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Gefängnis

Ich bin Justizvollzugsbeamtin in einem Männergefängnis

Es mag kein Traumberuf sein, aber er ist auch bei Weitem nicht so ein Albtraum, wie viele denken.

Foto: Photography Montreal | Flickr | Gemeinfrei

Der Tag beginnt immer mit demselben Ritual: dem Morgenappell. Danach folgt der Tagesablauf den verschiedenen Aktivitäten, die es in einem Gefängnis gibt: Hofgänge, verschiedene Beschäftigungen, der Gang auf die Krankenstation, Besuche, Arbeiten in der Werkstatt, und natürlich das Austeilen von Mahlzeiten und Post.

Ich bin 26 Jahre alt, ich heiße Laura* und ich mache seit ein paar Monaten ein Praktikum als Justizvollzugsbeamte in einem französischen Männergefängnis.

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Nichts in meinem Lebenslauf hat mir diese Berufswahl vorgegeben. Nachdem ich meinen Schulabschluss gemacht hatte, ergab sich die Gelegenheit zu einer Aufnahmeprüfung in diesem Fach. Alle französischen Justizvollzugsbeamten werden nach einer internen Aufnahmeprüfung in der nationalen Schule für Gefängnisverwaltung in Agen im Südwesten des Landes ausgebildet. Die Ausbildung dauert acht Monate und umfasst verschiedene Kurse und Workshops: Selbstverteidigung, Psychologie, Sport und mehr. Wir wurden auch in einem Simulationsgebäude ausgebildet, in dem es Zellen gab. Dort haben Schauspieler Insassen gespielt und uns mit Situationen konfrontiert, die im Berufsleben auftreten könnten. Zwei verschiedene Ausbildungsabschnitte müssen bestanden werden, um zur Abschlussprüfung zugelassen zu werden: Es gibt eine Schnupperphase in der Welt des Justizvollzugs und einen Teil mit nachgestellten Situationen. Ich hatte diesen Weg gewählt, weil ich gerne einen Beruf lernen wollte, bei dem ich körperlich aktiv sein konnte. Den ganzen Tag hinter einem Schreibtisch zu sitzen, ist nichts für mich.

Ich musste angeben, in welchem Gefängnis ich am liebsten meine Ausbildungabschnitte absolvieren wollte. Ich wollte um jeden Preis ein überfülltes Gefängnis vermeiden, wie das größte französische Gefängnis Fleury-Mérogis im Süden von Paris. Ich denke, dass die Arbeit sich je nach Gefängnis unterscheidet und dass der Umgang mit den Häftlingen dort viel schwieriger sein muss.

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Inzwischen arbeite ich seit mehreren Monaten in einem Gefängnis und meine Tage sind extrem genau durchorganisiert. Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen begleite und bewache ich die Häftlinge bei ihren Gängen und verschiedenen Aktivitäten. Meine Arbeitsstunden sind von Woche zu Woche unterschiedlich. Nachts wird zwischen Patrouillen und Dienst im Wachturm gewechselt.

In dem Gefängnis, in dem ich arbeite, sind die Zellen eigentlich für vier Personen, aber oft sind nur drei Insassen darin. Es gibt alle möglichen Häftlinge: Gewaltverbrecher, Dealer, aber auch Pädophile, die je nach der Schwere ihrer Tat mehr oder weniger lange Strafen absitzen müssen. Mörder wohnen Seite an Seite mit Ladendieben. Ich persönlich will am liebsten nicht wissen, weswegen sie inhaftiert sind. So kann ich sie alle gleich behandeln, ganz egal, was sie verbrochen haben. Zum Beispiel hat vor ein paar Tagen ein Serienmörder in meiner Nähe den Waschraum gekehrt. Ich habe ihn ganz normal gegrüßt. Ein Kollege hat mir Stunden später erzählt, wen ich da vor mir hatte. Wir sprechen einander unter Kollegen vor den Häftlingen niemals mit Namen an, aus Sicherheitsgründen. Pädophile werden von den anderen Insassen isoliert. Im Gefängnis sind sie immer die Ersten, die zu Opfern werden, und manche trauen sich nicht einmal, ihren Hofgang zu nutzen, weil sie befürchten, gelyncht zu werden.

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Einmal hat ein Häftling versucht, einen meiner Kollegen mit einer Gabel anzugreifen. Ich habe interveniert und gemeinsam konnten wir ihn zu Boden ringen.

Im Gefängnis merkt man sofort, dass es „Anführer" und „Mitläufer" gibt. Gewisse Tendenzen kommen zum Vorschein. Man sieht vorher nur nicht genau, welchen Weg sie sich bahnen werden, selbst wenn man sehr genau darauf achtet. Die Insassen sind clever und haben gute Verstecke. Wenn wir sie auf frischer Tat mit verbotenen Gegenständen ertappen, müssen wir zum Schutz unserer Hierarchie immer mit einer vollen Durchsuchung der Zelle reagieren. Häufig finden wir bei diesen Durchsuchungen Handys, Drogen oder USB-Sticks—aber acht von zehn Mal finden wir dafür nicht das, was wir eigentlich gesucht haben. Wenn wir einen dieser Gegenstände bei einem Insassen finden, wird er in den Disziplinartrakt geschickt. Dort gibt es nur kleinere Einzelzellen. Die Dauer der Isolation in diesem Trakt hängt von dem begangenen Regelbruch ab. Die Ausstattung ist minimal: ein Bett, ein Waschbecken, eine Toilette und ein kleiner Tisch. Der Häftling darf nur zum Duschen aus dieser Zelle, und zu einer Stunde Hofgang in einem separaten kleinen Hof. Die Anrufe und Besuche werden während dieser Zeit auf jeweils einen pro Woche beschränkt.

Bei den Durchsuchungen ist es schon hier und da zu schwierigen Situation gekommen. Einmal hat ein Häftling versucht, einen meiner Kollegen mit einer Gabel anzugreifen. Ich habe interveniert und gemeinsam konnten wir ihn zu Boden ringen und Verstärkung rufen, bevor wir unseren Vorgesetzten informiert haben.

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Wir müssen auch für die Sicherheit der Häftlinge sorgen. Manche sind zerbrechlicher als andere und können verschiedenen Arten von Druck vielleicht nicht standhalten. Manche haben schon versucht, sich mit ihren Bettlaken an den Gittern ihrer Zellen zu erhängen. In anderen Gefängnissen kommen Selbstmordversuche leider noch häufiger vor als bei uns.

Gewisse Dinge im Zusammenhang mit den Gefängnisbesuchen haben mich überrascht. Um einen Häftling zu besuchen, brauchen Freunde und Familie eine Besuchserlaubnis. Manche Genehmigungen gelten nur für eine bestimmte Anzahl von Besuchen, während andere unbegrenzt gültig sind. Abgesehen von den Beleidigungen und Streitereien, die wir hören, habe ich auch schon mal eine Frau überrascht, die gerade auf einen Häftling kletterte, um Sex mit ihm zu haben. Viele Frauen kommen zu Besuch: Ehefrauen, Schwestern und Mütter, aber auch Prostituierte, die sich als die Partnerinnen von Häftlingen ausgeben. Manche haben das Recht auf Privatbesuch, der dann in winzigen Zimmern stattfindet. Die Justizvollzugsbeamten können jederzeit durch das Sichtfenster sehen. Meist finden die sexuellen Begegnungen auf dem Tisch des Privatzimmers statt. Jedes Jahr werden im Gefängnis Babys gezeugt, obwohl Sex dort theoretisch verboten ist.

Ich hatte noch nie wirkliche Probleme, die etwas damit zu tun gehabt hätten, dass ich eine Frau bin. Ich denke, es hängt mehr von der Persönlichkeit als vom Geschlecht hab. Natürlich machen uns hin und wieder Männer Komplimente oder sogar Avancen, aber es reicht meist aus, sie zurechtzuweisen. Nicht alle Vollzugsbeamtinnen haben dieselbe psychische Widerstandskraft. Manche lassen sich auch becircen und sich zu sexuellen Beziehungen mit den Häftlingen hinreißen. Wir begleiten sie täglich auf Schritt und Tritt; da können schnell persönliche Bindungen entstehen, aber es ist nicht unvermeidbar. Ich denke, dass Frauen in einem Gefängnis die Stimmung ausgleichen, denn zwischen Männern gibt es oft Machtkämpfe, die es zwischen Männern und Frauen so nicht gibt.

Ich habe keine Angst vor meinem Beruf und gehe auch nicht mit einem Kloß im Hals in die Arbeit. Wenn das der Fall wäre, würde ich sofort aufhören. Ich vergesse nie, dass es Menschen sind, die ich da vor mir habe, doch wenn du Angst hast, spüren das die Insassen. Im Moment bin ich glücklich mit meinem Job.

*Name geändert