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Alkohol

Blaue Eiskugeln und Ranieri-Masken: Wir waren bei Leicesters Titel-Parade dabei

Während die Helden mit dem Pokal im Anschlag durch die Stadt tourten, haben wir uns von echten Foxes erklären lassen, was der Titel für ihre Stadt bedeutet.
All images by Will Magee

Als ich einige Stunden vor Beginn der Titelparade in Leicester ankomme, ist die Stimmung in der Stadt schon fühlbar beschwingt. Busfahrer hupen beim Vorbeifahren an den Gruppen blaugekleideter Fans, die sich vor den Pubs und Cafés versammelt haben. Hier und da hört man Feuerwerksknaller. Freunde und Familien haben sich strategisch an der Route positioniert, die später von den Spielern des neuen englischen Meisters samt ihrer Premier-League-Trophäe beehrt werden wird.

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Verkäufer versuchen an fast jeder Ecke, ihre Leicester-Shirts und Flaggen an den Mann zu bringen. Kinder essen blaue Eiskugeln, während sie blaue Luftballons nach sich ziehen. Vielerorts ertönen lautstarke Fangesänge, oft von Anhängern, die mit Claudio-Ranieri-Masken auf ihre Helden warten. Die Sonne scheint, das Bier fließt und die allgemeine Begeisterung wächst. In wenigen Stunden werden die Fans und ihre Helden wieder vereint sein.

Neben die Begeisterung mischt sich auch eine gute Portion Ungläubigkeit. Schließlich gilt es, heute die allererste Meisterschaft der Klubgeschichte zu feiern. Eingefahren von einer Mannschaft, die vor Saisonbeginn als Abstiegskandidat gehandelt wurde.

Was bis vor wenigen Monaten als absolut unmöglich galt, ist wie durch ein Wunder wahr geworden.

Während sich viele in Leicester immer noch kneifen müssen, wissen doch die meisten, was die Meisterschaft für die Fans und die Stadt bedeutet. David, Foxes-Fan seit 47 Jahren, erzählt mir: „Es ist fantastisch, wirklich. Einfach unglaublich. Ich habe deswegen auch schon geweint. Es gehört zu den größten Momenten in meinem Leben."

„Fast jeder Fußballfan hierzulande war am Ende für Leicester. Was sagt das bitte über uns aus? So etwas habe ich noch nie gesehen." Als ich von David wissen will, ob Leicesters Titel die bedeutendste Errungenschaft in der Geschichte der Premier League ist, akzeptiert er keine zweite Meinung.

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Als der Start der Parade näher rückt, ist die Innenstadt bereits gänzlich mit Menschen überfüllt. Für eine bessere Sicht klettern Fans auf Straßenschilder, Gebäude und Bushaltestellen. Balkone sind vollgestopft mit Schaulustigen, auch an den Fenstern sieht man die Gesichter vieler Menschen. Als man endlich aus der Entfernung den Bus hört, hat man Schwierigkeiten, sich überhaupt noch zu bewegen.

Als der Buskonvoi dann an uns vorbeifahrt, habe ich Angst, dass mein Trommelfell platzen könnte. Während im vorderen Bus die Meistermannschaft sitzt, scheinen die restlichen wichtige Kluboffizielle und Würdenträger zu kutschieren. Jeder Einzelne wird mit tobendem Applaus und einem Meer aus Fahnen empfangen, natürlich darf auch nicht der Radau von Lufthörnern fehlen.

Nachdem uns der Konvoi passiert hat, geht alles ganz schnell. Ein blauer Fluss schwappt mitten durch die Stadt, denn die Fans machen sich auf den Weg zum nächsten Aussichtspunkt. Mit mehr als 240.000 Menschen in der Stadt wird die Parade zu einem einzigen Spektakel. Es fühlt sich fast so an, als wären die Fans für eine Art Pilgerfahrt hier. Eine Pilgerfahrt mit nur einem Ziel: einen Blick auf die gefeierten Helden samt Meisterschaftstrophäe zu erhaschen.

Auf dem Weg treffe ich einen Mann mit einer selbstgenähten Leicester-Weste und der dazu passenden Hose. Dangerous Dave—so will er genannt werden—erklärt mir, wie sehr die Meisterschaft die Stadt und ihre Bewohner zusammengeschweißt hätte. „Du musst dich nur umschauen, um zu verstehen, was das für uns bedeutet. Wir sind wie die Vereinten Nationen. Solche Sachen verbinden die Menschen, oder?

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„Ich hätte das nie für möglich gehalten. Ich dachte, wir landen im Tabellenmittelfeld, würden vielleicht einen Pokal gewinnen, mehr nicht. Ich bin ganz aus dem Häuschen, hin und weg—ich bin gar nicht mehr hier!"

Die Fans strömen in Richtung Bahnhof, wo der Buskonvoi jede Minute erwartet wird. Als er schließlich auftaucht, bricht ein erneuter Jubelsturm los. Die Premier-League-Trophäe glänzt in der Nachmittagssonne, während Spieler und Trainer den abertausenden Fans zuwinken.

Als der Konvoi Richtung London Road weiterzieht, wollen auch die örtlichen Ladenbesitzer mitfeiern. Ich spreche mit Alum, Inhaber eines indischen Restaurants, über die Bedeutung des Titels für sein Geschäft. Er erzählt mir: „Ich hoffe, dass in unserer Stadt in der Zukunft mehr los sein wird. Ich glaube, das wäre für alle Geschäfte der Umgebung von Vorteil.

„Alle sind glücklich. Hoffentlich wird Leicester in der ganzen Welt berühmt. Selbst Tom Hanks kennt uns ja schon. Ohne unseren Titel hätte er nie von Leicester erfahren", sagt er lachend.

Die Parade nähert sich nun ihrer Endstation, dem weitläufigen Victoria Park im Südosten der Stadt. Der Abend rückt näher, die Fans versuchen, die letzten Sonnenstrahlen mitzunehmen. Viele von ihnen haben eine Bierdose in der Hand und warten darauf, dass es endlich losgeht. Hinter ihnen, auf der riesigen Bühne, sollen in wenigen Minuten die Leicester-Stars präsentiert werden. Als sie kommen, gibt es Feuerwerk und Konfettiregen, während die Fans noch lauter schreien als jemals zuvor.

Bevor ich mit den anderen Fans in das Nachtleben von Leicester weiterziehe, treffe ich noch Jeremy. Er ist Leicester-Fan seit Kindheitstagen und extra aus Cambridge angereist. Er erinnert mich an die unglaubliche Geschichte dieses Vereins. „Ich gehöre zu den Glücklichen, die mit Steve Walsh, Gerry Taggart und Steve Claridge aufgewachsen sind", erzählt er mir. „Dann folgte der Absturz, bis Pearson kam und für Stabilität gesorgt hat."

„Trotzdem hätte sich keiner zu träumen gewagt, dass so etwas passieren würde. Ich kann noch immer nicht fassen, dass es passiert ist."