Was in Heidenau passiert, ist zum Kotzen
Foto: Imago/Christian Ditsch

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Was in Heidenau passiert, ist zum Kotzen

Ein Neonazivideo zeigt die Verrohung und den Hass, der seit Tagen in Heidenau regiert.

In der deutschen Stadt Heidenau tobt seit Tagen ein rassistischer Mob, der die Unterbringung von geflüchteten Menschen in einem ehemaligen Baumarkt verhindern will. Freitagabend ist das auch zunächst teilweise geglückt. Ein Bus mit Geflüchteten an Bord wurde von Neonazis blockiert und musste weiterfahren. (Inwiefern die Polizei hätte voraussehen und verhindern können, dass diese Menschen die Heidenauer Willkommenskultur in ihrer ganzen Härte erleben mussten, ist wieder eine andere Geschichte. Genauso wie die Frage, warum es irgendjemand für menschwürdig und angebracht hält, Flüchtlinge in einem leerstehenden Baumarkt unterzubringen.)

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Die Krawalle gehen weiter und am Sonntag stellt der YouTube-Nutzer xsbilly ein Video online, das die Situation am Samstagabend zeigt. Weil im Video Straftaten zu sehen sind und einige der Gezeigten zu erkennen sind, wird das Video zwar anscheinend wieder gelöscht, aber nicht bevor es gespeichert und wiederveröffentlicht wurde.

Normalerweise ist es nicht ganz einfach, diese Menschen tatsächlich in Aktion zu erleben. Natürlich kann man sich Pegida-Reden anhören und immer wieder gibt es Interviews mit „Asylgegnern", aber hier und selbst auf Facebook herrscht noch eine Art soziale Kontrolle. Es spricht immerhin nur ein Einzelner, und egal wie peinlich, rassistisch und niederträchtig sich die Leute äußern, ist das Ergebnis gefiltert. Interne und ungefilterte Aufnahmen aus der Szene sind eher selten. Natürlich gibt es Aufnahmen von Demos, aber selbst wenn die Situation wie bei HoGeSa in Köln eskaliert, muss sich der Beobachter noch seinen Teil dazudenken, weil es keine Aufnahmen aus dem Herz der Finsternis gibt.

Dass die Realität, und das wirklich passiert, aber viel schlimmer ist, zeigt das Video vom Samstag. Aus den Reihen der Neonazis wird gefilmt, Gesprächsfetzen sind zu hören und Randale ist zu sehen. Es zeigt die ganze Verrohung, Dummheit und vor allem Bedrohlichkeit einer Gruppe, die in ihrem Weltbild, ihrer angeblich größten Angst, dem IS-Terror, extrem ähnlich ist.

Mit irgendeiner Art von zivilisiertem Benehmen hat das alles nichts mehr zu tun. Der rülpsende Kameramann („Da is' übelst was los hier.") dokumentiert, wie einer der Randalierer versucht, einen Bauzaun als Barrikade auf die Straße zu ziehen und dabei umkippt. Jemand anderes versucht, Tränengaskartuschen wegzutreten und verliert dabei seinen Tascheninhalt. Aber es beschränkt sich nicht auf besoffene Randaleversuche. Immer wieder knallen Böller, einmal ist zu sehen, wie einer der Neonazis mit einem Straßensperrschild ohne einmal innezuhalten auf einen Polizisten zu stürmt und ihn damit schlägt.

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Und dann wird geschrien. „Fotzen!", „Schwuchteln", alles ist dabei. Was man mit den „Fotzen" und „Schwuchteln" macht, wenn man sie in die Finger kriegt, wird nicht gesagt. Dafür reicht die Artikulation nicht. Wie dieses Land aussehen würde, wenn diese Leute gewinnen, will man sich gar nicht vorstellen. Aber man kann sich sicherlich hier Inspiration holen. Diese Menschen halten es tatsächlich für angebracht, sich so zu benehmen, weil in einem Gewerbegebiet andere Menschen, die vor einem Bürgerkrieg oder krüppelnder Armut geflohen sind, in einem Baumarkt leben müssen. Haben Neonazis keine Eltern, die ihnen auch nur grundlegend beigebracht haben, wie man sich benimmt, ohne das Sinnbild mitleid- und empathieloser Verrohung zu sein?

Aber von allen Parolen ist im Video am häufigsten der Schlachtruf des „besorgten Bürgers" zu hören. „Wir sind das Volk!" Dieses Volk sollte jemand auf die stille Treppe schicken, damit es sich schämen kann.

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Titelfoto: Imago/Christian Ditsch