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Hinter den Kulissen eines Virtual Reality-Pornos

Pornofilme und Technik sind inzwischen zweifellos eng miteinander verflochten.
Bild: Nick Melillo/Badoink

Die Räumlichkeiten des Virtual-Reality-Studios BaDoink wirken erstaunlich schmucklos. Im Vergleich zum Set eines 2D-Pornos sind sie ziemlich unspektakulär eingerichtet. Das fällt mir sofort ins Auge, als ich in der Villa ankomme, in der ich zum ersten Mal einer aufwendigen Virtual Reality-Produktion beiwohnen sollte.

Die Crew stellt die Lichter im Wohnzimmer auf. Bild: Nick Melillo/Badoink

Auch die beiden Produzenten, Todd Glider und Nick Melillo, die schon lange vor dem Aufstieg der VR-Technologie in der Pornoindustrie aktiv waren, fallen eher aus dem Rahmen. Sie bedienen kaum das Klischee des schmuddeligen Pornoproduzenten. Die Story für die Produktion allerdings erfüllt jedes Klischee:

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Christie Stevens spielt die junge, attraktive Frau eines alten Hollywood-Geschäftsmanns. Plötzlich klingelt es an der Tür klingelt und ein gut aussehender Staubsauger-Verkäufer, gespielt von Isiah Maxwell, steht vor der Tür. Nach einem überschaubaren Dialog stehen die beiden schließlich im Wohnzimmer, wo Stevens dem Vertreter gesteht, dass sie kein Geld habe und dass ihr Mann sie umbringe, wenn er einen fremden Mann in ihrem im Haus sieht. Sie schlägt also eine andere Art der Bezahlung vor und zieht sich daraufhin aus.

„Du verkaufst sicher sehr viele Staubsauger", sagt sie, als sie Maxwells bestes Stück rausholt.

Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Es ist schon merkwürdig genug, diesen kitschigen Porno-Dialog aus nächster Nähe mitzubekommen, aber noch eigenartiger ist die Vorstellung, wie der geneigte Zuschauer das ganze als Film zuhause durch ein VR-Headset anschaut.

Euclid Virtual Reality Systems Sony a7RII Vorrichtung in der DIY 3D-gedruckten Halterung. Bild: Nick Melillo/Badoink

Die gesamte Kameratechnologie für den VR-Dreh stammt von Euclid Virtual Reality Systems. Das Unternehmen wartet im Namen mit einer stilsicheren Geek-Anspielung auf den Vater der Geometrie auf—und die beiden Unternehmensgründer Samuel Burton und Robert Sledd bestätigen vor Ort, dass die Bezeichnung VR-Nerds ihnen definitiv gerecht wird. Euclid war ursprünglich ein reines VR-Forschungs- und Entwicklungslabor, hat sich aber dann den Produktionen der Pornoindustrie zugewandt, um dort die selbst entwickelten Techniken zu testen.

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Eine der beeindruckendsten Entwicklungen von Euclid ist das 360-Grad-Kamerasystem, das mit zwölf GoPro Heros ausgestattet ist, die in einer 3D-gedruckten Halterung stecken. Für den Dreh hat man sich aber für ein 180-Grad-System entschieden, das mit zwei Sony a7RII Kameras und 8mm Fisheye-Objektiven von Rokinon aufwartet. Die Objektive sind wiederum mit zwei Metabones Speed Boosters Adaptern gekoppelt und ermöglichen damit einen noch breiteren Blickwinkel.

„Ich schaue einfach so in die Kamera, wie ich den User anschauen würde, wenn er tatsächlich im Raum wäre"

Die Entscheidung fiel auf das 180-Grad-System, da Produzent Melillo damit die Beleuchtung besser kontrollieren und mich und die anderen anwesenden Journalisten besser im Raum positionieren kann. Außerdem wäre ein Dreh mit dem 360-Grad-System für uns viel uninteressanter gewesen, wie Glider, Melillo und Burton einhellig betonen.

Ich habe einen Tag mit VR-Pornos verbracht

Die Euclid-Kamera lässt die aufgezeichneten Videobilder in Echtzeit gleichzeitig durch eine Software mit dem Namen „Video Stitch" und eine Oculus Rift laufen. Dieses System ermöglicht es Burton, eine vorübergehende Verräumlichung der Bilder aus beiden Kameras zu erzeugen und somit für eine „Verstärkung des 3D-Effekts" zu sorgen. Dies soll sicherstellen, dass die Kameras auch wirklich einen 180-Grad-Bogen oder eine Kuppel erzeugen.

„Normalerweise brauchen wir bei einem 360-Grad-Video im Nachhinein noch viel Stitching, um saubere Bilder zu erhalten", erzählt uns Burton. „Es ist ein Prozess, der immer weiter verbessert wird und wir hoffen, dass Adobe die Funktion des Stitching eines Tages beispielsweise für seine Programme After Effects oder Premiere unterstützen wird."

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Kurz vor dem offiziellen Drehbeginn setze ich das Oculus Rift-Headset selbst auf. Schnell wird klar, dass 180 Grad mehr als genug sind, um ein intensives Erlebnis zu ermöglichen. Es geht schließlich um den Sex vor den Usern, nicht um die Wand hinter ihnen.

Samuel Burton von Euclid spricht über die VR-Kamera-Vorrichtungen. Bilder: Nick Melillo/Badoink

Als der Dreh beginnt, wechselt mein Blick hin und her zwischen dem Euclid Kontrollsystem—hochauflösende Bildschirme fangen jedes Fischauge-Bild der Kameras ein—und den Pornostars, die schon voll bei der Sache sind. Einige der Crewmitglieder, die im Esszimmer und im Eingangsbereich sitzen, interessieren sich nicht für das, was hier im Wohnzimmer passiert. Andere hingegen, wie zum Beispiel Kameramann Sledd, starren hoch konzentriert auf den Bildschirm und achten darauf, dass das System nicht abstürzt. Das passiert während des Drehs zwei Mal, was aber anscheinend nicht weiter schlimm ist. Burton versichert mir, dass das Zusammenfügen dieser Schnitte im Nachhinein kein großes Problem sein sollte.

Als Stevens und Maxwell von Fellatio zu Sex übergehen, gibt Melillo mehr Anweisungen. Er bittet die Schauspieler, etwas schneller zu sein, „jetzt wo es schön feucht ist." Die Kontrolle über das Tempo des Geschehens zu behalten, scheint nicht so einfach zu sein und untermauert, was Melillo mir vor dem Dreh erzählt hat.

„Das wichtigste [beim VR-Porno] ist es, seine Kräfte gut einzuteilen", so Melillo. „Pornostars sind wie Rennpferde: Sobald die Tür aufgeht, wollen sie so schnell wie möglich loslegen. Sie sind es einfach nicht gewöhnt, es genau anders herum zu machen und die Sache langsam hochzuschaukeln."

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Nach dem ersten vollständigen Systemabsturz, der nach fünfzehn Minuten erfolgt, weil ein Netzteil an seine Grenzen gekommen war, ist Stevens gerade dabei, Maxwell zu besteigen. Melillo geht so nah wie möglich an das Geschehen ran und muss gleichzeitig aufpassen, nicht in den 180-Grad-Bogen der Vorrichtung zu kommen.

Melillo möchte Stevens näher an den Kameras dran haben. Wenn sie zu weit weg ist, verringert das Fischaugen-Objektiv ihre Präsenz und die eindringliche Qualität des virtuellen Sex'.

Stevens kann sich technisch gesehen im Bereich zwischen 75 Zentimeter bis 6 Meter überall bewegen und wird stets scharf von den Kameras erfasst. „Erst ab einem bestimmten Punkt führt die mögliche Auflösung des Headsets zu einer Beschränkung, da Objekte, die weiter entfernt sind, schlechter zu erkennen sind", fügt er hinzu.

Hier werden die Sexszenen des VR-Pornos von Badoink gedreht. Bild: Nick Melillo/Badoink

Melillo erklärt mir die größte Herausforderung in der Produktion eines VR-Pornos: Die Tatsache, dass der Crew nur ein oder zwei Winkel zum Filmen zur Verfügung stünden. Stevens muss außerdem den Großteil der Arbeit machen und in die VR-Linse gucken, um dadurch die virtuelle Illusion der First-Person-View zu erzeugen. Sie muss in Richtung der Kamera schauspielern. Während des Drehs ist Maxwell eigentlich in einer statischen Position gefangen, da die Kamera-Vorrichtung knapp auf der Höhe seines Kopfes angebracht ist. Stevens hingegen muss strippen, blasen, und sowohl beim Sex selbst als auch bei allem anderen den ersten Schritt machen.

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Maxwell, der das erste Mal bei einem VR-Porno mitmacht, sagt, dass es für ihn eine ziemliche Herausforderung ist, während des Sex still zu halten. „Es fällt mir echt schwer, mich nicht zu bewegen", sagt er. „Ich möchte so viel mit einer Frau machen, wenn sie auf mir sitzt, und ich muss mich wirklich konzentrieren, um ruhig zu bleiben."

"Pornofilme und Technik sind inzwischen zweifellos eng miteinander verflochten"

Ein entscheidender Unterschied zwischen einem normalen Pronodreh und einem VR-Pornodreh ist laut Stevens, dass die Kamera eine feste Position hat. Während eines normalen Drehs schauen die Schauspieler auch nicht in die Kamera.

Das erste Livecam-Girl der Virtuellen Realität

„Für einen VR-Porno schaue ich aber so gut wie die ganze Zeit direkt in die Kamera, und der männliche Darsteller kann, abgesehen von ein paar Handbewegungen, kaum mit mir interagieren. Es ist also, als würde ich eine Art Monolog halten, nur eben durch Sex", sagt sie. „Damit das Erlebnis für den Zuschauer noch intensiver wird, ist es extrem wichtig, den Augenkontakt mit der Kamera zu halten—ich schaue einfach so in die Kamera, wie ich den User angucken würde, wenn er tatsächlich im Raum wäre."

Schon eine knappe halbe Stunde später weist Melillo die beiden Pornodarsteller an, zu kommen. Maxwell gehorcht und ohne viel Aufheben ist das Ding im Kasten. Stevens und Maxwell ziehen sich zurück und überlassen das Set der Crew, die das ganze Equipment abbaut und einpackt.

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Christie Stevens in einer First-Person-View. Bild: Nick Melillo/Badoink

Liegt die Zukunft der Pornoindustrie also tatsächlich in der Virtuellen Realität? Zunächst einmal ist es essentiell, dass mehr Konsumenten die VR-Headsets besitzen—doch die Brillen sind bisher noch recht teuer und erobern erst langsam den Markt. Wie von einem VR-Pornoproduzenten nicht anders zu erwarten, hat Glider jedoch keine Zweifel an der Symbiose von Porno und VR. „Pornografie und Technik sind inzwischen zweifellos eng miteinander verflochten", so Glider. „Als Studio wirst du heutzutage nicht überleben, wenn du nicht online bist und dich nicht gut mit der neuesten Technik auskennst."

Glider glaubt—und er ist damit nicht der einzige—, dass die Erfahrung von Virtual Reality Pornos schon bald um eine weitere Wahrnehmungsebene ergänzt wird—und zwar dank haptischer Feedback-Tools. Mit der Weiterentwicklung solcher haptischer Technologien könnten Sexspielzeuge wie die des Anbieters Kiiroo den Benutzern ermöglichen, in Echtzeit die Bewegungen der Vagina oder die Penisstöße zu fühlen. Glider träumt davon, mit BaDoink genau solch eine perfekte technische Symbiose zu erreichen.

„Es geht nicht mehr nur darum, es zu sehen, man soll es spüren können", erklärt Glider. „Durch Biosensoren und all die anderen technischen Möglichkeiten wird dem Benutzer ein Virtual Reality-Erlebnis geboten, das sich mit den Erlebnissen messen kann, die wir anhand unserer fünf Sinne tagtäglich machen Es wird zwar noch eine Weile dauern, bis es sich durchsetzt, aber Schritt für Schritt werden die Leute das annehmen."

Die ersten Gebote der Virtuellen Realität haben wir bereits gebrochen

Stevens, die als Darstellerin Spaß an den VR-Drehs hat, da sie gerne mit den neuesten Technologien arbeitet, stimmt Glider zu. „Ich denke, dass VR in unserer Industrie sehr erfolgreich sein wird. In der echten Welt entwickelt sich die Technik ja auch weiter und so wird es sich auch dort mehr und mehr durchsetzen", sagt sie.

„2D-Pornos wird es immer geben, aber wir werden sicherlich auch viel mehr VR-Pornos sehen, es könnte aber noch ein paar Jahre dauern, bis es so weit ist."

Maxwell hingegen meint, dass es zu früh ist, um abzuschätzen, ob VR die Zukunft des Pornos ist. „Hier geht es oft einfach ums Timing. Die Fans könnten natürlich direkt darauf anspringen; aber vielleicht auch erst in zehn Jahren, wenn die Technik besser ist", so Maxwell. „VR greift so viel tiefer in unsere Sinne ein als Fernseh- oder Computerbildschirme. Es werden also sicher auch bald Produkte entwickelt, die diese Funktionen verstärken. Toll wären VR-Handschuhe oder Düfte, die Berührungen oder Gerüche imitieren."

Bis das Erlebnis interaktiver wird, hoffen die Studios, dass die Kunden ein Premium-Abo für knapp 30 Euro kaufen, um die VR-Pornos zu streamen oder runterzuladen. Zumindest so lange, bis die ganzen „Tubes" aufholen, wie Glider das PornHub-Reich und ähnliche Seiten, die der Industrie gerade das Leben schwer machen, nennt. „Offensichtlich erfinden wir den Sex oder Sexstellungen nicht neu", sagt Melillo. „Wir zeigen es nur aus einem neuen Blickwinkel und durch eine neue Erfahrung. Es gibt noch zwei, drei andere Unternehmen, die das tun, aber ich habe deren Zeug gesehen und es ist nicht sonderlich gut." Selbstsicher fügt er noch hinzu: „So lange man die beste Qualität bietet, werden sie alle kommen."