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Liebling, ich habe die Katze verbrannt

Wir zünden eine weitere Kerze für unsere verblichenen Haustiere an: Den anstatt euer totes Haustier im Garten zu vergraben oder die Toilette hinunterzuspülen könnt ihr es auch einfach einäschern lassen.

Wollt ihr euer totes Meerschweinchen um den Hals tragen? Oder vielleicht eure Katze am Finger? Nein, das ist kein perverses Spielchen mit totem Tierschmuck, sondern ein ernst gemeintes Angebot.
Wenn ihr eines Tages feststellen müsst, dass euer geliebtes Haustier das Zeitliche gesegnet hat, lautet die Frage: Was mache ich jetzt mit Hasi, Mausi oder Mietzi? Nach dem TierNebG (Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz) ist man grundsätzlich dazu verpflichtet, das tote Tier zu melden bzw. beim Tierarzt abzugeben, damit der dann aus eurem kleinen Gefährten hübschen Sondermüll machen kann. In den sogenannten Tierkörperbeseitigungsanstalten wird in industriellen Mühlen und vollautomatischen Großkesseln von der Ratte bis zur süßen Schmusekatze alles zerfetzt, zerkleinert und zerkocht. Was übrig bleibt, ist das, was man noch „brauchen“ (also quasi verkaufen) kann: Tierkörperfette und Knochenmehl, die für Cremes, Kerzen, Seifen oder als Futter für Nutztiere wiederverwendet werden. Da wird doch jedem Tierliebhaber warm ums Herz. Übrigens ist es verboten, sein Haustier im eigenen Garten zu verbuddeln. Aber bevor ihr eurem Liebling diesem Schicksal  aussetzt, möglicherweise als Zahnpasta zu enden, habt ihr hier noch eine eine andere Alternative: das Tierkrematorium PORTALEUM.

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Der Geschäftsführer, Klaus Büchner, betreibt dieses Krematorium für Tiere seit ungefähr einem Jahr im abgeschiedenen Berlin-Pankow. Nachdem er zunächst in der Immobilienbranche tätig war, wollte er sich neu orientieren. Tote Tiere sind seitdem sein großes Geschäft. Seinen verstorbenen Hund damals beim Tierarzt lassen zu müssen, hat er nie wirklich verkraftet. „Da es hier in der Gegend noch nichts derartiges gab, dachte ich mir: 'Geile Geschäftsidee!'“ Um herauszufinden, was genau sein Unternehmen von einer normalen Tierbeseitigungsanstalt unterscheidet, habe ich ihm einen kleinen Besuch abgestattet und ich lade euch hiermit ein, mich auf dem gruseligen und gleichzeitig traurigen Rundgang zu begleiten.

Gleich zu Beginn, während ich auf den Geschäftsführer im Empfangsbereich warte, stolziert im Garten eine ältere Dame vorbei. Völlig abwesend stellt sie im Garten zwei frische Rosen in eine kleine Vase. Klaus klärt mich auf, dass diese Dame mindestens zwei mal die Woche zu dem Grab kommt, wo die Asche ihres verstorbenen Pudels liegt. „Die Leute sind in einer emotionalen Ausnahmesituation. Sie stehen völlig neben sich. Sie haben einen Kameraden verloren. Wie Eltern ein kleines Kind.“
Später kommt ein Ehepaar herein. Die Frau trägt eine Katze bei sich, eingewickelt in eine Decke. Klaus empfängt die beiden und setzt schnell sein „Mein Beileid“-Gesicht auf. Die Besitzer wollen Hanna sofort einäschern und bekommen nochmal ein paar Minuten, um sich zu verabschieden. Hannas Frauchen küsst den toten Körper, krault ihr das Köpfchen, aber Hanna schnurrt nicht mehr.

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Wenn die Besitzer ihr Tier nicht selber vorbeibringen, holt sie das PORTALEUM auch von zu Hause ab. Ich bin ein wenig enttäuscht, als Klaus mir erzählt, dass sie keinen typischen Leichenwagen mit abgedeckten Fensterscheiben fahren: „Klar sind wir ein Bestattungsunternehmen für Tiere und Bestattung hat immer was mit Tod zu tun. Und etwas mit Pietät. Aber was wir nicht wollen, ist eine Vermenschlichung. Tiere sind ein ganz wichtiger Bestandteil vom Leben, aber sie haben ihre eigene Welt.“
Die Tiere, die nicht sofort eingeäschert werden sollen, kommen in den Kühlschrank. Na ja, eher ein Raum, in dem die „eingetüteten“ Tiere kühl gehalten werden und darauf warten, in den Ofen zu wandern oder auch in das „Regenbogenland“—der Ort, an den Tiere nach ihrem Tot kommen, quasi das Paradies der Tiere. Ich frage mich, wohin die bösartigen Tiere mit schlechtem Karma kommen. Bevor die Haustiere also geröstet werden, haben Herrchen und Frauchen die Möglichkeit „Lebewohl zu sagen“, auf ihre ganz eigene Art und Weise. Es gibt zwei verschiedene Abschiedsräume. Das Tier wird dann auf einen Tisch, Hocker oder in einen Korb gelegt, abgedeckt, eine Blume wird auf den toten Körper gelegt und dann darf so lange geheult werden, wie man will. Ich frage Klaus, ob er selbst auch schon ein paar Worte auf den Trauerfeiern gesprochen hat. „Wenn sie das möchten, mache ich das. Dann tragen wir das Gedicht der Regenbogenbrücke vor. Aber wie gesagt, wir wollen hier nichts vermenschlichen. Wir machen keine Trauerfeiern in dem Sinne, das hat auch noch kein Kunde verlangt.“ Klaus erzählt mir von ein paar „Sonderwünschen“, wie z.B. die Tierbesitzer, die ihr Tier selber in den Ofen schieben und auch wieder rausholen wollten, mit der Begründung, dass sie es nicht alleine lassen wollen und nicht möchten, dass irgendjemand es anfässt. „Ansonsten gab es auch schon jüdische, buddhistische und sehr oft auch christliche Abschiede. Wir hatten zum Beispiel einen Mann, ein wirklich gestandener Kerl. Und genau der ist vor seinem kleinen Hündchen zerflossen, hat vor ihm gekniet und noch ein Vater Unser gebetet. Das jüdische Ehepaar wiederum hatte einen kleinen Kassettenrekorder mitgebracht, auf dem jüdische Musik gespielt wurde. Wir haben sie dann alleine gelassen, ich weiß also nicht, was genau abgelaufen ist, aber es hat auf jeden Fall eine Weile gedauert.“

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Als nächstes bringt mich Klaus in das „Kaminzimmer“, wie er und sein dreiköpfiges Team diesen Raum getauft haben. Ich habe das Vergnügen—Entschuldigung, aber es war interessant—live bei einer Einäscherung dabei zu sein. Lara, eine 13 Jahre alte Hündin, hatte einen Milztumor und steht auf der Schwelle ins Regenbogenland. Juhu! Sie wurde auf die Einfuhr gelegt, halb zugedeckt, eine Rose liegt auf ihrem reglosen Körper. Ihre Besitzer haben sich dazu entschieden, zuzukucken. Die Maschine wird hochgefahren, die Ofenklappe öffnet sich und Lara wird in den Ofen geschoben. Die Einfuhrmaschine kommt ohne Lara wieder aus dem Ofen, die Klappe schließt sich und das Feuer fängt an sie aufzufressen. Irgendwie ziemlich traurig.

Im Raum nebenan sehen wir uns gemeinsam den Ofen an. Von dem beißenden Geruch der Asche bekomme ich Kopfschmerzen. Bis jetzt habe ich nur tote Katzen und Hunde gesehen und möchte wissen, ob auch noch andere Tierarten im PORTALEUM eingeäschert worden sind. Und tatsächlich: von der Maus über Meerschweinchen, Kaninchen, Vögeln bis zu Ratten. Auf die Frage, welches die verrückteste Tierart gewesen wäre, lacht Klaus und sagt: „Definitiv der Leguan. Aber wir hatten auch schon Schlangen und Nymphensittiche.“

Natürlich kann man die Tiere auch vorher in einen Sarg legen, bevor sie dann nur noch ein Häufchen Asche sind. So viel zum Thema „Keine Vermenschlichung".

Wenn also nur noch dieses Plastiksäckchen von eurem geliebten Haustier übrig ist, habt ihr vier Möglichkeiten: a) ihr streut die Asche über die Blumenwiese (im Sommer angeblich wunderschön), b) ihr setzt eine Rose und gebt die Asche als Dünger in das Pflanzenloch, c) ihr macht eine Seebestattung und rieselt euer Kaninchen in den „Sternenteich“ oder d) ihr sucht euch eine aus 1000 Urnen aus und nehmt sie mit nach Hause. Das teuerste „Bestattungsritual" hatte einen Hunde-Besitzer 11.000€ (allerdings waren allein 10.000€ davon der einkarätige Diamant) gekostet. Ein Einzelfall sagt Klaus, durchschnittlich würden die Leute ca. 200€ ausgeben.

Was für mich allerdings erstaunlich war: Die Besitzer von Lara waren vor der Einäscherung derartig traurig, dass man hätte denken können, dass diese Leute im Leben nicht mehr glücklich werden. Doch mit der Übergabe des Bilderrahmens, in dem eine Tüte mir der Asche von Lara eingelassen war, schien die Trauer wie weggeblasen. Man konnte eine Art Erleichterung in ihren Gesichtern erkennen, dass sie ihr Baby wieder mit nach Hause nehmen dürfen—ein Gemisch aus Asche und Knochensplittern in einer Plastiktüte. Klaus sagt, es geht natürlich in erster Linie um die trauernden Tierhalter. Aber es ginge auch um die Achtung des Tieres. Das Geschäft läuft gut. In der Zeit, die ich dort verbringe, wird meine Führung immer wieder unterbrochen, weil neue Kunden vor der Tür stehen. Im Garten hat Klaus eine Rose gepflanzt, für seinen eigenen Hund, auch wenn seine Asche dort nicht liegt. RIP!

Fotos: Grey Hutton