FYI.

This story is over 5 years old.

Vice Blog

I Want My Berlinale

Nachdem sich gestern brennende Midnight Oil-Fans bitterlich beklagten, weil „ihre Band“ nicht ausreichend präzise verunglimpft worden war, sind heute alle Verunglimpfungen und sonstigen Verweise und Zitate persönlich nachgegoogelt worden. Zum Beispiel dieses, von Umberto Eco, der damit vermutlich auch zu seinem einzigen Vice-Auftritt kommt: „Zwei Klischees sind lächerlich, 100 Klischees ergreifend.“ Ungefähr so verhält es sich nämlich mit 安非他命, also „Amphetamine“, einer schwulen Hongkonger Finanzkrise-meets-MDMA-Schmonzette. Entweder hält man es mit jenem jungen Mann mit Bart, Holzfällerhemd und Kassengestellbrille vor dem Kino, der den Film „einfach furchtbar“ fand. Oder man regt sich ab, regelt die Ansprüche runter und lässt sich von den vielen bunten Neonfarben, den oft wirren Rückblenden, der arg mäandernden, aber nicht sonderlich störenden Handlungen und den wunderbar pathetischen Kamerabildern fangen. So zeigt die Kamera die beiden Helden im Abendlicht beim Bungee Jumping auf eigene Faust, beim Crystal rauchen auf dem Dach eines Hochhausloftes, wie sie im schwarz-neonblauen Wasser Michaelangelos Fresko aus der Sixtinischen Kapelle nachspielen oder wie sie mit einem FDP-gelben Ferrari über die Autobahn brettern und nimmt die Zuschauer mit in eine Welt, die aussieht wie eine asiatische Version einer Zukunftsvision aus den MTV-Labors der 90er. Rauhfasertapete im Yuppieloft, Petting mit europäischen Senioren in der Sauna der örtlichen Schwimmhalle und Drogen auf der geleasten Yacht, was für ein Leben. Außerdem spielt eine Autobahnbrücke eine prominente Nebenrolle! Man müsste schon arg stur oder Cineast sein, um die Schönheit dieser wunderbaren Klischeeansammlung nicht zu sehen.

Thematisch artverwandt und mit ähnlich Motiven jonglierend präsentiert sich auch „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“, der Film über das Leben Ian Durys. Auch hier kommt das Böse aus dem Schwimmbecken, ist aber kein durchtrainierter, drogensüchtiger Asiaboy, sondern Polio. Wie jede Verfilmung eines Lebens krankt auch dieser Film am fehlenden Spannungsbogen und dem fehlenden Fokus. Eine hohe Toleranzschwelle für Rumpelpunk, Abziehbilder von Rockern und Starklischees schadet sich ebenso wenig wie Fan von Dury und seiner Band zu sein. Immerhin: Wer dachte das Hofnarrengehabe des Berliner Sternchens Bonaparte wäre originell oder originär, lernt hier seine Lektion in Musikgeschichte auf äußerst unterhaltsame und zumindest stellenweise grafische geniale Weise. Und auch: Nur weil das manche glauben und verbreiten, ist noch lange nicht wahr, dass die Phrase „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ von Ian Dury gemünzt wurde. Wein, Weib und Gesang gab es, bei aller Liebe, schon weit vor Punk.