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Computer meistert Turing-Test, indem er sich als 13-jähriger Junge ausgibt

Ich habe mir von Kevin Warwick, dem Organisator des Täuschungswettbewerbs Mensch gegen Maschine, das Erfolgsgeheimnis der künstlichen Intelligenz erklären lassen.
Bild (Ausschnitt): John Purvis / FlickR | CC BY 2.0

Dieses Wochenende sollte große Neuigkeiten auf dem Feld künstlicher Intelligenz bringen: Einem Computerprogramm ist es am Samstag gelungen den Turing-Test zu bestehen. Laut den Experten ist es das erste mal überhaupt, dass Menschen berechtigterweise so getäuscht werden konnten, dass sie eine intelligente Maschine für menschlich hielten.

Die geniale Maschine, die sich die Auszeichnung bei der Veranstaltung in London verdient hat, ist unter dem Namen Eugene Goostman bekannt. Es handelt sich um ein Computerprogramm, dass in Russland entwickelt wurde und den Charakter eines 13-jährigen ukrainischen Jungen annimmt. In einer Reihe von Gesprächen im Chatroom-Stil, konnte Eugene 33 Prozent der Testpersonen überzeugen, dass er tatsächlich ein Mensch sei. Damit liegt seine Leistung über der Marke von 30 Prozent, von der der legendäre Mathematiker und Pionier der Kryptographie Alan Turing erwartet hatte, dass sie im Jahr 2000 geschlagen werden würde—wie er in seinem Text „Computing Machinery and Intelligence" im Jahr 1950 schrieb.

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„Wir haben uns genau an den von Alan Turing entworfenen Test gehalten; wir sind dem Test so rigoros wie nur möglich gefolgt", sagte mir Kevin Warwick. Er ist einer der Organisatoren der Veranstaltung an der Royal Society in London, bei der Eugene an diesem Wochenende seine überzeugende Top-Leistung abrief. Der stellvertretende Leiter des Forschungsbereichs der Coventry University wird von einigen als erster Cyborg der Welt bezeichnet, und weiß so einiges über die Beziehung von Menschen und Maschinen. Ich habe mich also mit ihm in Verbindung gesetzt, um weitere Details des Tests in Erfahrung zu bringen.

So lief der Test ab: Dreißig Juroren hatten eine Unterhaltung mit zwei verschiedenen Gesprächspartner auf einem geteilten Bildschirm—ein Mensch und eine Maschine. Nach einem fünfminütigen Chat mussten sie entscheiden, wer von beiden der Mensch war.

„Für die Maschine ist es eine ziemlich schwierige Aufgabe. Denn sie muss nicht nur beweisen, dass sie ein Mensch ist, sondern dass sie menschlicher als der Mensch ist, gegen den sie antritt."

Fünf Computer nahmen an dem Wettbewerb teil, aber nur Eugene bestand den Test, in dem er ein Drittel der Gesprächspartner täuschen konnte.

Es mag nicht nach einem großen Triumph klingen, aber Warwick erklärte mir gegenüber, dass 33 Prozent tatsächlich ein ziemlich beeindruckender Wert sei, wenn du dir die Charakteristik des Tests nocheinmal vor Augen führst. Zwei gegeneinander antretende Menschen könnten schließlich auch kaum auf ein Ergebnis hoffen, dass höher als 50 Prozent liegt—sonst würde ihr Gegner ja als nicht menschlich erachtet werden.

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Laut Warwick liegt das Erfolgsgeheimnis in Eugenes Fähigkeit eine Unterhaltung logisch am Laufen zu halten, ohne dabei in automatisierte Perfektion zu verfallen (oder robotischen Blödsinn von sich zu geben, wie wir es bei dem älteren Chatbot Cleverbot gesehen haben). Eugene kann zum Beispiel selbstständig ein Gespräch beginnen, aber würde dies niemals völlig aus dem Blauen heraus tun. In seine Antworten baut er auch Fakten ein, wie es ein Mensch tun würde: „Und das bedeutet nicht immer die richtige Antwort zu geben", wie mir Warwick sagte. Irren ist menschlich und auf eine faktische Frage mit einem „weiß ich nicht" zu antworten, kann überzeugender sein, als eine Antwort im Brockhaus Stil herunterzubeten.

Eugene ist cooler als ein Professor der Philosophie

Eugenes Trickserei dürfte auch deshalb so erfolgreich gewesen sein, weil er mit einer realistischen Persönlichkeit aufwarten kann. Warwick sagte mir, dass du nicht unbedingt mitbekommst, dass er aus der Ukraine stammt, aber es wird deutlich, dass er ein Teenager ist (Einige der „versteckten Menschen" gegen die der Computerjunge angetreten ist, waren im selben Alter.) „Die Unterhaltungen können deshalb manchmal etwas SMS-mäßig sein, etwas knapp. Es kann auch umgangssprachlich werden und einige zeitgenössische Popmusik-Insider enthalten, von denen du vielleicht nicht soviel mitbekommen würdest, wenn du dich mit einem Professor der Philosophie oder so unterhalten würdest", erzählte mir Dr. Warwick. „Es ist cool; es ist auf der Höhe der Zeit."

Warwick gibt zu, dass der Teenager-Charakter von einem Computer leichter simuliert werden könnte, besonders gegenüber erwachsenen Gesprächspartner, die mit der aktuellen Jugendkultur nicht so vertraut sind. Frag Eugene nach den Beatles und er wird dir von einer cooleren Band erzählen, von der du vermutlich noch nie gehört hast. Wie ein echter Pubertierender eben.

Was sind also die Implikationen dieses Meilensteins? Müssen wir ab jetzt bei jedem Internet-Gespräch nicht nur skeptisch sein, wer unsere Gesprächspartner ist, sondern auch noch was er, sie oder es ist? Der gemeisterte Turing-Test ist definitiv ein Schritt in diese Richtung—und er könnte als trickreiche Maschine schwerwiegende Auswirkungen auf dem Feld des Cyber-Verbrechens haben. Warwick legt aber auch nahe, dass Maschinen mit künstlicher Intelligenz wie Eugene auf der anderen Seite des virtuellen Verbrechens kämpfen könnten. Er zeichnet eine Zukunft in der Roboter rund um die Uhr Online sind und dabei helfen mögliche kriminelle Aktivitäten zu erkennen: „Maschinen, die gegen Maschinen kämpfen. Das wäre am Ende das Ergebnis."