So bringt Minecraft Israelis und Palästinenser zusammen

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So bringt Minecraft Israelis und Palästinenser zusammen

Dank des „Games 4 Peace“-Projekts bauen Schüler und Jugendliche Vorurteile spielend ab.

Am 1. Januar 2014 stellte eine Gruppe von Akademikern und Unternehmern aus Tel Aviv das Projekt Games for Peace (G4P) vor. Die gemeinnützige Organisation nutzt beliebte Multiplayer-Spiele wie Minecraft, um Schüler mit unterschiedlichen ethnischen und religiösen Hintergründen im Nahen Osten zusammenzubringen. Hinter dem Projekt steckt Uri Mishol, ehemaliger Chef eines Softwareunternehmens und Veteran der israelischen Armee.

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G4P soll helfen, den tiefen Graben, der viele arabische und jüdische Communitys trennt, zu überwinden. Allzu oft werden Kinder, egal ob sie auf palästinensischem oder israelischem Territorium aufwachsen, von klein auf mit der Angst vor „den anderen" erzogen und fürchten sie, ohne jemals auch nur mit ihnen in Kontakt getreten zu sein.

Mishol sorgen die negativen gesellschaftlichen Folgen der kulturellen Vorurteile, mit denen viele Kinder aufwachsen, schon länger. Als er einen seiner Söhne beim vertieften Minecraft-Zocken beobachtete, begann eine Idee in ihm zu reifen.

Obwohl Mishol selbst nur wenig Erfahrung im Bereich von Videospielen hat, nahm er 2013 an der Games for Change Conference in New York teil. Die Konferenz soll junge Entwickler fördern, die mit ihren Videospielen einen positiven Wandel in der Gesellschaft bewirken möchten. „Ich war total begeistert von der Vorstellung, wie viel Einfluss Spiele haben könnten", erzählt er Motherboard in einem Skype-Gespräch.

„Ich machte mir also Gedanken darüber, wie das für die Situation zwischen den Israelis und Palästinensern hier vor Ort und generell im Nahen Osten genutzt werden könnte. Ich unterhielt mich dann mit Experten über meine Idee, mit beliebten Videospielen Rassismus und Stereotypen zu bekämpfen und Vorurteile abzubauen." Die Idee von G4P war geboren.

Alle Bilder: Uri Mishol, Games for Peace

Die Initiative ist auch deshalb für einen Einsatz in jeglichen Situationen besonders vielversprechend, weil Mishol die Entwicklungskosten besonders niedrig halten konnte, da bereits bestehende Spiele als Grundlage genutzt werden konnten. Der viel bedeutendere Vorteil ist aber, dass seine Zielgruppe, also Kinder und Jugendliche, sofort auf das Aufklärungsprojekt anspringen, da sie das Spiel bereits kennen und lieben. Minecraft ist mit mehr als 70 Millionen verkauften Exemplare schließlich das beliebteste Spiel der Geschichte.

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Die Games for Peace-Initiative hat zwei verschiedene Programme entwickelt, die sich grob unterscheiden lassen: Zum ersten gibt es da die „Play for Peace"-Wochenenden—themenspezifische Online-Sessions, zu denen die Teilnehmer über die Facebookseite der Gruppe eingeladen werden. In den meisten Sessions geht es dabei um Minecraft, aber auch das Spiel Team Fortress 2 ist beliebt. Dank Google Translate können die Spieler aus Israel, Palästina, Ägypten, Jordanien und anderen Ländern miteinander kommunizieren.

Natürlich stehen diese Veranstaltungen unter einer gewissen Aufsicht, um bei Beleidigungen oder ähnlichem Fehlverhalten direkt eingreifen zu können. Obwohl schon zahlreiche Events stattgefunden haben, verhalten sich die Teilnehmer einander gegenüber aber generell aufgeschlossen und freundlich. Ausnahmen bestätigen dabei laut Mishol die Regel: „Ein anonymer Teilnehmer errichtete beispielsweise in der ganzen Spielwelt Hakenkreuze. Als diese entdeckt wurden, arbeiteten aber alle anderen aus dem Team gemeinsam daran, sie wieder zu entfernen."

Die Gründer von G4P hoffen, dass die Kinder durch die Erfahrung, gemeinsam an einem Ziel in der Spielwelt zu arbeiten, jene Vorurteile spielerisch verlernen, die von Medien und Teilen der Gesellschaft vermittelt werden. Der Schlüssel zur Veränderung sollen die positiven Erlebnisse zusammen mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern sein.

Das zweite Programm von G4P nennt sich Play2Talk und bringt Kinder von zwei Schulen zusammen, die ein Mal pro Woche Minecraft spielen. „Die Schulen spielen aber nicht gegeneinander, sondern miteinander. Jedes Team setzt sich aus Schülern von beiden Schulen zusammen und muss sich gemeinsam unterschiedlich schwierigen Herausforderungen stellen. Das führt zu einem gewissen Maß an Abhängigkeit, Abstimmung und Kommunikation zwischen den einzelnen Teilnehmern."

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„Im Verlauf des Spiels merkt man auch, wie die Schüler sich zunehmend für die Menschen hinter den anderen Mitspielern interessieren. Sie sind neugierig, tauschen Klassenfotos aus und vernetzen sich auf sozialen Plattformen. Nach dem Spiel können die Schüler dann ihre Mitstreiter, an derer Seite sie Zombies bekämpft haben, persönlich kennenlernen. Dabei werden Bekanntschaften geknüpft, die oftmals auch lange nach den Spielen bestehen bleiben."

Die Daten über die Langzeitauswirkungen dieser Sessions sollen noch gesammelt und ausgewertet werden, aber die Ergebnisse aus Befragungen, die vor und nach dem Spiel mit den Schülern durchgeführt wurden, sehen laut Mishol „erfolgsversprechend" aus. „Klar gibt es auf beiden Seiten auch Misstrauen, aber das hält sich stets mit der Neugierde die Waage. Durch das Aufeinandertreffen im Spiel und später auch in der Realität sollen vorgefasste Meinungen überdacht werden. Den meisten Reaktionen ist die Erkenntnis gemein, dass das Spielen auf der virtuellen Ebene das Kennenlernen in der echten Welt um einiges einfacher gemacht hat."

Das Games for Peace-Team hat sein Konzept inzwischen auf diversen Konferenzen vorgestellt und mit anderen Nonprofit-Organisationen wie Elva zusammengearbeitet, die mit ihrem Minecraft-Ansatz versucht, Spannungen zwischen georgischen und abchasischen Jugendlichen abzubauen. Mishol hofft, dass er mit G4P auch außerhalb Israels aktiv werden kann—selbst eigentlich friedliche Länder wie zum Beispiel Großbritannien, wo die Islamophobie nach den Angriffen in Paris vom 13. November 2015 spürbar angestiegen ist, nimmt er dabei ins Visier.

„Wir sind begeistert, wie universell das Konzept ist, und dass es auch in Georgien sehr ähnlich funktioniert hat", erinnert sich Mishol. „Sobald es um das Videospiel ging, schien die Barriere, mit ‚dem Feind' zu sprechen, deutlich zu sinken. In jedem von uns steckt ein Kind, und genau darauf basiert unser Lösungsansatz."