werden, beantwortet Sprecher Francis Meier so: „Erstens müssen die Daten nach der Kontrolle gelöscht werden. Zweitens dürfen die Bewegungsprofile nur erstellt werden, wenn die betroffenen Personen vorgängig ausdrücklich eingewilligt haben. Drittens ist für die Aufsicht der EDÖB zuständig."

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Er werde gemäss Gesetz dann tätig, wenn es Hinweise gebe, dass eine Datenbearbeitung eine grosse Anzahl Personen in ihrer Persönlichkeit verletzen könne. Vor ein paar Jahren habe er in diesem Zusammenhang eine Skistation überprüft, die ihre Gäste mittels Fotoabokarten kontrollierte.

Im entsprechenden Bericht schreibt der EDÖB, dass bei der betreffenden Skistation mehrere Mängel bei der Umsetzung des Datenschutzes festgestellt wurden. Einige der Mängel lagen im zur Kontrolle verwendeten System selbst, andere darin, dass betroffene Personen zu wenig über die Verwendung der Daten—etwa bezüglich Löschfristen oder der Vergabe von Zugangsberechtigungen–informiert wurden. Mittlerweile habe das Skigebiet sämtliche geforderten Änderungen vorgenommen.

Foto: summonedbyfells | Flickr | CC BY 2.0

Um welches Skigebiet es sich hierbei handelt, ist nicht ersichtlich. Dennoch überwachen diverse Regionen ihre Kunden weiterhin bereits ab dem Kauf einer Tageskarte. Schweizer Bürger sind zwar vor dem Missbrauch persönlicher Daten durchs Gesetz geschützt, trotzdem besteht derzeit kein Recht des Einzelnen, grundsätzlich über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Den Skigebieten lässt sich kaum vorwerfen, dass sie sich gegen Betrug absichern wollen. Sofern sie sich an die aktuelle Rechtslage halten, machen sie damit nichts falsch.

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