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Fick dich Ecstasy, du verlogenes Gift

Ecstasy ist kein Ersatz für Liebe, und es ist auch nicht dein Freund.

Es gibt Menschen, die glauben, dass Ecstasy die Welt zu einem besseren Ort gemacht hat. Und zugegebenermaßen hat es gegenüber anderen Drogen durchaus seine Vorteile. Du zahlst für eine Pille oder ein paar Krümel MDMA weit weniger als für ein Gramm Koks und erzielst damit gleichzeitig eine weit stärkere Wirkung, als wenn du bloß einen unspektakulären Joint rauchst. Eine stolze absolute Mehrheit von 80 Prozent der Leute, die schon einmal Ecstasy genommen haben, beurteilen ihre Rauscherfahrungen positiv, aber glaube mir, dass das nicht immer der Fall sein muss, und dass die böse Methylamphetamin-Fee die Welt für dich auch in einen verdammt beschissenen Ort verwandeln kann. Zum Beispiel, wenn du nach einer Überdosis im Garten eines Clubs stundenlang deine Innereien in leere Biergläser erbrichst, während du gleichzeitig das Gefühl hast, bei lebendigem Leib zu verbrennen.

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Meine Erfahrungen mit Ecstasy und MDMA reichen von „noch ganz OK" bis zu eben jener beschriebenen Nahtoderfahrung. Pillen bewirkten bei mir nicht sonderlich viel. Die Trips waren nicht berauschend, bis auf die eine oder andere leichte Panikattacke, aber auch nicht besonders schlimm. Mit MDMA erzielte ich eine noch schwächere Wirkung. Meistens saß ich, während alle anderen sich bereits angeregt unterhielten oder in chemisch initiierter Liebe selbst und gegenseitig befummelten, nur gelangweilt daneben, weil ich das, was sie redeten, nicht mehr verstand.

Um diese schwerwiegende körperliche Fehlfunktion meinerseits zu überwinden, befolgte ich eines Abends—der, wenn ich mich recht erinnere, ursprünglich unter dem Motto „gemütlicher DVD-Abend" lief—den wohlmeinenden Rat eines drogenaffinen Freundes und nahm einfach immer mehr von dem Zeug. Doch obwohl ich mir die Krümel reinzog, als wären sie Himbeerbrausepulver, passierte, bis auf dass sich meine Pupillen beträchtlich erweiterten, nur das Gleiche wie immer—überhaupt nichts. Bis wir doch noch in einem Club landeten und ich auf dem Frauenklo auf einmal bemerkte, dass die Wände sich auf mich zu bewegten.

Weil ich stark klaustrophobisch wurde, rannte ich raus in den Garten, um mich dort zu übergeben. Ich kotzte mir die Seele aus dem Leib und in zahllose leere Biergläser hinein, die ein weiterer dogenerfahrener Freund netterweise, wenn sie voll waren, für mich in die Büsche kippte. Obwohl es eine warme Nacht war, fing ich vor Kälte an zu zittern. Ich fühlte mich, als hätte ich Rattengift gefressen, und kam zu der traurigen Überzeugung, dass ich jetzt wohl leider sterben müsse. Als Nächstes wurde mir extrem heiß. Mein Körper schien innerlich Feuer gefangen zu haben und der Gedanke, auf der Stelle tot umzufallen, erschien mir plötzlich nicht mehr ganz so schlimm. Jedenfalls besser als das.

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Am Ende starb ich natürlich nicht. Ich schaffte es auf mir bis heute unerklärliche Weise sogar, am nächsten Tag zur Arbeit zu gehen und Leuten ihr Essen zu servieren, doch das verdammte Rattengift habe ich nie wieder angerührt. Ich habe es dann—ein paar Jahre später—noch einige Male mit Pillen versucht, aber ehrlich gesagt habe ich die Faszination dieser Droge nie wirklich kapiert. Ich verstand und verstehe bis heute nicht, warum so viele Leute, die, wie ich, Ecstasy vorher nur mit Laternen umklammernden Love-Parade-Spackos in orangen Westen verbunden hatten, es auf einmal für die coolste Droge der Welt hielten. Und ich verstehe nicht, was so toll daran sein soll, dass es deine Gefühle derartig manipuliert, dass du im debilen Liebesrausch auf einmal Leute sympathisch findest, die du sonst auf den Tod nicht ausstehen kannst.

Diese Liebe ist ein riesengroßer Fake, und—auf die Gefahr hin wie irgendein bierbäuchiger FPÖ-Stammtischbruder zu klingen—scheinen mir die kurzzeitigen Liebesschwüre und Verbrüderungen im guten alten Alkoholrausch gegen diesen übertrieben euphorisierten „Wir sind alle Kinder des Sonnenlichts"-Quatsch noch irgendwie ehrlicher zu sein.

Ich glaube nicht, dass die Leute auf Ecstasy zu besseren Menschen werden. Sie sind vielleicht umgänglicher als im nicht-toxischen Normalzustand, und sie geben mehr Trinkgeld, aber sie nerven auch gewaltig. Zum Beispiel, wenn du nach tagelanger Feierei nicht mehr vom Festivalgelände wegkommst, weil sich deine Begleitung unsterblich in ein emotionsloses Planschbecken verliebt hat. Oder wenn du neben jemandem am Lagerfeuer sitzt, der ununterbrochen mit schwarzen Knopfaugen in die Flammen stiert, während er dir mit knirschenden Zähnen zu erklären versucht, warum dieses Feuer „dasch Schönschte ischt, dasch er jemalsch geschehen hat."

Ecstasy ist kein Ersatz für Liebe und es ist auch nicht dein Freund. Es macht dir nur deinen Zahnschmelz kaputt und zerfrisst auf Dauer deine Leber und Nieren. Außerdem zerstörst du dir damit eine Menge Gehirnzellen und die kurzen Aussetzer, die dein Hirn nach einem chemisch intensiven Wochenende ab und zu hat, sind nur ein kleiner Vorgeschmack auf deine bevorstehende Geistesschwäche und Frühvergreisung, was mir als ein ziemlich hoher Preis erscheint für ein paar Nächte voller ungebändigter Euphorie und falscher Gefühle.

Vielleicht habe ich ja alles falsch gemacht. Zu wenig genommen, zu viel genommen, zu wenig getrunken oder vom Falschen zu viel, aber ich habe diesen sagenumwobenen Ecstasy-Rausch nie erlebt. Das Gefühl, vor Glück platzen und die ganze Welt, inklusive deiner schlimmsten Feinde, umarmen zu wollen oder die Schönheit des Moments kaum noch aushalten zu können, all das blieb aus. Trotzdem habe ich schon eine Menge solcher Momente in meinem Leben gehabt. Allerdings nicht auf Ecstasy. Ich glaube, in den meisten war ich noch nicht mal betrunken.