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Arschloch der Woche

Manchmal glaubt ein Künstler mit einem Ruf für brillante und exzentrische Arbeiten, mittelmäßigen Zuschauerzahlen und einigen Festival-Awards, dass Naziwitze und antisemitische Kommentare „lustig“ sind.

Manchmal glaubt ein Künstler mit einem Ruf für brillante und exzentrische Arbeiten, mittelmäßigen Zuschauerzahlen und einigen Festival-Awards, dass Naziwitze und antisemitische Kommentare „lustig“ sind und er aufgrund seiner sehr speziellen Brillanz, Eigenarten und europäischen Indie-Credibility gegen Spott und Ächtung immun ist. Nachdem man das Video mit von Triers Verfehlungen gesehen hat, wird einem schnell klar, dass er ein Opfer seiner fehlgeschalteten Synapsen ist, die dafür verantwortlich sind, dass er mit (für ihn) unangenehmen und unnatürlichen, öffentlichen Situationen nicht gut zurecht kommt. Wenn man die sprachlichen Eigenheiten berücksichtigt, kann man von Trier seine schlechte Übersetzung aus der dänischen Umgangssprache verzeihen—er nennt sich selber Nazi, weil er deutsche Vorfahren hat.

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OK, von Trier wurde also vom Festival ausgeschlossen und hat seinen Status für zukünftige Cannes-Festivals als persona non grata ohne zu murren akzeptiert. Dann, nachdem alle wieder mit dem Tagesgeschäft weiter machen, hat sich der iranische Kulturminister die Mühe gemacht und einen Brief geschrieben, in dem er sich gegen von Triers Cannes-Verbannung aussprach.  Der zuständige iranische Kulturminister für Film, Javad Shamaqdari, hat in diesem Brief geschrieben: „Vielleicht ist es notwendig, für Wörterbücher eine neue Definition für Meinungsfreiheit zu finden.“ und „Das Festival von Cannes hat seine eigene Geschichte besudelt.“ Das macht ihn und den Iran, ganz einfach gesprochen, zu Arschlöchern. Nicht zu 08/15-Arschlöchern wie von Trier selber, sondern zu klaffenden, vor-Schweiß-der-Ironie-tropfenden Arschlöchern.

Iran ist das Land, das die Filmemacher Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof, deren Filme in Cannes laufen, zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt hat, weil sie laut Anklage Propaganda gegen das Regime produziert haben. Zwar sind die beiden Regisseure auf freiem Fuß, doch dürfen sie das Land nicht verlassen. Panahis Film In Film Nist (Dies ist kein Film) musste sogar nach Frankreich geschmuggelt werden. Wir sprechen hier von den gleichen Wichsern, die ihre eigenen Bürger während der Proteste 2009 getötet und eingesperrt haben—Proteste, die durch die Anschuldigungen von Oppositionsführern, die Wahlen seien manipuliert, ausgelöst worden sind—Oppositionsführer, die jetzt unter Hausarrest stehen. Es sind dieselben Idioten, die ihre demokratischen Grundsätze zum Ausdruck bringen, indem ihre eigene politische Elite einen ständigen Machtkampf zwischen dem nominellen Führer, Präsident Mahmud Ahmadinedschad, und dem Obersten Rechtsgelehrten (aka der Typ mit der ganzen Macht), Ajatollah Ali Chamenei, der Mutter aller Hurensöhne, austrägt. Ähnlich wie der Papst hat Chamenei sein Amt auf Lebenszeit und er will nichts Anderes, als die Macht in seinem tyrannischen und ultimativ autokratischen Würgegriff behalten.

Wenigstens kann das Stück Papier, auf dem das Protestschreiben verfasst wurde, nicht mehr für Hinrichtungsbefehle benutzt werden, aber man kann sich eh gut vorstellen, wie das iranische Regime ein Computersystem zur Optimierung dieser Vorgänge entwickelt hat.

Und so ist es entschieden. Für ihre absurd offene Heuchelei, dafür, dass Urteile bei Themen der Meinungsfreiheit schon als Zellenblock im Evin-Gefängnis in Teheran feststehen und für das Geschick ihrer diplomatischen Elite sind die iranische Regierung und besonders das iranische Ministerium für Kultur die Arschlöcher der Woche.