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DIE LITERATURAUSGABE 2014

Ein Brief aus dem Chateau Marmont

Bei unserem letzten Aufenthalt im Chataeu begleiteten wir unsere Freunde Carol und Tony in die Lobby. Am Tisch neben uns tratschten zwei dickbäuchige Mittvierziger über die Filme, an denen sie gerade arbeiten.

Foto von Santi Visalli Inc./Archive Photos/Getty Images

Das Chateau Marmont in L.A. ist nicht unbedingt übersichtlich. Wenn du es unsicher ansteuerst, ist es unwahrscheinlich, dass du es überhaupt bis zur Lobby schaffst. Du betrittst das Hotel durch die Auffahrt. Du gehst am Parkplatz vorbei, passierst zwei Angestellte, die aussehen wie Doktoranden der französischen Literatur, durch eine kleine Säulenhalle, direkt in den Keller des Hotels. Dann nimmst du den Lift oder die Stiegen rauf zur Lobby. Hinter dem Empfang findest du Kästchen voller Schlüsselbunde und links ein Zimmer mit ziemlich vielen nicht zusammenpassenden Couches und Armsesseln. An der hinteren Wand—so dezent neben den Stühlen, dass du es fast übersehen könntest—befindet sich ein Podium, an dem immer eine attraktive Person steht, um dich sofort, wenn du dich in der Lobby irgendwo hingesetzt hast, zu fragen: „Übernachten Sie hier?“ Wenn du hier übernachtest, darfst du sitzen bleiben. Wenn nicht, wird sie dich darüber informieren, dass du eine Reservierung brauchst (und dass diese Reservierung zwei Wochen im Vorfeld gemacht werden muss).

Als wir kürzlich im Chateau übernachteten, begleiteten wir unsere Freunde Carol und Tony in die Lobby. Carol ist eine Autorin für Comedy Central und Tony ist ein bekannter Comedian. Am Tisch neben uns unterhielten sich zwei dickbäuchige Mittvierziger über Filmprojekte, an denen sie gerade arbeiteten. Einer sagte: „Wir haben Matthew McConaughey angerufen und wir hatten ihn sogar wirklich am Telefon, aber er ist so eine Diva. Der Typ ist wirklich SO EINE Diva. Also haben wir mit Al Pacinos Agenten gesprochen und ich habe ihm gesagt: ‚Es ist nur eine kleine Rolle.’ Und er meinte: ‚Leute, es gibt keine kleinen Rollen, nur kleine Gagen.’ Wir haben ihm 50.000 geboten und er meinte, dafür würde er es Pacino nicht mal vorlegen.“ „50.000 sind also heutzutage eine kleine Gage.“ „Das ist der Grund, warum du den Typen in keinem Film mehr siehst.“ Die Kellnerin brachte Tony und Carol eine neue Runde Whiskey Sours und uns eine neue Runde Cola Light. Clancy sagte: „Da ist einer! Der Typ ist irgendein Star.“ Der Cast von Mad Men war hereingekommen. Die Frauen trugen bodenlange Ballkleider und Jon Hamm trug einen dreiteiligen blauen Anzug und eine breite rote Krawatte. „Ich spiele Poker mit ihm“, sagte Tony. „Er ist echt nett. Normalerweise zieht er sich nicht so an. Sonst trägt er einfach einen Pulli mit V-Ausschnitt. Ich bin mir ehrlich gesagt nicht mal sicher, ob er es wirklich ist.“ „Er ist es.“
Tony stand mit seinem Drink auf. Er ging ein paar Schritte auf Jon Hamm zu, dann drehte er sich wieder zu uns um: „Ich glaube, das ist nicht er.“ Er setzte sich wieder hin und sagte: „Als ich ihn zum ersten Mal traf, sagte er zu mir, dass er meine Arbeit sehr möge, und ich fühlte mich wie der komplette Idiot. Er ist wirklich ein netter Typ. Er ist seit 15 Jahren mit derselben Frau zusammen.“ Paul Rudd und der übergewichtige Schauspieler aus diesem einen Film, in dem Medizinstudenten versuchen, über Nahtoderlebnisse zur Erleuchtung zu gelangen, traten ins Hotel. Paul Rudd verzog sich, aber als der übergewichtige Schauspieler mit seiner Tochter einige Frauen traf, die selbst für L.A.-Maßstäbe bemerkenswert attraktiv waren, kam Paul Rudd zurück und setzte sich zu ihnen an den Tisch. „Ich sollte wirklich rübergehen und hallo sagen, und ich würde auch, aber ich bin mir wirklich ziemlich sicher, dass das nicht Jon Hamm ist“, sagte Tony. „Egal, ich bestelle ihm einfach einen Drink.“ Carol rollte mit den Augen, sagte aber nichts. Tony ging vier Meter rüber zu Jon Hamm— es hätte aber genauso gut ein kilometerlanger Graben sein können, über den er angesichts der ganzen sozialen Grenzen, die er hier brach, hinwegschritt. Wir sahen, wie Jon Hamm nicht hinsah, nicht hinsah, nicht hinsah—und er dann, als Tony plötzlich direkt vor ihm stand, die Hand ausstreckte. Er schüttelte Tonys Hand mit einem höflichen, aber angespannten Ausdruck und sagte dann „Will!“, als Will Arnett vorbeiging.

Jon Hamm drehte sich von Tony weg und ging ein paar Schritte auf Will Arnett zu, der sich kurz erschreckte und in Jon Hamms plötzlicher Aufmerksamkeit aufleuchtete. Dann drehte sich Jon Hamm auch von Will Arnett weg, der von einem Moment auf den anderen geschockt wirkte. „Was passiert da drüben?“, fragte Carol und kletterte über unser Sofa zum Tisch hinter uns, wo Elizabeth Moss und andere Mad Men-Crewmitglieder das Ende der Serie feierten. Tony sagte: „Carol! Schatz! Setz dich hin!“ Wir waren gerade mal drei Tage Gäste im Chateau Marmont, aber die Ausstrahlung dieses Ortes war so stark, dass wir uns wie zuhause fühlten. „Ziemlich verrückt, dass immer noch so viele Stars hierherkommen“, sagte Tony. „Ich zähle an die 30 berühmten Persönlichkeiten, die gerade hier abendessen.“ Carol hatte sich über die Couch zurück an unseren Platz geschlichen und hielt Augenkontakt mit Elizabeth Moss, die ziemlich geschmeichelt war und uns vielleicht gerade fragen wollte, ob wir uns nicht zu ihnen setzen wollen. Amie sagte „Okay!“ und stand auf, um anzudeuten, dass die Nacht zu einem Ende gekommen war. Ein Kellner, der offenbar zustimmte, hatte bereits unsere Rechnung parat. Als wir nach oben zu unserem Zimmer gingen, standen Carol und Tony noch an der Bar herum. Als Letztes sahen wir, wie sie an den Empfang herantraten und nach einem Zimmer fragten.