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Schweizer entscheiden am 5. Juni über Einführung des Grundeinkommens

Eine europäische Premiere.
Bei einer PR-Aktion pro Grundeinkommen auf dem Schweizer Bundesplatz. Bild: Generation Grundeinkommen

Es gibt nun ein Datum, das Grundeinkommensaktivisten und ihre Gegner ganz genau beobachten werden: Am 5. Juni 2016 kommt die Schweizer Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen zur Abstimmung.

Dann sollen sich die Schweizer entschieden, ob ihre Regierung eine flächendeckende, regelmäßige und prüfungsfreie Zahlung einführen soll, die „der gesamten Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglicht", wie es im Schweizer Abstimmungstext steht. Im Alltag könnte das heißen: Jedem Bürger wird monatlich ein fester Betrag überwiesen, ohne dass die Zahlung an Bedingungen oder Gegenleistungen geknüpft wäre. In der Diskussion ist ein Betrag von 2500 Franken (umgerechnet rund 2250 Euro, unter Berücksichtung der Kaufkraft entspräche das allerdings eher 1250 Euro).

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Das Grundeinkommen, so sehen es Daniel Häni und seine Kampagnen-Mitstreiter von „Generation Grundeinkommen", sei auch eine Antwort auf die Herausforderungen der Vierten industriellen Revolution, was eines der Leitthemen des diesjährigen World Economic Forum in Davos darstellt.

Dass Maschinen uns die Arbeit wegnehmen, ist ein Grund zu jubeln—solange unser Einkommen gesichert ist, so die BGE-Aktivisten. Bild: Generation Grundeinkommen

Dazu schickten die Aktivisten einen freundlichen Roboter ins Feld, der mit der Aufschrift „#WeWorkForYou" versehen war: Eine Anspielung darauf, dass Maschinen Menschen bei der Erwerbsarbeit entlasten können. „Der entscheidende Punkt der vierten industriellen Revolution ist, dass die Menschen weiterhin ein gesichertes Einkommen haben", schreiben die Initiatoren der BGE-Initiative in einer Presseerklärung.

Wie Schweizer Aktivisten das BGE umsetzen wollen

Wie werden Menschen mit so viel Selbstbestimmung umgehen und wie organisieren sie die Gesellschaft und ihre Aufgaben neu? Die Fragen treiben auch Philip Kovce um, der zusammen mit Daniel Häni nun ein Buch („Was fehlt wenn alles da ist?") geschrieben hat, das die wichtigsten Fragen rund ums Grundeinkommen in der Schweiz zusammenfasst. „Die eigentliche Finanzierungsfrage lautet: Wie wird sich das bedingungslose Grundeinkommen auf unser Tätigsein auswirken?", schreiben die Autoren. Wie also würden die Bürger ihre neu gewonnen Freiheit wahrscheinlich nutzen?

Darüber gibt es nun zum ersten Mal repräsentative Zahlen. Das Meinungsforschungsinstitut DemoSCOPE befragte dazu 1076 Schweizer telefonisch. Leitfrage: Was würden Sie tun, wenn Sie ein bedingungsloses Grundeinkommen zur Verfügung hätten? Das Ergebnis lässt hoffen—und sagt viel über die Erwartungshaltung gegenüber uns selbst und anderen aus.

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Nur zwei Prozent der Interviewpartner gaben an, sie würden in jedem Fall die Arbeit niederlegen. Allerdings zeigt sich rund ein Drittel überzeugt, die anderen würden aufhören zu arbeiten. Weit über die Hälfte aller Befragten (54%) nannte persönliche Weiterbildung als Zukunftsziel unter dem BGE, fast genauso viele möchten mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Ein knappes Viertel gab an, sich selbstständig machen zu wollen.

Bild: Generation Grundeinkommen

Solche ambitionierten Absichtserklärungen decken sich tendenziell mit Ergebnissen aus anderen Umfragen, beispielsweise aus Finnland. Allerdings sind die Zahlen auch mit Vorsicht zu genießen: Die soziale Erwünschtheit ist ein Faktor, der in solchen Befragungen besonders schwer zum Tragen kommt. Wer gibt schon gerne gegenüber Fremden zu, dass er gern einfach nur faul wäre? Dazu kommt die Leichtigkeit, mit der sich über ein so hypothetisches Konzept spekulieren lässt, ohne dass es einen akut beträfe oder Details bekannt wären.

Eine 2013 veröffentlichte Studie der ETH Zürich über Einstellungen gegenüber des bedingungslosen Grundeinkommens kam zu dem Schluss, „dass sich Befürworter und Nicht-Befürworter in ihrem Gerechtigkeitsempfinden grundsätzlich unterscheiden." Die Gerechtigkeitsauffassung hingegen bestimmt maßgeblich die politische Einstellung eines Menschen, wie zahlreiche Untersuchungen belegen.

Bei der Volksabstimmung am 5. Juni müssen die Schweizer zudem über das Grundeinkommen abstimmen, ohne Höhe und Finanzierungsform zu kennen. Beide wichtigen Details sind Fragen, die erst nach der Abstimmung erörtert werden.

Was es mit Finnlands „800-Euro-Grundeinkommen" wirklich auf sich hat

Im Vergleich zu dem finnischen Grundeinkommens-Projekt, zu dem sich die aktuell regierende Koalition im Koalitionvertrag verpflichtet hatte, soll das bedingungslose Grundeinkommen in der Schweiz vor allem darauf abzielen, Lohnabhängigkeits-Fragen sowie die Themen Arbeit und Selbstverwirklichung neu zu denken. Finnland dagegen möchte hauptsächlich den Sozialstaat entlasten, Jobs im Niedriglohnsektor attraktiver machen und alle Sozialleistungen im Gegenzug zum Grundeinkommen streichen.

Die Initiatoren selbst glauben zwar gar nicht bedingungslos an einen Sieg ihres Vorhabens—zumindest nicht auf Anhieb bei der Abstimmung am 5. Juni; sehen aber schon die breite Diskussion darüber als einen großen Fortschritt hin zu ihrem Ziel der mittelfristigen Einführung des BGE. Optimistische Unterstützung bekommen sie laut der DemoSCOPE-Umfrage aus den Reihen der jungen Schweizer. 59 Prozent unter 35-Jährigen blicken zuversichtlich in die Zukunft und geben sich bereits überzeugt:

Das Grundeinkommen wird eingeführt.