Rosenwasser in Qamsar

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Rosenwasser

Rosenwasser in Qamsar

Das Rosenwasser aus diesem verschlafenen Nest gilt als das reinste und beste der Welt.

Wir fahren durch die Wüste. Es ist bergig, steinig, eine zweispurige Landstraße zerschneidet die Landschaft, rechts und links mal verlassene Baracken, mal Schäfer mit ihren Hunden und ihren nicht ganz so properen Schafen auf der Suche nach etwas Gestrüpp.

Wir sind auf dem Weg nach Qamsar–Welthauptstadt der Rosenwassergewinnung. Jedes Jahr im Frühsommer verwandelt sich die iranische Kleinstadt, inmitten von Geröll, in ein duftendes Paradies. Zwar wird auch an anderen Orten, wie beispielsweise Ghazipur in Indien, Kasarnaba im Libanon und Rosental in Bulgarien Rosenwasser gewonnen, doch Qamsar hat einen ganz besonderen Ruf.

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Das Rosenwasser aus diesem verschlafenen Nest gilt als das reinste und beste der Welt. Sogar die Kaaba in Mekka wird einmal im Jahr mit diesem und nur diesem Rosenwasser gewaschen. Überall befinden sich Gärten voller Rosen, alle bewerben sie ihr (angeblich) selbst hergestelltes Rosenwasser.

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Die Rosen, die hier wachsen, haben wenig mit ihren langstieligen, geruchsarmen Schwestern zu tun, die man von Fleurop kennt. Diese Mohammadi- oder Damaszener Rose ist klein, die Blüten noch kleiner und nur in einer Farbvariante erhältlich: Quietschrosa.

Qamsars Geschichte ist eng an die Rose geknüpft, jede Familie hat wenigstens ein paar Rosensträuche und trocknet ihren eigenen Blütenvorrat.

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Rosenwasser gilt als Begleiter aller Lebenslagen: Es wird zur Hautpflege genutzt, als Parfüm, soll auf die Fußsohlen geschmiert beim Einschlafen helfen und Ekszeme beruhigen–und wird natürlich vor allem für Süßspeisen verwendet, entweder in Form von Rosenmarmelade, oder als Aromaträger für Puddinge, Kuchen und mehr.

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Die Blüten, die nicht zu Rosenwasser verkocht werden, werden getrocknet und als Gewürz benutzt.

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Wir besuchen ein kleines privates Rosenwassermuseum, dass von einem Enthusiasten alleine geführt wird. Es liegt im alten Distrikt der kleinen Stadt, wo jedes Haus einen eigenen Rosengarten hat, in dem in ein paar Töpfen Rosenwasser gewonnen wird.

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Das Museum besteht eigentlich nur aus zwei Räumen, die mit alten und neuen Artefakten zur Rosenwassergewinnung gefüllt sind–denn auch wenn die alten Töpfe, in denen im Freien die Blüten eingekocht werden, recht archaisch aussehen, sind sie doch das Ergebnis jahrhundertelanger, fortwährender Innovation: Vom einfachen Kochtopf, zum komplizierten, mit Diesel befeuerten Gerät bis zur Dampfdestillation. Gewonnen wird über diesen Prozess sowohl Rosenwasser, als auch Rosenöl.

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Die zu Matsch zerkochten Rosen werden idealerweise auch nicht einfach nur weggeworfen, sondern getrocknet und zu Briketts verarbeitet. Früher wurde aus ihnen auch eine Art Tinte gewonnen, doch diese Tage, wo Nachhaltigkeit eben kein Buzzword war, sondern die Regel, sind lang vorbei.

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Je länger der Meister redet, desto schneller wird klar: Er hat Angst um seine Kunst und um die Traditionen des Dorfes. Früher, so erzählt er, wurden die Kinder des Dorfes nach ihrem ersten Geburtstag einer Art «Rosentaufe» unterzogen, bei der sie zwischen Blütenbergen umhersprangen. Das sollte davor schützen, später eine Allergie gegen Rosen zu entwickeln. Auch kulinarische Eigenheiten gingen verloren, wie die Spezialität des Milchtees mit einem großzügigen Schuss Rosenwasser. Den bekamen früher Reisende aus aller Herren Länder angeboten, die in Qamsar in den Sechzigern und Siebzigern vorbeikamen.

Mittlerweile können die kleinen Manufakturen nicht mehr mit Rosenwasser allein überleben. Sie bieten alle möglichen Essenzen an–nicht immer sind diese aber auch dort entstanden, wo sie verkauft werden.

Die Rosenwassergewinnung ist zu einem Touristenmagnet geworden, und damit einher geht die Monetarisierung der alten Kunst, auch wenn, oder gerade weil der bei weitem größte Teil der blumigen Essenz mittlerweile in großen Fabriken gewonnen wird.

Dennoch: das Publikum sehnt sich nach der Show, und so pilgern Iraner–und bald vielleicht auch wieder Touristen aus aller Welt–nach Qamsar, um ein bisschen Rosenfolklore einzuatmen.