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Menschen auf der Flucht

Versucht es ruhig—doch bitte ohne eure Familien!

Am kommenden Sonntag stimmt die Schweiz in einer Volksabstimmung über eine Initiative der SVP ab, die mal wieder auf ihre Lieblingszielgruppe schiesst: Migranten.

Foto von Adrian Gögl

Am Sonntag stimmt die Schweiz in einer Volksabstimmung über eine Initiative der SVP ab, die mal wieder auf ihre Lieblingszielgruppe schiesst: Migranten. Doch worum geht es? Die Initiative will die Personenfreizügigkeit mit der EU neu verhandeln, Einwanderungskontingente einführen und Menschen mit einem Schweizer Pass auf dem hiesigen Arbeitsmarkt bevorzugen. Ob Menschen ohne Schweizer Pass schon Jahrzehnte hier leben oder gar hier geboren wurden, ist egal. Vorzug sollen Schweizer haben, richtige Schweizer.

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Neben dem Schweizervorrang werden von den Initianten noch andere Argumente für ein Ja zur Initiative ins Feld geführt. Es wird von Massen gesprochen, die unser Land überschwemmen, von Dichtestress in Zügen und Strassen und, wie könnte es auch anders sein, vom Lieblingstotschlagargument Nummer eins: mehr Migranten, mehr Arbeitslosigkeit! Das zog schon in den 30ern, das zieht auch heute. Doch selbst wenn die Bevölkerung der Schweiz im Jahre 2035 wirklich die 10 Millionen-Marke überschreiten, die Züge endgültig explodieren und die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordniveau steigen würde, ist diese Initiative, im Jahre 2035 genauso wie heute, abzulehnen. Ich weiss, so eine Haltung hast du, lieber Leser, von VICE wohl auch nicht anders erwartet. Und deshalb wirst du eine ausgewogenere Betrachtung oder gar ein latentes Verständnis für diese rassistische Initiative auch in den folgenden Zeilen nicht finden, tut mir leid.

Foto von Sascha Erni

Wer im Vorfeld dieser Abstimmung jedoch so richtig nervt, sind nicht nur die Initianten dieser Vorlage. Dass sich die Wirtschaft aus wirtschaftlichen Gründen, hört hört, gegen die Initiative stellt, ist nicht weiter verwunderlich und entlockt höchstens ein müdes Achselzucken. Einem die Zornesröte ins Gesicht zu treiben, schaffen aber wiedermal nur die Sozialdemokraten. Ihre Argumente gegen die Initiative könnten genauso gut vom Wirtschaftsverband Economiesuisse abgeschrieben worden sein. Man würde bei Annahme der Initiative den wirtschaftlichen Anschluss verlieren, heisst es da zum Beispiel.

Zudem würde man das Wachstum und das Erfolgsmodell Schweiz abwürgen. Auch wird immer gerne darauf hingewiesen, dass nur Sozialleistungen erhält wer auch einen Arbeitsvertrag vorweisen kann. Einfach so mal in die Schweiz kommen und gucken, ist nicht. Der Mensch als Arbeitsimportware muss verwertbar sein. Wenn nicht, dann hau bitte bloss wieder ab du blöder Ausländer! Und zu schlechter Letzt wird hüben wie drüben auch gerne von guten und schlechten Migranten unterschieden. Die Schlechten sind die Rumänen und Bulgaren, die Guten sind dann wohl die deutschen Ingenieure und die holländischen Ärzte. Doch diese hocken dann bei Annahme der Initiative ganz alleine in ihren Eigentumswohnungen. Denn Frau und Kind, oder Mann und Kind, müssen draussen bleiben. Familiennachzug? Nix da.

Foto von mkorsakov

Also was jetzt? Alle reinlassen? Klar. Liebe Migranten, lasst uns mit den Schweizern nicht allein. Alle rein. Wer in die Schweiz will und nicht gerade Dieb, Vergewaltiger, Mörder oder Schläger ist, soll kommen. Schliesslich hat sich die Schweiz mitten in Europa ja auch ein schönes Paradieschen gezimmert. Dass jetzt alle um uns herum Krise haben, hat auch mit uns zu tun. Werkzeuge wie das Bankgeheimnis oder die Tiefsteuerpolitik für Reiche und Grosskonzerne haben ihren Teil dazu beigetragen die Krise bei unseren Nachbarn zu verschärfen. Und wenn Menschen aus der Krise ins Paradies wollen, dann bitteschön. Würden wir ja auch so machen. Man wird das Gefühl nicht los, dass es Schweizer Politikern, welcher Couleur auch immer, nur um Eines geht: Der Migrant muss ökonomisch verwertbar sein. Und ob wir es glauben wollen oder nicht: Der Migrant ist auch ein Mensch. Das wusste schon Max Frisch, der mal so schön sagte: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen".