FYI.

This story is over 5 years old.

News

Auf den Straßen Athens brennen Menschen

Kommunisten gegen die Polizei und wir stecken mittendrin.

„Morgen? Es gibt kein Morgen!“ Ich wusste, wie sich dieser Anarchist gefühlt haben muss. Er schrie es über das ganze Schlachtfeld, die Polizei war zurückgewichen, ich stand zwischen ihnen und wusste, warum er sich so miserabel fühlte.

Heute war verrückt. Richtig schlecht. Letztens habe ich über den Zusammenhalt der Menge geschrieben, die Art, wie sich alte Leute und junge Radikale mit Menschen jeder politischen Überzeugung verbunden haben. Aber offensichtlich bin ich ein fantasierender Trottel. Wir haben buchstäblich gesehen, wie die Verwicklungen von Griechenland vor unseren Augen explodiert sind.

Anzeige

Das Parlament hat das „Multi-Spar-Gesetz“ verabschiedet. Was hätten sie sonst machen sollen? Ich habe vor dem griechischen Parlament gestanden und es war der zweite Tag in Folge, an dem es blutrünstig ablief. Menschen haben gebrannt.

Alles begann so gut. Tausende von Leuten sammelten sich für den zweiten Tag auf dem Syntagma Platz in der Sonne und sangen sanft für den Tod eines Regimes. Wir kuckten uns um, nach dem Alptraum aus Steinen und Gas waren wir insgeheim unbeeindruckt. Wir interviewten optimistische junge Leute, die von der guten Stimmung getragen wurden. So aufgeputscht wie wir waren, wollten wir ehrlich gesagt von Krawallen berichten.

Die Explosionen fingen um 14 Uhr mitten in einer großen Menschenmenge an. Schnell breitete sich Panik aus und in kürzester Zeit war alles in den bekannten, grauen, giftigen Nebel gehüllt. Die Anarchisten warfen Sprengstoffe; die Polizei hetzte sie und in einer dramatisch Aktion stürmten die Kommunisten vor der Frontseite des Parlaments heran, um die Anarchisten in die Enge zu treiben. Gas lag in der Luft, Leute streunten umher und binnen Minuten war das Zelt vom Roten Kreuz in der Mitte des Platzes gefüllt von Menschen und Panik.

Gestern noch hatte ich geglaubt, dass die Kommunisten versucht haben, die Demonstranten zu schützen, aber jetzt fühle ich mich wie ein Dummkopf. Auf Twitter wurde ich dafür kritisiert, dass ich, wer auch immer es war, der die Menge angegriffen und dabei mit roten Fahnen gewunken hat, verurteilt habe. 20 Minuten nach der erste Prügelei gruppierten sich Elektra Kotsoni, Hugo Donkin und ich an einer Ecke des Platzes neu; Elektra—eine Griechin—hat gehört: „Die Kommunisten kommen“. Um die Ecke sammelten sich Gott weiß wie viele Männer mit Helmen. Sie hielten lange, dicke Holzstäbe und rote Fahnen in ihren Händen und brüllten. Sie schlugen durch die Menge—Anarchisten, Demokraten, Zuschauer, Journalisten, was auch immer.

Anzeige

Gestern schien es, als gäbe es eine Art Schwarmgewissen. Es gab Sicherheit für jene, die Sicherheit wollten. Heute haben es die Leute mit den roten Fahnen, wer immer die auch sind, zerstört. „Jetzt herrscht Bürgerkrieg“, sagte ein freundlicher Typ im Vorbeigehen. Und  er war nicht der Einzige, der diesen Ausdruck verwendete.

Ich bezweifele, dass es ein Bürgerkrieg ist. Jetzt, wo ich das hier schreibe, ist bereits jeder nach Hause ins Bett gegangen und macht ein Schläfchen, und das scheint mir etwas zu sein, zu dem du mitten in einem Bürgerkrieg nicht fähig wärst. Aber wenn eine wütende Gruppe Kommunisten sich mit der Polizei zusammentut, um uns zu stürmen, fühlt sich das schon heftig an. Hunderte von uns wurden in eine Ecke gedrängt. Kreischende Frauen, schiebende Männer, etc. Dann warf so ein Polizistenschwein eine Granate in das Durcheinander. Ich habe meine Schutzbrille zerbrochen. Elektra und ich wurden ausweglos nach unten gedrückt und es schien, als sei es das tragische Ende zweier herausragender Karrieren, dann kämpften wir uns unseren Weg nach draußen und setzten und mit einer Cola auf die Stufen vor einer Kirche und fühlten uns kleinlaut.

Der Tag verging in einer Folge von Katz- und Maus-Kämpfen. Die Roten bildeten eine Linie vor dem Parlament und schoben die Leute die Straße entlang. Irgendwann schien es mir, als hätten sie beiläufig mit der Polizei ihre Position getauscht. Ein Mann brüllte: „Das ist der ultimative Verrat.“

Anzeige

Vor 24 Stunden dachte ich, Griechenland sei eine organisierte Masse, die auf den Untergang einer unbeliebten Regierung wartet und und dafür kämpft. Trotzdem wird es wieder passieren, das Geld der EU wird es offensichtlich nicht beenden und jetzt gibt es auch noch einen Tod zu rächen.

2008 wurde ein Teenager von der griechischen Polizei getötet und das führte zu einem Aufstand, der länger als eine Woche dauerte. Heute starb ein Mann mittleren Alters. Laut Gerüchten von Anarchisten ist der Handelsgewerkschaftler Dimitris Kotsaridis von den Glasmarkisen über dem Syntagma Square gefallen und hatte einen Herzinfarkt. Auf dem Platz hieß es, er hätte mit den Behörden gekämpft. Alles Gerüchte, keine Fakten. Trotzdem war es das, was wir gehört haben, wahr oder nicht. So oder so gehen die Gerüchte um und der Ärger wird vermutlich folgen.