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It's still real to me, damn it!

Die schlimmsten Wrestling-Gimmicks aller Zeiten: Die Mumie namens The Yeti

Meerjungfrauen, Taskmaster und WCW-Typen.

Dieses Bild stammt aus Tokyo Gore Policeund hat eigentlich keinerlei inhaltlichen Bezug zum nachfolgenden Text. Ich geb’s ja zu. Und alles, was ich zu meiner Rechtfertigung sagen kann, ist: Na und? Als ob ich in Zeiten wie diesen irgendeine halbseidene Begründung bräuchte, um eine japanische Monster-Meerjungfrau mit vernarbten Nippeln und verwarztem Maul als Schwanz an den Anfang eines Wrestling-Artikels (oder eines x-beliebigen Artikels worüber auch immer) zu stellen! Und damit habt ihr auch gleich die wichtigste Lektion im Hinblick auf geile Wrestling-Gimmicks gelernt - nämlich, dass innere Logik und sinnvoller Kontext scheißegal sind, solange das, was ihr zu zeigen habt, nur ausreichend fetzt.

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Und seien wir uns doch ehrlich: Süße Japanerinnen und Splatter ziehen einfach immer (zumindest mehr, als sich “Wrestling Nerd” mit einem Stuhl auf die Stirn tätowieren zu lassen). In Kombination sind die beiden Dinge sogar so eine Art Kommunikations-Katalysator, der unsre Fantasie erst in Schwung bringt und gleichzeitig alles, was vor ihm geschehen ist, ohne den Hauch einer Spur aus unsrem Gedächtnis radiert. Die Formel, die hier zum Einsatz kommt, lautet: Japan-Trash = Tabula rasa for Bobo-Brains. Und weil ihr jetzt sowieso alle semi-scientologisch gecleart seid, werdet ihr auch keine Probleme haben, euch mit der kontextfreien Natur unsres heutigen Gimmicks anzufreunden.

“Was ist es?”

“Eine Mumie.”

“Und wie sollen wir es nennen?”

“Ganz klar: Den Yeti!”

Dieser Dialog wurde eins zu eins vom Tonbandmitschnitt eines WCW-Produzenten-Meetings übertragen, das in den wilden Neunzigern stattgefunden hat, und zwar unmittelbar bevor dieses ungelenke Ungetüm von einem Un-Wrestler namens The Yeti, diese Verhöhnung des aufrechten Ganges, diese Persiflage jedweden Sports auf unsere Fernsehschirme und Fan-Hirne losgelassen wurde. Das Tonband wurde mir von einem ständig schweißgebadeten Hornbrillenträger zugespielt, der in ständiger Angst an der Peripherie von Connecticut, dem Epizentrum des Wrestling-Wahnsinns, lebt und das Haus nur noch verlässt, wenn der Himmel wolkenverhangen und die Straße wrestlerleer ist. Als er mir das Band in seiner championgürtelgoldenen Kiste übergab, sagte er nur “Dude, can’t handle it!” Was danach geschah, ist zu absurd, um an dieser Stelle ausgeführt zu werden - jedenfalls endete es damit, dass alles oberhalb seiner psychedelischen Ultimate Warrior-Jacke in einem Schwall aus Blut verpuffte und ich schleunigst das Weite suchte.

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Ich habe das Band seither nur ein einziges Mal abgespielt, weil das, was darauf zu hören ist, einfach zu sehr irritiert. Nachdem die Produzenten von World Championship Wrestling beschlossen hatten, ihre Mumie Yeti zu nennen, bricht auf der Tonspur nämlich völliges Chaos aus und man kann hören, wie die gierigen geilen Böcke in bester American Psycho-Büromanier Whiskyflaschen zerschlagen, Steroidspritzen auf ihre Sekretärinnen schießen und danach trachten, unschuldige Midget-Wrestler zu sodomisieren, die bei dem Versuch lautstark auseinander ploppen wie Sektkorken. Dagegen sind Nixons Watergate-Bänder das reinste Schleckstängellecken. Ich schwöre!

Okay, vielleicht habe ich das alles auch frei erfunden. Aber im Kern ist die Geschichte trotzdem wahr, und das ist doch der Punkt. Wie sonst lässt sich erklären, was in den Neunzigern im Wrestling-Business alles anging? Diese totale Gleichgültigkeit gegenüber seinem Publikum? Die extreme Willkür, die völlige Inkonsistenz, das vorsätzliche Fehlen jeglicher Logik? In gewisser Hinsicht ist der Yeti das perfekte Sinnbild für alles, was damals in den Chefetagen der WCW schieflief. Bei keinem anderen Gimmick wird so deutlich, dass sich hier ein paar abgehobene Freaks einen Heidenspaß daraus machen, im landesweiten Fernsehen die Sau raus zu lassen, während sie im Hintergrund das Unternehmen runter wirtschaften.

Anders als die WWE gehörte die WCW nämlich keinem Wrestling-Veranstalter, sondern dem Medienmilliardär Ted Turner, dem Erfinder von so richtungsweisen Dingen wie CNN und, naja, Captain Planet (kein Scheiß). Und der überließ die Spielwiese lieber ein paar ahnungslosen Schlipsträgern als einem gepflegten, qualifizierten Gremium aus echten Steroiddrückern und Vollprolls.

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Für die Turner-Boys war WCW der coolste Laufstall, den man sich vorstellen konnte. Überall anders hatten sie nur mit trockenen Zahlen und biederen Nachrichten zu tun, aber hier konnten sie endlich mal einen draufmachen und richtig die Sau rauslassen - zirka so, wie die Nazis in Polen (Marcel Reich-Ranickis Worte, nicht meine).

Und genau wie den Deutschen war auch den WCW-Typen völlig egal, ob irgendwas davon Sinn machte, solange sie nur dran glauben konnten, dass sie am Ende gewinnen würden; gegen die WWE, den Rest der Wrestling-Welt und jedes letzte Bisschen Hausverstand.

Uns eine Mumie als Yeti zu verkaufen war dabei das Meisterstück ihres Mindfucks. Im Ernst. Es ist ja nicht so, als wäre der Yeti einer Mumie nun mal in ein paar kleinen Punkten ein bisschen ähnlich gewesen. Nein, der Yeti war eine Mumie, voll und ganz, von Kopf bis Fuß, mit allem Drum und dran. Ich meine, sein Wrestling-Outfit bestand aus nassem Klopapier, okay? Und er rannte mit ausgestreckten Armen herum, alles klar?

Aber wer wird sich über sowas schon aufregen. Nicht ich, no Sir. Billigbier, ruhig Blut, alles wird gut. Immerhin war der Yeti nur eines von vielen Übeln, die alle gemeinsam den Namen Dungeon of Doom trugen - und wer da einmal mit dem Aufregen anfängt, der hört so schnell nicht wieder damit auf.

Da gab es unter anderem noch den Taskmaster (eine Art Satanist im Flash-Gordon-Aufzug), das Loch Ness Monster (ein gefährlich fettleibiger Batzen Scheiße), und den Giant (der heutige Big Show), sowie ein paar weitere harte Männer, die sich eigentlich alle nur durch ihren stark eingeschränkten Bewegungsapparat auszeichneten. Was perfekt mit dem Yeti harmonierte, der in seiner Rolle als untote Mumie auch eher darauf setzte, seine Gegner langsam zu Tode zu umarmen, als ihnen echte Wrestling-Moves zu verpassen.

Ziemlich gut, eigentlich. Was könnte da noch besser sein? Naja, vielleicht ein widerlicher Fettsack, der mit Popeln um sich wirft und andauernd furzt - aber mehr dazu nächstes Mal. Bye-bye, bay-bees!