Warum die Hoffnung auf schwarze Fußballschuhe nicht verloren ist
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Black is Beautiful

Warum die Hoffnung auf schwarze Fußballschuhe nicht verloren ist

Moderne Fußballschuhe sind knallbunt und unförmig, sehr zum Leidwesen vieler Fans. Doch es gibt Hoffnung: In Form von Experten und der natürlichen Farbenlehre.

Wie wir alle wissen—und viele von uns bedauern—, kommen moderne Fußballschuhe in einer breiten Palette von Farben und Materialien. In diesem Jahr tragen selbst solche Spieler, die von der Spielweise her eigentlich mit klobigen, schwarzen Stahlkappen-Botten unterwegs sein müssten, fliederfarbene Nike Mercurial Superfly Pros. Und Stichwort verrückte Materialien: Vor zwei Jahren trug Luis Suarez mit dem Samba primeknit den ersten gestrickten Fußballschuh der Welt. Machen wir uns nichts vor: Fußballschuhe sind längst ein Kuddelmuddel aus Farben, Extravaganz, Eitelkeit und Technologie geworden. Aber es gibt auch Hoffnung für alle Freunde schwarzer Fußballschuhe. Denn wo die meisten Spieler kunterbunt tragen, kann man sich mittlerweile am besten mit Schwarz abheben und zudem noch Bodenständigkeit und Zuverlässigkeit signalisieren.

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Manchmal ist das Obermaterial auch heute noch aus biegsamem Leder, was fast schon einer Hommage an die gute alte Zeit schwarzer Töppen gleichkommt. Doch die meiste Zeit haben wir es mit synthetisch hergestellten, fast schon NASA-würdigen Spezialfasern zu tun. Wie wir bis zu diesem Punkt gekommen sind? Dem lieben Geld—und einem Hummel-Sponsorendeal—sei Dank.

Alles begann im Jahr 1970. Die Engländer waren noch amtierende Weltmeister und die aufstrebende Hamburger Sportfirma Hummel wollte im lukrativen englischen Markt Fuß fassen. Man hatte bereits ein UK-Franchiseunternehmen eröffnet, das den fortschrittlich denkenden Geschäftsmann Brian Hewitt engagierte, um die deutsche Firma bekannter zu machen.

Hewitt erinnert sich, dass man bis dahin gerade mal 5.000 Hummel-Schuhe verkauft hatte, „nichts Großes eben. Darum sprach ich mit meinen Jungs und meinte: ‚Niemand hat es bisher gemacht, lasst uns die Schuhe weiß anmalen.'"

Mit diesen Worten hatte er, ohne es zu wissen, eine modische Kettenreaktion in Gang gesetzt, die die Fußballschuh-Landschaft für immer verändern sollte. Und zu solchen Farbexzessen „Made by Fila" führen sollte.

Nur kurze Zeit später lief kein Geringerer als Weltmeister und Everton-Mittelfeldspieler Alan Ball im englischen Supercup gegen Chelsea mit weißen Hummel-Schuhen auf.

Alan Ball mit seinen weißen Hummel-Schuhen | Foto: PA Images

Übrigens waren Balls erste Schuhe von Hummel gar nicht von Hummel, sondern von Adidas. Man hatte nämlich auf die Schnelle keinen Schuh des Hamburger Sportbekleidungsherstellers gefunden, der Ball passte. Darum nahm man einfach ein Adidas-Modell, übermalte ihn weiß und versah ihn mit einem Hummel-Logo. Das Problem war aber schon bald behoben und Ball Träger eines richtigen Hummel-Schuhs.

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Cameron Kippen ist ein weltbekannter Experte für psychosoziale und psychosexuelle Aspekte beim Schuhdesign. Er erzählte mir, dass nach der Premiere 1970 am Folgetag 12.000 Paar weiße Hummels verkauft wurden, also mehr als doppelt so viel wie jemals zuvor in England.

Schon bald trugen auch andere Spieler in England Hummel-Schuhe, manche auch farbige Kreationen: Charlie George von Arsenal etwa blieb den Vereinsfarben treu und entschied sich für Rot.

Doch trotz der schnellen Absatzerfolge blieben Fußballschuhe in den 70ern im Allgemein schwarz, sei es aufgrund von Herstellungsnormen oder der immer noch tief verwurzelten Abneigung gegenüber farbigen Schuhen bzw. seinen Trägern. Mein Vater, mittlerweile 55, hat mir erzählt, dass er sich in Kindheitstagen mal gewagt hatte, mit roten Schuhen zum Training zu erscheinen. Die verbale Abreibung hat er bis heute nicht vergessen.

Wie sich die Zeiten geändert haben: Damals musste man schon der Beste auf dem Platz sein, um seine extrovertierten Schuhe irgendwie rechtfertigen zu können. Heute hingegen kann auch ein kampfbetonter Spieler wie Martin Skrtel mit pinken Mercurials rumrennen.

Kippen erzählt weiter, dass in den 70ern und 80ern vermehrt farbige Elemente auftauchten, meist jedoch nur als Verzierungen oder auf der Sohle. In den 90ern wurde es dann erstmals richtig spannend, als plötzlich Neon der letzte Schrei war und Marken wie Lotto und Diadora mit ihrer Vorliebe für giftige Grün- und Blautöne erste Modesünden begingen. Es ist wohl kein Zufall, dass die 90er auch das Jahrzehnt Augenkrebs verursachender Torwarttrikots waren.

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Trotzdem blieben die meisten Schuhe überwiegend schwarz. Erst in den späten 90ern sah man immer mehr Schuhe, die Farbe nicht mehr nur für Verzierungen, sondern großflächig einsetzten. Nikes Einführung des blau-grau-goldenen Mercurial-Modells—getragen von Brasilien-Legende Ronaldo bei der WM 1998—spielte eine entscheidende Rolle dabei, die öffentliche Wahrnehmung von farbigen Fußballschuhen zu ändern. Und das bei Zuschauern wie Designern gleichermaßen.

Ronaldo setzt seine bunten Mercurials gut in Szene, indem er das 1:0 im WM-Halbfinale in Frankreich schießt | Foto: PA Images

Zidane—wie auch die meisten anderen Spieler der französischen Weltmeister-Mannschaft—trug das „Adidas Predators 98"-Modell. Der Schuh war nicht nur deutlich farbenfroher als andere Adidas-Modelle seiner Zeit (wie die hier von Andy Möller), sondern auch einer der am meisten gehypten aller Zeiten. Darum gilt das Modell aus Design-Sicht auch als echter Gamechanger.

Trotzdem war die Grundfarbe der Predators für etliche Jahre weiterhin Schwarz. Erst mit David Beckham—seinem Talent und Superstar-Status sei Dank—wurden die Preds weiß und sogar champagnerfarben.

Die ersten Jahre im 21. Jahrhundert sahen immer verrücktere Farbkombinationen. Dies wurde durch immer lukrativere Sponsorenverträge, eingefädelt durch immer einflussreichere Agenten, möglich. Schon im Jahr 2000 trugen mehr und mehr Topspieler knallbuntes Schuhwerk von Nike und Adidas, was einige Jahre früher zu abfälligen und leider auch homophoben Fan-Gesängen geführt hätte.

In den letzten Jahren wurden farbige Schuhe zu einem stinknormalen Aspekt im Fußballsport. Das geht sogar so weit, dass 2016 der schwarze Schuh fast komplett vom Aussterben bedroht scheint—auch wenn dieser Trend vielen Fans gehörig auf die Nerven geht. Was ist passiert?

Auf psychologischer Ebene sollen knallige Farben den Konsumenten anziehen. Schließlich fallen uns knallrot leuchtende Schuhe mehr auf als solche in mattschwarzer Ausführung. Außerdem helfen uns auffällige Farben und Designs dabei, die einzelnen Hersteller besser voneinander zu unterscheiden. Sei es nun Nike, Adidas, New Balance, Reebok oder Puma, allesamt buhlen um die Aufmerksamkeit von potentiellen Käufern. Käufern, die regelmäßig Messi oder Müller im Fernsehen sehen und mit deren Schuhen die eine oder andere Heldentat nachahmen wollen. Ja, auch wenn es vielen Fans nicht schmeckt, Fußballschuhe sehen immer mehr wie eine Hommage an Henri-Matisse-Bilder aus. Doch ist am Ende des Tunnels wieder Licht zu erkennen?

Denn wo alle bunt tragen, gilt Schwarz als „sichere" Farbe, die für Bestimmtheit und Autorität steht. Kippen sagt, dass Schwarz die Farbe erster Wahl für all diejenigen geworden ist, die sich vom restlichen Team als besonders verlässlicher Spieler abheben wollen. Darum sei es auch kein Wunder, so Kippen, dass die meisten Spieler bei der WM 2014 mit schwarzem Schuhwerk Torhüter gewesen sind. Andererseits, wo alle bunt tragen, hat Schwarz fast schon wieder das Potenzial, als exotisch zu gelten. Als Farbe, mit der man sich noch wirklich abheben kann. Zumal sie zudem noch mit den positiven Attributen Fußballtradition und Ursprünglichkeit verbunden ist. Außerdem streben Stars gerne nach Exklusivität, und Schwarz gilt im Mode- und Lifestyle-Bereich häufig als Premium-Ausdruck (Diesel Black Gold, Fitness First Black Label usw.).

Millionen von Fußballfans auf der ganzen Welt hoffen, dass sich ihre gefeierten Superstars möglichst bald wieder an das Motto „Black is beautiful" zurückerinnern. Weil schlicht und schwarz einfach am schönsten sind.