​Warum es keinen besseren Urlaub als den Europapokal gibt
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​Warum es keinen besseren Urlaub als den Europapokal gibt

Hools entspannen in Basilika-Sitzreihen und betrunkene Familienväter stürmen Studentenkneipen: Auswärts in Europa kann man als Fan nicht verlieren.

Spieler und Vereine lechzen jedes Jahr nach einer Teilnahme am Europokal. Die eigentlichen Nutznießer sind aber die Fans, die ihre Vereine begleiten. Wenn etwa Borussia Dortmund heute Abend in der Europa League auf die Tottenham Hotspurs trifft, wird der Klub von tausenden BVB-Fans nach London begleitet und viele der Anhänger bleiben meist für ein verlängertes Wochenende in der fremden Stadt.

Der Grundsatz steht dann fest: Warum nur 90 Minuten dem täglichen Trott entfliehen und nicht ganze vier Tage? Im Europapokal trifft die verlängerte Magie einer Auswärtsfahrt auf die spannenden Eindrücke einer neuen Kultur in einer entspannten Urlaubsatmosphäre. Mein Trip mit einigen BVB-Fans nach Porto offenbarte mir so die größten Vorteile eines Europacup-Urlaubs:

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Die unkomplizierteste Reisegruppe der Welt

Das gängige Motto des Fußballabenteuers mit Klassenfahrt-Atmosphäre lässt sich einfach beschreiben: „Alles kann, nichts muss." Während im Urlaub der ewig-rastlose Sightseeing-Sammler schon in den Morgenstunden die Touristen-Hotspots abklappern und der Entspannungssüchtige am Strand vor sich hindösen will, ist die Reisegruppe aus Fußballfans wesentlich einfacher gestrickt. Mittelpunkt des Trips ist schließlich das Spiel der eigenen Mannschaft und das ein oder andere alkoholische Kaltgetränk.

Die Fahrt nach Porto, angesetzt von Mittwoch bis Sonntag, ähnelte dabei einer Mannschaftsfahrt nach Mallorca. Allseits akzeptierte Normalzustände waren herumliegende Wäscheberge im Hotelzimmer, katerreiches Quengeln beim Aufstehen und das obligatorische Verpassen des Frühstücks. Auf die Straße tritt man sowieso nur mit Fanutensilien—ob Ultra-Seidenschal oder Wollpulli aus der BVB-Kollektion. Der Verein als gemeinsamer Nenner schafft natürliche Verbindungen.

Vorbereitung bedarf es nur bei Tickets für Anreise und Stadion—der Rest ergibt sich. Beim Herumsträunern durch die Stadt werden spontane Anlaufpunkte mit jeder Menge (erst morgens angelesenen) Internet-Halbwissen oder dem berühmten Fan-Auge ( „Lass da mal hin, das sieht geil aus.") vollzogen. Der Gruß von ähnlich verstrahlten Gleichgesinnten ist einem dabei sicher. Das Hupen von einheimischen Autos oder der bestimmte, aber auch herzliche, Hinweis, dass der FC Porto hier zu Hause ist, auch.

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Kontakte mit Einheimischen

Der große Vorteil der Auswärtsfahrt im Europacup ist der ganz spezielle Kontakt mit Einheimischen. Der Fußballfan ist mehr als nur Tourist, er ist eine Attraktion (nicht umsonst begleiteten hunderte Handy-Paparazzi fast jeden Schritt der BVB-Fans). Im Flieger nach Porto schüchterte der zusammengewürfelte Fan-Mob die sich in Unterzahl befindenden Einheimischen noch etwas ein, was wohl weniger an den medialen Negativmeldungen über Fußballfans liegt, sondern eher am prolligen Auftreten samt Dosenbier und anzüglichen Männer-Geschichten. Am Spieltag sieht das aber wieder ganz anders aus.

Während sich tausende BVB-Fans auf dem historischen Plaza de la Libertad in Porto mit Super-Bock-Flaschen aus dem Supermarkt begossen, Cafés mit Durst überrannten und nachher nur noch eine trostlose Landschaft voller Müll hinterließen, schien sich der Groll der Portugiesen in Grenzen zu halten und sie kamen viel lieber mit den schwarz-gelben Deutschen ins Gespräch. „Fußball verbindet alle Nationen", ist mehr als nur ein Slogan der Borussia. So erzählte der Kellner über trinkfreudige Engländer, der alte Herr mit Krücke über die Jahrhundertelf des FC Porto und in den Kneipen schwärmten Studenten überschwänglicher über den „großen Marco Reus", als es in Dortmund jemals einer getan hätte.

Das Glück muss natürlich auch mit dir sein, denn der Kontakt kann natürlich auch mal nach hinten losgehen. Gekennzeichnet als Fußballfan lauern überall Probleme. Es gibt schließlich immer schlecht gelaunte gegnerische Anhänger, aggressive Riot-Polizisten oder genervte Anwohner—aber die gibt es auch für normale Touris. Der größte Unruhefaktor in Porto war bei uns ein offenbar frustrierter und ängstlicher Türsteher, der auch am Samstagabend trotz neutraler Kleidung und unser BWLer-Fratzen keine Deutschen in seinen (leeren) Club lassen wollte. Dennoch gingen viele der BVB-Fans mit einem blauen Schal nach Hause: Die Portugiesen sind große Fans des Schaltauschs, der hunderte Male stattfand.

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Ein kulinarisches und kulturelles Erlebnis

Der Europapokale bietet mit Zielen wie Krasnodar oder Qäbälä unvergessliche Ausflüge, die der gemeine Normalo-Touri wohl niemals ansteuern würde. Doch auch Städte wie Madrid, Neapel oder Porto, die auch so ein beliebte Touristenziele sind, bieten für den Fußballfan ganz spezielle kulinarische und kulturelle Angebote—denn er verlässt seine Urlaubsgewohnheiten. Während Alt-Hools in der Basilika Platz nahmen, schlenderten Jogginghosen-Ultras durch den Hafen und baten um Fotos. In den Diskotheken Portos trafen nachts betrunkene Familienväter auf portugiesische Club-Girlies und die Studenten-Allesfahrer hingen sich an Erasmus-Pub-Crawls.

Generell spielt der Faktor Alkohol eine wichtige Rolle bei solchen Trips. Das in Portugal bekannte Bier Super-Bock war am Spieltag in fast jedem Supermarkt in der Innenstadt ausverkauft. Mit Käse, Fisch oder Fleisch frittierte Teigtaschen wurden vielen Bäckern fast aus der Hand gerissen. Auch noch Tage nach dem Spiel gönnten sich Dortmunder Fans fernab der Heimat mal für 50 Cent ein Bierchen unter lauter portugiesischen Studenten, mal einen Apfel-Cyder mit heimischen Absinth oder einen hiesigen Portwein mit teurer Käseplatte in einem Weinkeller. Die ein oder andere Suffbestellung, bei der nur auf den Zusatz „typisch Portugiesisch" geachtet wurde, ließ sowohl Fans als auch Gegner der fleischlastigen portugiesischen Küche rund um das Nationalgericht Feijoada zurück.

Die Chronologie einer Auswärtsfahrt

Und neben Essen, Trinken, neuen Erlebnissen und entspannten sowie aufregenden Urlaubstagen kann man auch noch Fußball gucken und im besten Fall gewinnen—was will man mehr.