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Vice Blog

I Want My Berlinale

Man darf die Berlinale, nicht denen überlassen, die Sie mögen. Die Deppencineasten schweigen nämlich vom Schund - nur übersehen bisweilen die Perlen.

Was die Mehrheit der Berliner Hobbycineasten nämlich verschweigt: Man bekommt auf der Berlinale auch so manchen Schund vor Augen. Etwa den australischen Western „Red Hill“ der, Anklagepunkt 1 das gleiche Lied wie „Beds are burning“ der schlimmen „Aussie“-Band Down Under anstimmt. Und der zudem, Anklagepunkt 2, derart vorhersehbar, dünn und in jeder Hinsicht überzogen in Erscheinung tritt, dass man trotz viel Gewalt, Blut und Grausamkeit peinlich berührt lachend bis gähnend in die Kinosessel gleitet.

Also steht der Teufel höchstpersönlich im örtlichen Motel, trägt einen bodenlangen Trenchcoat, Vollbart und Pumpgun zum halb verbrannten Gesicht. Schlendert erstmal lässig zur Jukebox, in die er Münzen plocken lässt, und wählt, 4614, ein Stückchen Hard Rock um alsbald dem greisenhaften Besitzer des Motels eine Kugel durch den Körper zu jagen. Und nicht nur dem. Die Dorfbewohner wehren sich verzweifelt, aber offenbar mit Spielzeugmunition. Anders ist nicht zu erklären, warum ihre leer geschossenen Magazine nichts, aber auch wirklich nichts anrichten. Nichts anrichten, das tut auch der sehr jungenhaften Hilfssheriff Shane Cooper, dem man ebenso einfach ansieht, dass er der Gute in dieser Gruselklamotte ist ebenso wie den Bösen, die der Einfachkeit halber böse dreinblicken.

Anderes, das im überhaupt eigenartigen Berlinale Programm, eher erbärmlich klingt, stellt sich dagegen als ganz wunderbar heraus. „Welcome To The Rileys“ ist so ein Film.

Allen Parametern folgend müsste die Filme eine einzige Qual sein, solange man nicht großen Spaß an Betroffenheit und Moral findet. Ein waschechtes Drama: Unter den Protagonisten finden sich ein Ehepaar, deren Tochter bei einem Autounfall um’s Leben kam ebenso wie eine 16-jährige Stripperin und Prostituierte, die als Waise aufwuchs. Und dann sind die Personen so schön, so geschunden, so eigen und doch alle sympathisch und vor allem die Dialoge so großartig, dass einem das Herzchen halt doch aufgeht. Da steht beispielsweise eben jene Ms Riley in einem heruntergekommenen Vorort von New Orleans und sieht dieses junge, hübsche Ding abends aus dem Haus gehen, auf dem Weg in den Stripclub und Puff, stellt sich in ihren Weg und sagt: „Please don’t go, you’re too young, you don’t know what you are doing“ und die fabelhafte Kristen Stewart als Mallory antwortet: „What experience do you have? How many dicks have you swallowed?“. Eben. Dann knallt’s, und wie, aber am Ende geht man doch gerührt und ein bisschen selig aus dem Kino. Wem das zu gefühlsdusselig und komplex ist, der wird an Red Hill dagegen seine wahre Freude haben, versprochen.