FYI.

This story is over 5 years old.

transferphase

Die Transferphase—wenn man sich auf gar nichts mehr verlassen kann

In der Transferphase wird jeder bulgarische Blogeintrag von Medien zur beschlossenen Sache gemacht. Aber warum klicken wir immer wieder drauf?

Johannes Geis wechselt für 8 Millionen Euro zu Lazio Rom. Der Wechsel schien schon fix. Aus Italien kam die Nachricht nach Deutschland. Alle Medien berichteten, dass Medien berichteten. Aus einem Gerücht wurde ein echter Transfer. Alle fragten sich: Hä? Hat Dortmund nicht 9 Millionen geboten? Und was will er in Italien? Irgendwann gab es ein Dementi aus Mainz. Auf einmal waren Dortmund und Schalke wieder im Rennen um den U21-Nationalspieler. Die Karten für den BVB waren besser, denn Geis hatte in Dortmund wohl schon unterschrieben. Dann kaufte Schalke den talentierten Mittelfeldspieler endgültig–diesmal wirklich.

Anzeige

Das Transferfenster ist wieder offen. Der Wahnsinn geht in eine neue Runde voller finanzieller Übertreibungen, seelischer Fan-Qualen und berechnetem Vollversagen der Medien. Jeden Tag aufs Neue werden mir traumhafte Hoffnungen mit vorstellbaren Zugängen in Form von jungen aufstrebenden Talenten oder hochveranlagten Starspielern serviert, um mir nur einen Moment später mit einem potenziellen Abgang meines Lieblingsspieler wieder ordentlich in die Fresse zu hauen. Ich hasse die Transferperiode, denn ich kann mich auf nichts mehr verlassen.

Bis zum 31. August dürfen die Vereine wieder Millionen-Unsummen ausgeben oder einen echten Schnäppchenkauf erhaschen. Die Spieler können derweil ihren Marktwert taxieren und sich von jedem halbwegs zahlungskräftigen Club einen Heiratsantrag anhören. Die Topmannschaften rüsten für den nächsten Anlauf nach ganz oben auf und die Überflieger aus der letzten Saison bangen um ihre Leistungsträger. Für Fans liegt Freud und Leid dabei so nah beieinander wie bei einem Elfmeterschießen gegen den ungeliebten Lokalrivalen.

Bei Borussia Mönchengladbach leiden die Fans in diesem Jahr besonders. Nach einer starken Saison–wie auch schon in den letzten Jahren beispielsweise bei den schwarz-gelben Borussen aus Dortmund–wird so ziemlich jeder halbwegs gute Spieler mit irgendwelchen Vereinen aus dem In-und Ausland in Verbindung gebracht. Zudem hat der Verein jede Menge Geld mit dem Einzug in die Champions League und dem Verkauf von Max Kruse zur Verfügung. Das wissen auch die anderen Verein und es wird viel gefeilscht und noch mehr über Neuzugänge spekuliert. Mit schweißnassen Händen und einem ekligen Cocktail aus Wut und Angst im Bauch scrollt man den ganzen Tag die Facebook- oder Twitter-Timeline herunter, um zu sehen, dass wieder ein boulevardesk-angehauchtes Sportmedium Granit Xhaka "im Anflug" bei irgendwelchen neureichen Vereinen aus Europa sieht.

Anzeige

Selbst die Bayern-Fans müssen langsam schwitzen. Sie standen in den letzten Jahren noch auf der komsumorientierten und meist glücklichen Seite. Mit purer Freude wurden Transfergerüchte über die eigenen Objekte der Begierde begutachtet und von Hobby-Bayern-Managern für gut oder schlecht erachtet. Dieses Jahr wird dem bayerischen Fußballgott Bastian Schweinsteiger der ein oder andere Flirt nach England nachgesagt–ob er nun will oder nicht. Die Bayern-Fans laufen Sturm, denn ein Wechsel scheint irgendwie wahrscheinlich. Oder doch nicht?

Niemand weiß wirklich mehr, was man nun glauben oder nicht glauben soll und kann. Die undurchschaubare Mischung aus Ego-Profis ohne Vereinsliebe, überreichen Vereinsbossen in Zugzwang und dem harten Konkurrenzgeschäft in dem es um alles oder nichts geht, macht es sowieso schon schwer irgendwie noch einen Einblick zu bekommen. Die Medien im Sommerloch ohne den Ligaalltag tun ihr übriges. Arsenal holt wohl Dortmund-Star, Gladbach kauft nach Medienberichten Türken-Talent oder Star-Spieler kurz vor Wechsel zu den Bayern. Ach und Pogba und de Bruyne haben sowie so schon bei ungefähr einem Dutzend Teams einen Vertrag unterschrieben.

Schweini, geh nicht!

Recherchieren die hiesigen Sportmedien wenigstens ansatzweise bei allen anderen Themen, so stützen sie sich bei Transfergerüchten gerne auf bulgarische Blogeinträge oder italienische Talkshow-Aussagen. Englische Zeitungen oder spanische vereinsnahe Medien melden fixe Wechsel mit einer tatsächlichen Wahrscheinlichkeit von etwas unter einem Prozent. In Deutschland werden diese Meldungen mit Einschätzungen aus irgendwelchen Transfer-Communities munter übernommen. Der Transfer von Douglas Costa zum FC Bayern wurde schon gemeldet, doch erst eine Woche später auch bestätigt. Ilkay Gündogan hatte schon überall einen Vorvertrag und verlängerte gestern beim BVB. Und der FC Bayern hat ungefähr jeden aufsteigenden Stern der Bundesliga im Visier.

Ich kann eigentlich keinem Medium mehr glauben oder ansatzweise vertrauen. Sie alle machen mit und versuchen mich zu verzaubern und einen Klick zu ergattern. Nach jedem Klick auf einen Artikel, denke ich mir warum ich das Spiel weiter mitspiele und mir unnötig Gedanken dazu mache. Zu hoch ist der Anteil an Transfer-Enten. Zu hoch ist aber auch meine Begierde in der Ligapause. Ich diskutiere mit Freunden, schätze ab, ob der Spieler zum Team passen könnte oder wie geil es wäre so einen Kracher bald in der Mannschaft zu haben. Ich rege mich über flirtende Söldner auf, die dann doch noch bleiben und muss wieder zurückrudern. Ich hasse diese Falschmeldungen, die mich bewusst betrügen, aber sie erfüllen mich in dieser tristen Ligapause irgendwie.