Das passiert, wenn ein Augapfel-Tattoo schiefgeht
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Das passiert, wenn ein Augapfel-Tattoo schiefgeht

Vier Wochen nach der verbockten Prozedur weiß Catt Gallinger immer noch nicht genau, wie groß der Schaden an ihrem Auge wirklich ist.

Selbst als lila Tinte aus ihrem Augapfel lief, war für die Kanadierin Catt Gallinger noch alles in Ordnung.

Die 24-Jährige dachte sich laut eigener Aussage nichts dabei, weil der Tätowierer, der die Farbe in ihr linkes Auge injizierte (und auch ihr fester Freund gewesen sein soll) – sie immer wieder beschwichtigte. Außerdem soll er gesagt haben, dass es nicht ungewöhnlich sei, wenn das Auge massiv anschwillt. Erst als sie Experten um andere Meinungen zu der Prozedur bat, soll ihr klargeworden sein, dass die Schwellung und der Verlust der Sehkraft überhaupt nicht normal waren.

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Und jetzt, vier Wochen nach dem Tätowieren, wisse Gallinger nicht, ob sie mit ihrem linken Auge jemals wieder ordentlich sehen kann.

Diese Fotos entstanden kurz nach der Tätowierung

Dabei sollte sich Gallinger eigentlich mit Body Modifications auskennen: Sie hat neben vielen Tattoos auch eine gespaltene Zunge. Bei ihrer Augapfel-Tätowierung vertraute sie dem Tätowierer, der ihr geschworen haben soll, eine solche Prozedur schon erfolgreich durchgeführt zu haben.

Also willigte sie eines Abends schließlich ein und ließ ihr Auge zuerst betäuben und dann mit lila Tinte bearbeiten. Experten sagen, dass die ganze Prozedur normalerweise über einen Zeitraum von zwei bis drei Tagen hinweg durchgeführt werde, und dass dabei nur eine kleine Nadel und ein Kochsalzlösung-Tinten-Mix zum Einsatz kommen sollten. Wenn sich die Kochsalzlösung verflüchtigt, bleibt nur noch die Tinte im Augapfel zurück. Leider war die Betäubung das einzige, was Gallingers Tätowierer wohl richtig gemacht hat.

"Er verdünnte die Tinte nicht mit Kochsalzlösung, sondern injizierte sie mir direkt ins Auge. Außerdem verwendete er eine zu dicke Nadel und stach zu tief", sagt Gallinger gegenüber VICE. "Für die zwei Injektionen über und unter der Pupille brauchte er nur zehn Minuten."

Zwar schwoll das Auge sofort schmerzhaft an, aber der Tätowierer soll gesagt haben, dass das normal sei. Die 24-Jährige ging laut eigener Aussage direkt in ein Krankenhaus, aber weil Augapfel-Tattoos nicht sehr verbreitet sind, habe man ihr dort nicht weiterhelfen können und sie mit Schmerzmitteln und Antibiotika nach Hause geschickt.

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Dann, sagt sie, habe ihr Freund wie aus heiterem Himmel die Beziehung beendet, ohne einen Grund zu nennen. Laut Gallinger wollte er einfach nur nicht zugeben, das Augapfel-Tattoo verbockt zu haben. Die junge Frau holte sich dann eine zweite medizinische Meinung – was sie laut eigener Aussage schon viel früher hätte tun sollen. Selbst Wochen nach der Prozedur soll ihr Auge nämlich immer noch geschwollen und von einer Tintenkruste überzogen gewesen sein. Dazu kamen laut ihrer Aussage noch die Schmerzen und der Sehverlust.

Inzwischen berichtet Gallinger in den sozialen Medien über ihren Fall und rät den Leuten dazu, sich immer eingehend über Body-Mod-Künstler zu informieren. Außerdem plane sie, rechtliche Schritte einzuleiten.

Ein Vorher-Nachher-Vergleich

Wie Gallinger erzählt, will sie demnächst mit einem Augenspezialisten darüber reden, wie man die festsitzende Tinte am besten entfernt. Es besteht also Hoffnung, auch wenn man wegen der Seltenheit des Falles nicht sagen kann, was passieren wird.

"Die Schmerzen sind vergleichbar mit einem konstanten Krampf und variieren je nach Tagesform", sagt die 24-Jährige. "Immerhin kann ich wieder einigermaßen sehen. Eine Brille ist trotzdem nötig." Laut eigener Aussage muss Gallinger jetzt einfach abwarten. Wenn sich die Tinte verfestige, dann sei sie noch schwerer zu entfernen und könne die Sehkraft noch weiter beeinträchtigen. Und wenn sie zurück in Richtung Netzhaut wandere, könne es zu Nervenschäden kommen.

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Die ganze Situation und die öffentliche Reaktion sollen sich auch auf die psychische Gesundheit der jungen Frau ausgewirkt haben: Laut eigener Aussage will sie nicht mehr außer Haus gehen, nimmt immer mehr ab, hat das Modeln aufgegeben und leidet an schweren Depressionen.

"Die Angst ist groß", sagt Gallinger. "Ich wohne derzeit wieder bei meiner Mutter, weil ich es alleine einfach nicht aushalte." Die Depressionen seien teilweise so schlimm, dass sie vor lauter Angst nachts schon andere Leute aufwecken musste.

"Modeln ist ebenfalls unmöglich geworden, weil ich mich selbst nicht mehr im Spiegel anschauen kann. Wenn der Körper beschädigt wurde, fällt es schwer, selbstsicher aufzutreten."

Body-Modification-Künstler wissen, welche Risiken Augapfel-Tattoos bergen. In einem Interview mit der Huffington Post sagte der erfahrene Tätowierer Russ Foxx, dass die Langzeitfolgen dieser Prozedur unbekannt und nicht rückgängig zu machen seien.

"Das Ganze ist und bleibt ein experimenteller Eingriff. Wenn man sich für ein Augapfel-Tattoo entscheidet, dann muss man auch die etwaigen Folgen in Kauf nehmen", erklärte Foxx. Das Worst-Case-Szenario? Eine Erblindung oder gar der komplette Verlust des Auges.

Gallinger schlägt inzwischen in eine ähnliche Kerbe: "Ich würde niemandem empfehlen, sich die Augäpfel tätowieren zu lassen. Noch ist das Risiko viel zu groß. Und nein, ich werde mir mein anderes Auge genau deswegen auch niemals einfärben lassen."

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