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Popkultur

Promi Big Brother könnte das Ende des herkömmlichen Trash-TV bedeuten

Kostenpflichtige Zusatzinhalte und Gelaber statt astreiner Asi-Unterhaltung—will Sat. 1 uns eigentlich verarschen?

Screenshot: Youtube

Klar, auch wir könnten uns genüsslich in der seichten Niveaubracke von Promi Big Brother suhlen. Intellektuell überlegen würden wir euch, unseren hochgeschätzten Lesern, vorhalten, dass kaum jemand der aktuellen Bewohner wirklich als „prominent“ gelten dürfte und dass wir uns ganz im Allgemeinen für diese Art von Asi-TV schämen. Machen wir aber nicht, weil das unsere Feuilleton-Kollegen aus anderen Onlineredaktionen schon übernommen haben. Und weil ich mich persönlich ein bisschen darauf gefreut habe, auf den großen Koks-Meltdown des Wendlers zu warten. Außerdem zählt auch Paul „der Motherfucking Bachelor“ Janke zum aktuellen BB-Cast und ich verehre ihn und sein stetig perfekt liegendes Haar mit an Besessenheit grenzender Inbrunst.

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Zusammengefasst: Die zweite Staffel von Promi Big Brother hätte durchaus Potential gehabt. Leider hat sich Sat. 1 aber dazu entschlossen, das tägliche Trash-Update als eine Art Trailer für seine Bezahlinhalte umzufunktionieren und uns normalen Fernsehkonsumenten den Alltag der Bewohner zwischen Luxus- und Kellerbereich vorzuenthalten. Wer wissen möchte, wie der Streit um Ex-Bachelor-Kandidatin Ela, die sich vollkommen zu recht nicht von alternden SM-Richtern betatschen lassen will, weitergegangen ist, muss zum kostenpflichtigen Streamingdienst der ProSiebenSat1 Media AG wechseln: Maxdome. Dort gibt es nämlich die Orwellsche Komplettüberwachung in verschiedenen Paketen. Dort lässt sich für rund 16 Euro der fünfzehntägige 24-Stunden-Live-Stream buchen. Für einzelne Tage berechnet der Anbieter an die 4 Euro.

Was einem anfangs noch als unnötiges Zusatzangebot für Menschen ohne eigenes Leben vorkommt, erscheint mir nach kurzer Zeit als der wahre Content der Show. Ich habe Big Brother (egal ob mit oder ohne bekannte Gesichter) nie in voller Länge verfolgt, habe das Format als solches aber doch deutlich einwohnerbezogener in Erinnerung. Statt tatsächlichen Einblicken in das Haus und die inszenierten Existenzkrisen seiner Bewohner gibt es kurze Teaser auf emotionale Höhe- respektive Tiefpunkte. Wenn es einmal nicht um Sex oder nackte Haut geht, muss zumindest das immer ein bisschen zu stark geschminkte Gesicht des Wendlers im Bild sein. Eklat, kurzes Follow-up, Bildwechsel. Immer, wenn es gerade interessant zu werden scheint, wechselt das Bild zu Moderator Jochen Schropp.

Der hat weniger Charisma als Paul Jankes Playmobil-Frisur und scheint jedes Mal regelrecht aufzuatmen, wenn er von Cindy aus Marzahn abgelöst wird. Die Krawall-Komikerin moderierte das Ganze im vergangenen Jahr noch an der Seite von Oliver Pocher, wurde nach den dramatisch eingefallenen Einschaltquoten aber offensichtlich zum komödiantischen Schlaglicht degradiert, das immer dann auftaucht, wenn Schropp gerade wieder die Luft ausgeht. Zusätzlich moderiert sie die Webshow, bei der sie im Anschluss an die Sendung an der Seite eines BILD-Redakteurs die aktuellen Geschehnisse bespricht. Was Cindy und Ingo nach ihren insgesamt rund 20 Minuten Sendezeit thematisch übrig gelassen haben, wird anschließend noch auf einem Zweitsender des Medienriesen zweitverwertet. Jochen Bendel und Melissa Khalaj zerreden in Promi Big Brother Late Night LIVE auch noch das letzte bisschen Sendezeit und fahren damit sogar höhere Quoten ein als die Hauptsendung. Ein Sendeformat, vier Kanäle und nur einer—der zusätzlich kostenpflichtige—liefert den wirklichen Content. Das Konzept zu Promi Big Brother ist einfach, aber genial. Ein bisschen so, als könne man bei YouTube nur die Kommentare lesen, für die Videos selbst müsste man aber extra bezahlen.

Macht Sat.1 damit nur den Anfang und erwarten uns seitens des Privatfernsehens zukünftig ähnliche Bezahlmodelle, um die Inhalte abrufen zu können, die bei den Sendern selbst lediglich angeteast werden? Simplifiziert sich das TV-Angebot dadurch erheblich, dass eine Produktion zeitversetzt auf verschiedenen Kanälen ausgeschlachtet wird, um das investierte Geld in jedem Fall wieder reinholen zu können? Während auf der einen Seite private und öffentliche Sender ihr Programm in nahezu vollem Umfang zumindest zeitlich begrenzt per Mediathek zur Verfügung stellen, könnte die finanzielle Zukunft der deutschen Fernsehlandschaft auch bei sinkenden Einschaltquoten und sich änderndem Konsumverhalten (weg vom Fernsehprogramm, hin zum zeitunabhängigem, kostenlosen Internet-Stream) in ebensolchen Zusatzangeboten liegen. Wobei die Bezeichnung „Zusatz“ hierbei im Auge des Betrachters liegen dürfte. Es bleibt zu hoffen, dass diese Praxis sich nicht durchsetzt. Wir alle haben unsere tägliche Dosis Paul Janke verdient—ganz ohne Zuzahlung.

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