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Das systematische Ausbluten der schwedischen Liga

Weil die Saison in Schweden im Sommer läuft, ist das Transferfenster deutlich kürzer. Spieler können zwar ins Ausland wechseln, die Klubs können sich aber keine neuen Spieler kaufen. Ein System, das niemand in Schweden versteht.
Alle Fotos: Imago

Mit dem Schweinsteiger-Wechsel zu Manchester United wurde vor wenigen Tagen der bislang größte Transferhammer der Bundesliga-Sommerpause vermeldet, der seitdem unter Fußballfans für reichlich Gesprächsstoff sorgt. Auch in Schweden wird dieser Tage viel über Transfers gesprochen, aber nicht über einzelne Spieler, die wechseln. Vielmehr geht es um das System der Transferperioden, das dem schwedischen Fußball nur Nachteile bringt. Das Transferfenster der Allsvenskan, der ersten Liga in Schweden, öffnete sich nämlich erst am 15. Juli—und damit zwei Wochen später als in den meisten europäischen Ligen.

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Was sich erstmal relativ harmlos anhört, hat weitreichende Folgen. Denn der Transferstop bis zum 15. Juli verbietet nur eigene Verpflichtungen, nicht aber den Verkauf von Spielern. Ein Klub, der (mal wieder) davon ein Lied singen kann, ist der amtierende schwedische Meister Malmö FF. Dessen Stammtorhüter Robin Olsen ist am 1. Juli mit sofortiger Wirkung zum griechischen Erstligisten PAOK Saloniki gewechselt, ohne dass man auf dem Transfermarkt für Ersatz sorgen konnte—eine Tatsache, die Malmö vor erhebliche Probleme gestellt hat.

Wir müssen etwas an dieser Situation ändern. Der schwedische Fußball ist so extrem im Nachteil.

Denn nicht nur, dass in Schweden die Saison noch läuft (besser gesagt ist gerade mal die erste Saisonhälfte gespielt), Malmö befindet sich auch mitten in den Qualifikationsspielen für die kommende Champions-League-Gruppenphase. Am 15. Juli ging es in der 2. Runde—als schwedischer Meister durfte Malmö die erste Quali-Runde überspringen—im heimischen Swedbank-Stadion gegen Žalgiris Vilnius los (das Spiel endete 0:0). Nur eben ohne nominelle Nummer 1 zwischen den Pfosten. Nach dem Abgang ihres Stammtorhüters musste sich Malmö bis zum 15. Juli gedulden, um einen Nachfolger für Olsen—der nach Abschluss der letzten Saison zum besten Torwart der schwedischen Liga gewählt wurde—verpflichten zu können. Und selbst wenn sie noch direkt am 15. auf dem Transfermarkt zugeschlagen hätten, für die beiden Spiele gegen den Vertreter aus Litauen wäre ein neuer Torwart eh zu spät gekommen. Bis zum 12. Juli musste nämlich der Kader für die 2. Runde der Qualifikationsspiele feststehen.

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Olsen—hier noch im Trikot von Malmö FF gegen Salzburg, damals noch mit Kevin Kampl—ist mittlerweile Richtung Griechenland abgeflogen.

Da man in Malmö in dieser Saison bisher weit hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben ist, und die dritte Meisterschaft (die man in Schweden mit dem Gewinn der „Goldmedaille" verbindet) in Folge wohl nur noch auf dem Papier möglich ist, geht es für den Verein aus Südschweden jetzt darum, die Saison noch irgendwie zu retten—am liebsten natürlich mit einer erneuten CL-Teilnahme und damit verbundenen Millioneneinkünften. Dafür wäre es natürlich schön und hilfreich gewesen, mit einem echten Stammkeeper in die Spiele gegen Žalgiris Vilnius gehen zu dürfen und als Ersatztorwart nicht unbedingt den erst 16-Jährigen Marko Johansson auf die Bank setzen zu müssen. Schon im letzten Jahr war man in die Königsklasse eingezogen, nachdem man in den alles entscheidenden Playoff-Spielen sensationell den favorisierten Brauseclub aus Salzburg aus dem Wettbewerb kegeln konnte.

Viel Zeit zur Marktsondierung haben Malmö und die anderen Verein aus Schweden übrigens auch nicht. Denn ihr Transferfenster schließt sich schon wieder am 11. August. Das hat—wer hätte es gedacht—mal wieder mit dem Regelwerk der FIFA zu tun. Dieses sieht nämlich vor, dass Transferfenster während der laufenden Saison nicht länger als vier Wochen offen sein dürfen. Mit anderen Worten entspricht das Sommer-Transferfenster Schwedens dem unserer Winterpause, was wiederum damit zusammenhängt, dass die Saison in Schweden—aufgrund des langen und kalten Winters—von April bis November geht. Erst nach Abschluss der Saison ist ein zweites Transferfenster vorgesehen, das bis zu 12 Wochen geöffnet sein darf (in der Bundesliga vom 1. Juli bis zum 31. August), in Schweden aber auf Januar bis März fällt.

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Was sich schon für den Leser kompliziert anhört, macht die Kaderplanung für schwedische Vereine zur intellektuellen Herkulesaufgabe. Schließlich können die Teams am 11. August schlicht und einfach noch nicht wissen, ob etwa in den verbleibenden zweieinhalb Wochen bis Ende August ein europäisches Topteam mit vollen Taschen auf sie zukommen wird. Aber könnte man zu einer Transferanfrage nicht einfach nein sagen? „Klar, könnte man", meint Jesper Jansson, seit 2008 Sportdirektor beim schwedischen Erstligisten Helsingborgs IF. „Doch gleichzeitig tragen wir auch eine wirtschaftliche Verantwortung. Bei manchen Angeboten ist es aus verschiedenen Gründen faktisch fast unmöglich, nein zu sagen. Gleichzeitig können wir aber nicht einfach schon im Juli auf gut Glück für dieselbe Position einen Spieler verpflichten, nur weil wir glauben, dass ein ausländischer Verein irgendwann im August auf uns zukommen könnte.

Mats Jingblad, Sportdirektor von Hammarby IF—ein weiterer Verein aus der Allsvenskan—, weiß nur zu gut, wovon sein Kollege da spricht. Denn erst vor wenigen Wochen sah man sich in Hammarby aufgrund eines äußerst lukrativen Angebots aus der Türkei gezwungen, seinen Stammtorwart ziehen zu lassen. Und das, obwohl bis zum 15. Juli noch fünf Ligaspiele auf dem Programm standen. „Wir müssen etwas an dieser Situation ändern. Der schwedische Fußball ist so extrem im Nachteil."

Doch wie könnten mögliche Lösungsvorschläge aussehen? Wenn es nach dem Sportdirektor von Malmö FF, Daniel Andersson, geht, sollte als Übergangslösung das Transferfenster in Schweden um eine Woche vorverlegt werden, um sicherzustellen, dass Mannschaften wie Malmö oder auch AIK Stockholm—die um den Einzug in die Gruppenphase der Europa League kämpfen—schon in der zweiten Runde ihre Neuzugänge einsetzen können. Das wiederum hätte aber zur Folge, dass man nach hinten raus noch länger hoffen und bangen müsste, dass kein ausländischer Verein auf die Idee kommt, Spieler X verpflichten zu wollen. Denn: Jeder Spieler in Schweden, der nach besagtem Stichtag den Verein verlässt, kann erst nach dem Ende der Saison ersetzt werden (nämlich dann, wenn in Schweden das zweite—und längere—Transferfenster aufgeht).

Hier lächeln Malmö-Sportchef Daniel Andersson (rechts) und der neuverpflichtete Abwehrroutinier Kari Arnason um die Wette. Aufgrund des Transferfensters in Schweden ist der isländische Nationalspieler gegen Žalgiris Vilnius aber noch nicht spielberechtigt.

Ein Alternativvorschlag kommt von Hammarbys Sportdirektor, der anregt, dass man das Transferfenster in Schweden abhängig vom kommenden Europapokal-Kalender legen könnte. Malmös Andersson glaubt aber nicht, dass sich die FIFA auf eine Lösung mit flexiblen Daten einlassen würde.

Andersson geht noch einen Schritt weiter als seine Kollegen und regt eine umfassende Reform der schwedischen Fußballliga an. Die würde vorsehen, dass auch in Schweden von Spätsommer bis Frühjahr gespielt wird. Nur so könne man nämlich sicherstellen, dass die Transferfenster in Schweden und dem Rest Europas zeitlich zusammenfallen. Eine solche Reform würde außerdem eine Harmonisierung der Spielpläne zur Folge haben. So könnte man dann auch in Zukunft verhindern, dass eine schwedische Mannschaft—wie letztes Jahr Malmö FF—ihre letzten Begegnungen der Champions-League-Gruppenphase nach dem Ende der Allsvenskan-Saison bestreiten muss.

Wir sagen: Will die schwedische Liga endlich attraktiver für ausländische Spieler (und Investoren) werden, bedarf es echte und tiefgreifende Reformen—also klotzen, nicht kleckern. Das gilt übrigens auch für andere Länder wie Norwegen und Finnland, deren Ligen ebenso stark abweichende Transferfenster haben.