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Menschenhandel

Wie ein liberischer Fußballer Minderjährige nach Laos verkaufte

Mit seiner frei erfundenen Fußballakademie spielt Alex Karmo skrupellos mit den Träumen junger afrikanischer Fußballer. Was ihnen bleibt, ist pure Enttäuschung und der Verlust ihrer Freiheit.
Foto: liberiansoccer.com

„Es ist die tragische Geschichte junger Spieler aus einem Land, das sich in einer Krise befindet. Einem Land, in dem die Zukunft alles andere als vielversprechend ist." So beschreibt Anthony Baffoe, (selber früher Profikicker beim 1.FC Köln und Fortuna Düsseldorf) Generalsekretär der ghanaischen Fußballergewerkschaft, die Situation um die gestrandeten 21 liberischen Fußballspieler. 15 von ihnen sind minderjährig.

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Es ist eine Geschichte, in der es um Menschenhandel geht und um das Verhalten von (Möchtegern-) Fußball-Offiziellen, dass an Sklaverei grenzt. Dreh- und Angelpunkt dieses Dramas ist ein afrikanischer Mittelsmann, der mit den Träumen der jungen Fußballern skrupellos spielt und die jungen Spieler verhökert als seien sie ein Stück Vieh.

Was zurück bleibt, sind verzweifelte Kids, die einem aus der Not geborenen Traum hinterherlaufen und nun einen hohen Preis dafür zahlen mussten: ihrer Freiheit.

Alex Karmo ist dieser Mittelsmann. Mit seinen 25 Jahren ist der aktuelle Nationalspieler Liberias selbst noch im besten Fußballalter. Neben Karmos Engagement bei dem laotischen Erstligaverein SHB Champasak United steht auf seiner persönlichen Agenda auch das Vermitteln junger Spieler aus Liberia nach Laos.

Alles begann im Dezember 2014. Karmo kontaktierte den befreundeten Präsidenten des unterklassigen liberischen Vereins Rising Stars. Er suche junge Talente, für die neu entstandene Idsea-Akademie. Ein Fußballleistungszentrum angeschlossen an den Verein SHB Champasak, für den er spielt. Die Akademie schreibt sich selbst auf die Fahne, „die großen Stars von morgen" zu produzieren und der direkte Zulieferer für das Profi-Team zu sein. Zudem würden sie die Chance bieten, der Türöffner für Probetrainings bei Top-Vereinen in Afrika, Asien, Australien, Europa und Amerika zu sein—also die Möglichkeit auf Probetrainings in so ziemlich jeder großen Liga der Welt. Als ambitionierter Fußballer aus unterprivilegierten Verhältnissen, wäre ein solches Angebot wie ein Traum, der in Erfüllung gehen würde.

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Und so köderte er 25 Spieler, die sich auf das große Abenteuer in dem fernen Land einlassen wollten, wohl ohne zu wissen, wo Laos eigentlich liegt und was sie dort wirklich erwarten würde.

Wahrscheinlich war es aber auch eine Mischung aus jugendlichen Träumereien und katastrophalen Lebensumständen in ihrem Heimatland, das neben den großen Versprechungen Karmos, zu dem blinden Vertrauen der jungen Talente geführt hat. Der Aufbruch ins Unbekannte war also wohl eher eine Kurzschlussreaktion, als ein gut durchdachter Karriereschritt.

Alex Karmo versprach einen Beitrittsbonus von 1000 US Dollar, ein Laptop und eine Schulausbildung, sowie 25 Dollar pro absolvierter Trainingseinheit. Auch die 550 Dollar, die für den gesamten Trip pro Kopf veranschlagt wurden, würden erstattet werden. Für die zum Großteil armen Familien der jungen Spieler ein interessantes Angebot. Deswegen nahmen viele von ihnen auch Kredite auf, um das Geld für die Teilnahme vorstrecken zu können, den Traum ihrer Kinder zu ermöglichen und vielleicht somit irgendwann der Armut zu entfliehen.

Böses Erwachen in Laos

„Es war schrecklich. Man kann doch nicht 30 Leute in einem Raum schlafen lassen", erzählt Kesselly Kamara der BBC. Kesselly ist 14 Jahre und eines der Opfer von Alex Karmos Masche. Auch er kam mit großen Hoffnungen, Träumen von einer Karriere als Fußballprofi. Doch was er in Laos vorfand, war erschreckend und genau das Gegenteil, was er erwartet hatte. Zwar bekam er nach kurzer Zeit die Chance für das Profi-Team aufzulaufen, er schoss sogar ein Tor in einem regulären Ligaspiel, doch zuvor stellte der Verein sicher, dass der 14-Jährige einen Sechsjahresvertrag unterzeichnete. Ein Vertrag, der ihm ein reguläres Einkommen und eine Unterkunft versprach. Versprechungen, die aber nie eingehalten wurden, wie er sagt. Im Gegenteil. Was er und die restlichen liberischen Spieler bekamen, war eine Unterkunft in einem Haus ohne verschließbare Fenster und Türen. Teilweise wurde sogar auf dem Boden des Stadions geschlafen. Sollte das das Leben eines angehenden Profis sein?

Foto: imago/ VI Images; Der Mannschaftsbus der Idsea-Akademie

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Der liberische Journalist Wleh Bedell begleitete Anfang des Jahres die Gruppe um den 14-jährigen Kesselly Kamara nach Laos. Auch seine Einschätzung zur Situation um die Idsea-Akademie sind niederschmetternd. „Idsea ist eine frei erfundene Fußball-Akademie. Sie haben weder einen richtigen Trainer noch einen Doktor." Das operative Geschäft, sei es auf dem Fußballplatz oder in Hinsicht auf die Verträge mit den Spielern laufe über Alex Karmo. „Es ist absolut bizarr", so Bedell.

Von Vereinsseite hieß es, sie würden keine professionellen Verträge mit Minderjährigen abschließen. Sie bekämen lediglich einen Vertrag, der ihnen Bonuszahlungen zusichere.

Nach Ablauf dieser Verträge, die anscheinend auch einen Einfluss auf das Aufenthaltsrecht und die Visas für Laos beinhalteten, sehen sich bis heute noch einige der Spieler der Illegalität ausgesetzt. So befinden sich die Spieler in einer Zwickmühle. Die Pässe seit der Ankunft vom Verein einkassiert, halten sich bis heute noch viele Spieler nur im Stadion auf. Der Ort an dem sie zweimal pro Tag trainieren und teilweise auch schlafen.

Foto: imago/VI Images; Das Stadion von SHB Champasak United

Dadurch ist die Freiheit der Minderjährigen massiv eingeschränkt und die Angst, für ihren illegalen Aufenthalt in Laos bestraft zu werden, hängt von Tag zu Tag über ihren Köpfen wie ein Damoklesschwert.

Der Menschenhandel mit jungen westafrikanischen Fußballern blüht

FIFA-Regularien verbieten die Transaktionen von minderjährigen Spielern zu ausländischen Klubs. Mit dem Langzeitvertrag, den der 14-Jährige Kesselly erhielt, verstieß der laotische Fußballverein klar gegen diese Auflagen. Doch von Seiten des Vereins wird ein Fehlverhalten noch immer vehement abgestritten.

Die weltweite Spielervereinigung FIFPro setzte sich nun für die 21 gestrandeten liberischen Spieler ein. Stéphane Burchkalter, afrikanischer Generalsekretär der Organisation bezeichnete die Situation als „schockierend". Es sei unverständlich, wie ein kleiner laotischer Verein 21 minderjährige Spieler aus Liberia in ein so fernes Land locken kann, ohne dass die FIFA davon etwas bemerkt und dagegen vorgeht. Zudem vermutet die FIFPro, dass dies kein Einzelfall sei und bezeichnete das Drama um den laotischen Verein SHB Champasak United und seine Idsea-Akademie als „die Spitze des Eisbergs". Der Menschenhandel mit jungen westafrikanischen Fußballern blüht. Laut einer Schätzung der NGO Culture Foot Solidaire werden pro Jahr bis zu 15.000 junge Fußballer aus Westafrika an Vereine im Ausland verschachert und viele dieser Deals sind illegale Transaktionen mit Minderjährigen.

Dank der Bemühungen von FIFPro wurden im April diesen Jahres 16 der 21 Spiele aus den Fängen des laotischen Vereins befreit. Doch einige Familien der zurückgekehrten Spieler sehen sich nun einer neuen Hürde ausgesetzt. Aufgrund der für die Reise aufgenommenen Kredite haben sie nun mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Leidtragenden sind wieder einmal die jungen Spieler. Noch Wochen nach ihrer Rücker befand sich ein Teil von ihnen in einem Flüchtlingslager in Ghanas Hauptstadt Accra. Der Grund: Ihren Eltern war es nicht möglich, die Rückreise nach Liberia zu finanzieren.

„In den Augen der FIFPro ist SHB Champasak United und seine sogenannte Akademie ein klarer Fall von Kinderhandel. Sie treten an junge afrikanische Spieler heran und ködern sie mit Geschichten über eine goldene Zukunft. In Realität wird aber nicht annähernd etwas für eine positive Entwicklung der Spieler getan. Kein vernünftiges Training, keine schulische Ausbildung", erklärt Anthony Baffoe. Das Beispiel des laotischen Vereins zeigt, wie junge Menschen mit einem Traum verarscht und ausgebeutet werden und es sollte jedem ambitionierten Spieler verdeutlichen, egal wie prekär seine finanzielle Lage in seinem Heimatland sein mag, seine Freiheit nicht an irgendein wertloses Fußball-Programm zu geben. Nach Angaben des liberischen Fußballverbandes wurde Alex Karmo am 17. Juli offiziell als Leiter der Idsea-Akademie entlassen. Angeblich wegen einer Auseinandersetzung mit dem Präsidenten des Vereins. Mittlerweile wurde auch von Seiten der FIFA eine Freigabe der sich immer noch in Laos aufhaltenden Spieler gefordert und der laotische Fußballverband ermahnt sich zeitnah dafür einzusetzen.

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