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Wirre Welt

Die traurige Welt der Antifeministen

Die Männerrechtsbewegung hasst uns. Umgekehrt finden wir sie eher erbärmlich.
Foto: Antony Stanley | Flickr | CC BY-SA 2.0

Foto: Antony Stanley | Flickr | CC BY-SA 2.0

Es gibt diese Themen da draußen, von denen man zwar weiß, dass sie existieren, aber trotzdem ist man froh, dass man nicht darüber berichten muss. Unter anderem einfach deswegen, weil die Protagonisten schon von weitem wie die ärmsten Loser wirken, die man sich nur vorstellen kann. Und irgendwie ist es einem ja auch unangenehm in diese Verlierer-Biotope einzubrechen und auf der kleinen, widerlichen Welt rumzuhacken, die sich die Leute da aufgebaut haben. Lässt man sie halt lieber in ihrem hasserfüllten, niemals endenden Circle Jerk gewähren, weil sie eigentlich sowieso niemandem wirklich auffallen und wenn doch, werden sie eher ausgelacht als alles andere.

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Und dann wache ich gestern morgen auf und habe meinen eigenen Eintrag auf Wikimannia! Tatsächlich, die Heimat der frauenhassenden Kartoffeltrolle hat es für nötig gehalten, Webspace für mich freizuschaufeln und mich für immer in ihrer kleinen klebrigen Ecke des Internets zu verewigen. Ich bin gerührt.

Wikimannia ist (für alle die es nicht wissen, was geschätzt jeder normaldenkende Mensch sein dürfte) ein deutschsprachiges Wiki-Portal, dass sich antifeministischen und Männerrechtsthemen widmet. Nach eigener Legende ging die Seite aus einem Edit War bei Wikipedia hervor, als der Eintrag zum Thema „Maskulismus“ gelöscht werden sollte. Offenbar war dieses skandalöse Unterfangen auch Thema im Forum einer Seite namens WGvdL.de, was wiederum die Abkürzung für „Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land“ ist. Daraufhin wurde Wikimannia aus der Taufe gehoben. Betreiber beider Seiten ist ein Rainer Luka (im Falle von WGvdL zusammen mit Christine Luka), im Impressum beider Seiten steht eine Adresse in Istanbul. Laut einem Artikel im Standard von 2013 steckte bis 2012 hinter diesem Pseudonym Rainer Hamprecht, heute ist allerdings nicht klar, wer die Seite tatsächlich betreibt.

Man kann es sich bildlich vorstellen: deutsche, heterosexuelle Männer, die vom Leben und ihren geschiedenen Frauen enttäuscht sind, sitzen am Rechner und liefern sich hasserfüllte Diskussionen auf Wikipedia. Vermutlich im Unterhemd und mit Bierflasche und Chipstüte in Reichweite. Und dann hat man die zündende Idee: Jetzt zeigen wir’s diesen „Feminazis“ mal so richtig (weil sich für Gleichberechtigung einzusetzen, ganz klar das gleiche ist, wie 6 Millionen Juden zu töten und einen Weltkrieg anzufangen). Endlich gibt es einen Ort, wo man sich über „Genderismus“ austauschen kann (was auch immer das sein soll), darüber dass Familiengerichte Frauen bevorzugen, dass Frauen Vergewaltigungen vortäuschen (sorry, ich musste auch ein bisschen kotzen, als ich das geschrieben habe) und darüber, dass Frauen scheinbar ein „Opferabo“ haben.

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Frauenhäuser sind im Weltbild der Seiten-Betreiber Orte, die genutzt werden, um Familien zu zerstören. Frauen die geschlagen werden, sollten nämlich offenbar viel eher versuchen, ihre Partnerschaft zu retten und nicht einfach so fliehen. Und dann natürlich die ganzen gewalttätigen Frauen, die ihre Männer schlagen. Denkt denn niemand an die Männer? Laut Wikimannia werden auch diese Frauen in Frauenhäuser „eingewiesen“. Frauen haben übrigens auch kein Interesse an Politik, außer um sie für ihre eigenen Vorteile zu nutzen. Wikimannia erklärt das evolutionär: „Offenbar hat sich die machtpolitische Handlungsweise der Frauen seit Urzeiten nicht geändert. Kam der männliche Steinzeitjäger von der Jagd zurück, haben die Frauen seine Beute untereinander aufgeteilt. (…) Die Grundstruktur weiblichen Handelns ist und bleibt parasitär. (…) Der einzige Mehrwehrt, den Frauen der Gesellschaft geliefert haben, bestand in der Vergangenheit in der Geburt und Aufzucht von Nachwuchs. Die naturbedingte hohe Kinder­sterblich­keit bewirkte, dass Frauen vornehmlich mit Schwangerschaft und Stillen beschäftigt waren. (…) Heute hat die deutsche Durchschnittsfrau gerade mal durchschnittlich 1,4 Kinder. Diese Tatsache hat allerdings noch nicht dazu geführt, dass Frauen sich von ihren parasitären Handlungsmustern lösen konnten.“ Homosexuelle sind für den Männerrechtler natürlich bedrohlich, bzw. eine Sackgasse. Homosexualität wird mit einer erhöhten Selbstmordrate in Verbindung gebracht, ohne zu erwähnen, dass homophober Hass, wie er genau hier gespien wird, dafür verantwortlich ist—und nicht Homosexualität an sich. Ach so, und natürlich darf nicht fehlen, Homosexuelle in die Nähe von Pädophilen zu rücken. Was wäre auch dumm-platte Demagogie ohne diesen Zusammenhang?

Beim Lesen der Wikimannia-Texte bleibt zugegebenerweise lange unklar, ob es sich um Satire handelt, einen sehr schlechten Scherz oder das Abschlussprojekt der Troll-Universität. Traurigerweise scheint das alles aber ernstgemeint zu sein. Das einzige wirklich interessante an dieser Szene ist vermutlich, dass es einfach ist, Synergien zu beobachten. In meinem Fall regt man sich offenbar hauptsächlich über meine Berichterstattung zum Thema „Montagsdemos“ auf. Man zitiert auch einen alten Artikel aus dem letzten Jahr über die Compact-Konferenz, der als einziger von den erwähnten irgendwas mit dem Thema von Wikimannia zu tun hat. Auch wenn man den Twitteraccount der Seite (sagenhafte 186 Follower) anschaut, sieht man neben unappetitlichen Statements zum Thema Feminismus eine Menge Themen, die zum klassischen Repertoire der Neuen Rechten gehören. Die russische Politik in der Ukraine wird verteidigt, homophobe und antiislamische Thesen werden vertreten, Ken Jebsen wird retweetet usw. usw.

Der große Unterschied der Männerrechtsbewegung zu anderen Strömungen ist aber die vollständige Abwesenheit von Charisma. Man kann über viele politisch eher unangenehme Zeitgenossen denken was man will, aber Jürgen Elsässer, Ken Jebsen, Matthias Matussek, Beatrix von Storch und die ganzen anderen haben zumindest gemein: man hat es hier mit (man muss fast sagen: leider) intelligenten Menschen mit einer gewissen Ausstrahlung zu tun, die in der Lage sind, einen geraden Satz zu sagen und irgendwie auch Außenwirkung haben (ich kann kaum glauben, dass ich diesen Satz geschrieben habe). Aber bei Männerrechstaktivisten wird es innerhalb kürzester Zeit dermaßen unappetitlich und strohdumm, dass man nach einer halben Stunde surfen auf ihren Websites am liebsten den Bildschirm mit Scheuermilch abreiben würde.

Andererseits ist das natürlich auch ein Vorteil. Die Männer (und wenigen Frauen) aus diesen Gruppen sind zwar tieftraurig darüber, dass ihre Welt nicht mehr die gleiche ist wie vor 50 Jahren, der Feminismus (wenn auch kleine) Fortschritte gebracht hat und Schwule sich nicht mehr so verstecken müssen wie früher, aber sie finden keinen Weg, das auf eine Art und Weise zu artikulieren, die ihren Unwillen in der Mehrheitsgesellschaft ankommen lässt. Gott sei Dank hat man es hier größtenteils mit traurigen Trollen zu tun, deren Leben ganz anders geworden ist, als sie es sich damals ausgemalt hatten, als sie noch keine Bierbäuche hatten und ihre dritte Scheidung noch in weiter Ferne lag.

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